Das Loblied der tüchtigen Frau – Sprüche 31

Faith Impulse

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Dorothee Büürma

Pastorin, Erwachsenenbildung


Eine Predigt über Frauen – zu biblischen Zeiten und heute

Was steht ei­gent­lich in der Bibel über die Rolle der Frau(en)?

Und wie verstehen wir die unterschiedlichen Ansätze richtig? In dieser Predigt werden Frauenbilder anhand der Bibelstelle Sprüche 31,10-31 beleuchtet. Sie soll Mut machen, Frauen auch heutzutage ihren von Gott geschenkten Wert und ihre Stimme zu verleihen.

Sprichwörter/ Sprüche 31, 10-31 (zitiert aus der BasisBibel):

10 אEine tüchtige Frau – wer kann sie finden? Sie ist viel wertvoller als Korallen.

ב 11Ihr Mann kann sich auf sie verlassen. Was sie einbringt, ist sein Gewinn.

ג 12Sie tut ihm Gutes und nichts Böses alle Tage ihres Lebens.

ד 13Sie kümmert sich um Wolle und Flachs, fröhlich arbeitet sie mit ihren Händen.

ה 14Man kann sie mit einem Handelsschiff vergleichen, aus der Ferne schafft sie Lebensmittel herbei.

ו 15Noch in der Nacht steht sie auf. Für alle im Haus bereitet sie das Essen vor und teilt ihre Mägde zur Arbeit ein.

ז 16Hat sie vor, einen Acker zu kaufen, tut sie es. Will sie einen Weinberg anlegen, bezahlt sie’s von dem, was sie erwirtschaftet hat.

ח 17Kraftvoll stemmt sie ihre Arme in die Hüften und packt an, was sie sich vorgenommen hat.

ט 18Sie merkt, wie gut ihre Geschäfte laufen. Ihre Lampe brennt bis spät in der Nacht.

י 19Sie greift nach dem Stab mit der Wolle, Faden um Faden spinnt sie mit ihren Händen.

כ 20Für die Armen öffnet sie ihre Hände, sie unterstützt die Bedürftigen, wo sie nur kann.

ל 21In ihrem Haus muss keiner den Winter fürchten. Alle besitzen Kleidung aus scharlachroter Wolle.

מ 22Ihr Haus hat sie mit schönen Decken ausgestattet. Sie kleidet sich mit Leinen und purpurroter Wolle.

נ 23Hochgeachtet ist ihr Mann in den Toren der Stadt. Dort berät er sich mit den Ältesten des Landes.

ס 24Feine Hemden und Gürtel stellt sie her, verkauft sie selbst oder bringt sie zum Händler.

ע 25Voll Kraft und Würde tritt sie auf, mit einem Lachen beginnt sie jeden neuen Tag.

פ 26Was sie redet, zeugt von Weisheit, freundliche Worte wählt sie für ihre Weisung.

צ 27Sie überwacht die Tätigkeiten in ihrem Haus, Faulheit duldet sie nicht.

ק 28Ihre Kinder spenden ihr viel Beifall, ihr Mann spricht von ihr mit lobenden Worten:

ר 29»Es gibt viele tüchtige Frauen, aber du übertriffst sie alle!«

ש 30Liebenswürdigkeit kann täuschen, Schönheit vergehen. Aber eine Frau, die Gott mit Ehrfurcht begegnet, verdient höchstes Lob.

ת 31Ehrt sie für das, was sie erwirtschaftet hat! Man soll ihr Tun in den Toren der Stadt preisen.

zitiert von: https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/BB/PRO.31/Sprichwörter-31

Frauen heute

Am heutigen Sonntag wird in den Evangelisch-methodistischen Gemeinden in Österreich die Rolle des Frauennetzwerks unserer Kirche betont. In allen unseren Gemeinden werden heute Beiträge für die Arbeit des Frauennetzwerks eingesammelt. Der heutige Sonntag wurde deshalb gewählt, weil er zwischen dem Weltgebetstag der Frauen und dem Weltfrauentag liegt. 
Das hat mich zur Wahl des Predigttextes und zum Thema für die Predigt inspiriert.

Bevor wir in die Welt der biblischen Frauenbilder eintauchen in dieser Predigt, möchte ich mit einem persönlichen Einstieg beginnen.

Es gibt Menschen, die uns auf besondere Weise im Leben prägen.
Bei mir war eine prägende Person schon in meiner Kindheit meine Oma mütterlicherseits. Sie ist verstorben, als ich 14 Jahre alt war. Sie war die erste Person, die ich im Sterben begleiten durfte. 
Was mich an ihrer Lebensgeschichte und ihrer Lebenseinstellung fasziniert hat, war ihre Bodenständigkeit. Sie war für mich wie die tüchtige Frau, die im Buch der Sprüche beschrieben wird. Leicht hatte sie es nie wirklich im Leben. Immer musste sie hart arbeiten, aber sie konnte ihre Familie gut versorgen. Geboren war sie zu Beginn des Ersten Weltkriegs im ländlichen Ostfriesland. Ihr Ehemann, mein Opa, war Bauer und hatte einige Felder und Tiere. Im Zweiten Weltkrieg musste mein Opa in den Krieg ziehen – er kam später schwer verwundet zurück und war kaum noch arbeitsfähig. Um Haus, Hof und Arbeit musste sich zu der Zeit meine Oma kümmern. Dazu um ihre vier Kinder und dann noch um ein Pflegekind, das sie auch noch aufnahm. 
Mein Opa starb kurz nach meiner Geburt. Und meine Oma blieb noch lange in ihrem Haus und bearbeitete ihren Gemüsegarten. Sie war 85, als sie zugeben musste, dass sie es nicht mehr allein schaffen konnte, ihre Kartoffeln, Erbsen und Karotten zu ernten! 
Ich habe mich oft gefragt, woher sie die Kraft hatte, das alles zu schaffen. Wie auch bei der tüchtigen Frau, die in den Sprüchen beschrieben wird, lebte meine Oma immer im Dienst Gottes. Sie war Mitglied der altreformierten Kirche und ist noch immer einigen Menschen in ihrem Heimatort ein Begriff. Wenn wir in unseren Sommerurlauben dort Gottesdienste besuchen, sitzen wir immer noch in der Büürma-Familienbank. Das Leben meiner Oma war im Glauben verankert. Aus dem Glauben hat sie viel Kraft geschöpft. Das habe ich schon als Kind von ihr gespürt. Und die Gespräche mit ihr über Gott haben mich tief bewegt.

Ich bin mir sicher, dass ihr auch Menschen vor euren eigenen Augen habt, die für euch im Leben oder im Glauben Vorbilder sind oder waren. Und heutzutage ist es relativ normal, dass diese Vorbilder männlich oder weiblich sind.

Zur Zeit, in der die biblischen Geschichten entstanden, war das nicht selbstverständlich. 

Frauen im Alten Testament

Vielleicht habt ihr die Gedanken zur Jahreslosung oder zum Monatsspruch für den Februar auf unserer EmK-Homepage gelesen. Darin wurden die Lebenssituationen von Abra(ha)ms Frau Sara(i) und ihrer Magd Hagar beschrieben. Sie lebten in ganz anderen familiären Systemen als wir heute, in denen es klar war, dass der Mann (z.B. Abraham) entscheidet und die Frauen mitmachen müssen. Die Lebenswelt im Alten Testament war eine deutlich andere als wir sie erleben. Die Menschen, über die im Alten Testament erzählt wird, lebten ursprünglich in Stämmen als Nomaden und zogen mit ihren Familien umher. Die Aufgabe der Männer war es, sich um ihre Familien und Tiere zu kümmern. Frauen konnten nicht allein leben; sie waren als unverheiratete Töchter bei ihrem Vater oder als verheiratete Frauen Teil des Stammes ihres Mannes. Männer konnten damals mehrere Frauen heiraten und mit ihnen im Stamm leben. Wie oft das zu Neid und Streitereien führte, sieht man auch in den alttestamentlichen Geschichten; besonders in der Geschichte von Josef, der von seinen Halbbrüdern aus dem Weg geschafft wurde.

Wer diese Geschichten mit wachem Blick liest, wird aber immer wieder Überraschungen entdecken. Immer wieder sind vor allem Frauen zwar in sozial schwächeren Rollen, werden aber von Gott besonders gestärkt – wie Hagar in der Wüste oder auch Ruth und Naomi. 

Wer ist die "tüchtige Frau" in Sprüche 31?

Was aber eher ungewöhnlich ist für das Alte Testament, das ist das Loblied auf die tüchtige Ehefrau am Ende der Sprüche / Sprichwörter. 

Dieses Buch entstand deutlich später als andere alttestamentliche Geschichten, wahrscheinlich nur etwa 200 Jahre vor Jesu Geburt. Zu der Zeit hatten sich einige Sitten schon geändert, vor allem mit der zunehmenden Sesshaftigkeit des Volkes Israel. Um die Zeit herum änderte sich auch das Heiratsverständnis, zu der bis heute noch in vielen Ländern praktizierten Ehe zwischen einem Mann und einer Frau. Die Sprüche werden einer Weisheitsschule zugeordnet. Sie sind also im Kontext der Lehre entstanden. 

Mit den gesellschaftlichen Veränderungen und Einflüssen aus den griechischen und römischen Kulturen hat auch die Erziehung und Bildung einen höheren Stellenwert bekommen. In den Sprüchen werden Gerechtigkeit, soziales Verhalten, angemessenes Reden, gute Erziehung und Rücksichtnahme auf Schwache gelehrt. Und es wird vor Unrecht, Hass, Faulheit, Hochmut und Unbeherrschtheit gewarnt.

Viele Sprichwörter sind bis heute noch in Gebrauch, z.B.: »Wer eine Grube gräbt, fällt selbst hinein« (26,27) oder »Hochmut kommt vor dem Fall« (16,18).

 

Das Loblied der erfolgreichen Geschäftsfrau am Ende der Sprüche ist besonders:

Es ist als literarische Kunstform verfasst, als sogenannten Alphabetpsalm. Jeder Vers beginnt mit dem nächsten Buchstaben des hebräischen Alphabets. Es hat sich also jemand viel Mühe gemacht, dieser tüchtigen Frau mit jedem Buchstaben des Alphabets ein Lob zu schenken. Vielleicht ist es sogar als Liebesgedicht geschrieben worden!

Und es ist ungewöhnlich, weil der Frau in diesem Lob viel Anerkennung und Ehre zugeschrieben wird.

„Eine tüchtige Frau – wer kann sie finden?“ – so beginnt das Loblied. 

Das hebräische Wort für Frau ist "eshet". Das Adjektiv "chayil", mit dem sie beschrieben wird, ist im Deutschen als „tüchtig“ übersetzt. Es kommt im Alten Testament auch an anderen Stellen vor und beschreibt da auch "Standhaftigkeit" (im Buch Hiob), "körperliche Kraft" und "moralische Stärke" (in Psalm 18) oder "Reichtum" (im 2. Buch der Könige). Diese tüchtige Frau hatte, wie im Loblied deutlich wird, all diese Eigenschaften. Sie war sowohl wohlhabend, als auch stark und von unglaublicher Stärke, Kreativität und Standhaftigkeit. 

Es gibt im Alten Testament nur eine andere Bibelstelle, an der eine weitere Frau als "eshet chayil" beschrieben wird: Überraschenderweise ist die zweite Frau Ruth! Boas beschreibt Ruth als tüchtige Frau, weil sie sich um ihre Schwiegermutter Naomi kümmert und auf den Feldern arbeitet. Ruth war eine geflohene ausgestoßene Witwe, noch dazu einer fremden Religion zugehörig. Sie könnte nicht unterschiedlicher sein zu der Frau, die in den Sprüchen als tüchtige Frau beschrieben wird!

Was eine tüchtige Frau im biblischen Sinn auszeichnet, ist also nicht die Herkunft oder der persönliche Hintergrund, es ist nicht der soziale Status oder der Ehestatus, es ist auch nicht die finanzielle Lage; was die tüchtige Frau auszeichnet ist ihr Charakter, ihre Lebenseinstellung.

Sie nutzt das, was ihr zur Verfügung steht, weise und ist nicht untätig. 

Sie kümmert sich nicht in erster Linie um ihr eigenes Wohl, sondern um das ihrer Mitmenschen. Und sie tut das aus einem Glauben heraus, der für andere sichtbar ist.

Zu der Zeit, in der das Loblied entstanden ist, war es Frauen, vor allem im jüdischen Volk, nicht immer erlaubt, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Umso mehr erstaunen mich Verse wie: „Was sie redet, zeugt von Weisheit, freundliche Worte wählt sie für ihre Weisung.“ Dass dieser Frau Gehör geschenkt wurde und sie sogar für ihre weisen Worte gelobt wurde, das berührt mich.

Das Besondere an dieser Bibelstelle

Es zeigt schon, dass sich mit Gottes Hilfe immer wieder ein Wandel im Denken der Menschheit einstellen konnte. Und immer wieder werden gerade in biblischen Texten Menschen mit Würde und Respekt ausgezeichnet, die das nach gesellschaftlichen Normen nicht verdient hätten.

Aus feministischer Perspektive ist die Bibel natürlich in gewissem Maße an die Gepflogenheiten der Zeiten gebunden. Aber sie enthält immer wieder Geschichten über Menschen, die den Denkhorizont ihrer Zeit sprengen. Sie enthält immer wieder fast revolutionäre Ansätze für ein respektvolleres Miteinander vor allem für die Menschen, die gesellschaftlich unterdrückt wurden.

Was bedeutet das für Frauen im 21. Jahrhundert?

Auch in unserer Zeit braucht es mutige Stimmen, die auf Ungleichheiten oder ungerechte Behandlung der Mitmenschen hinweisen. Zum Weltfrauentag braucht es meiner Ansicht nach keine Blumen (wie sie verschiedene Supermärkte nächste Woche verkaufen wollen). 

Es braucht ehrliche Gespräche über Bereiche, in denen Frauen noch immer benachteiligt werden. Dazu wird in diesen Tagen auch einiges in verschiedenen Zeitungen und Medien berichtet.

Es braucht Aufklärung von Kindern und Jugendlichen über Worte und Verhaltensweisen, die vor allem in englischsprachiger Musik verbreitet sind und die Frauen immer noch entwürdigen.

Es braucht unsere Gebete und Unterstützung für Frauen, wie die Schülerinnen im Iran, die mit illegalen Mitteln vom Unterricht ferngehalten werden sollen.
Weltweit gibt es noch immer viel Ungleichheit.

Warum ich in diesem Zusammenhang den Weltgebetstag der Frauen so wichtig finde

Deshalb finde ich persönlich das Feiern des Weltgebetstags auch so wichtig. Schon im Jahr 1887 riefen erste presbyterianische und methodistische Frauen in den USA zu Gebeten auf. Diese Gebete der Frauen verbreiteten sich und so entstand bis 1926/7 ein weltweiter ökumenischer Tag des Gebets – von Frauen für Frauen. 

Was ich an den Gebeten des Weltgebetstags besonders schätze, ist die Ehrlichkeit der Frauen, die die Gebete und Liturgien schreiben. In allen Ländern der Welt gibt es Frauen, die Unterdrückung erfahren. Für ihre persönlichen Situationen beten Frauen und Männer weltweit. Und durch das gemeinsame Gebet und das Mit-Leiden mit den Frauen anderer Länder wächst auch das Bewusstsein für die Rechte der Frauen weltweit. Das Gebet gibt auch ihnen Hoffnung, dass ihre Stimmen weltweit gehört werden. Und die Kollekten der Weltgebetstagsgottesdienste sind wertvolle Hoffnungszeichen für Projekte, die Frauen stärken.

Der Wert des Frauennetzwerks unserer Kirche

Auch das Frauennetzwerk der EmK Österreich schickt mit seinen Beiträgen Hoffnungszeichen für Frauen in Länder, in denen Projekte über das Hilfswerk Connexio gefördert werden. Es tut gut, zu wissen, dass unsere Kirche weltweit vernetzt ist und dass wir weltweit mit Menschen im Glauben und in der christlichen Hoffnung verbunden sind.

Mögen auch wir in unseren Begegnungen im Leben Menschen stärken. Und mit Gottes Hilfe können auf wir ab und zu für andere solch tüchtige Menschen sein, wie es das Loblied der tüchtigen Frau beschreibt.

Bitten wir immer wieder um Gottes heilige Geistkraft und Weisheit für unseren Lebensalltag.

Amen.

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