Weltweit denken, regional handeln, Teil 1

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Die Evangelisch-methodistische Kirche sucht Wege, wie sie weltweite Kirche sein kann und nicht eine US-zentrierte Kirche mit Anhängseln in aller Welt. 

Im hessischen Braunfels tagte Ende Februar ein internationales Gremium der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK). Der dort tagende »Ständige Ausschuss für Belange der Zentralkonferenzen« (Standing Committee for Central Conference Matters) berät Themen und Fragen der Kirchenregionen der EmK außerhalb der Vereinigten Staaten. Dazu gehören die verschiedenen Zentralkonferenzen in Afrika, Asien und Europa. 

In Braunfels ging es um Vorschläge für eine stärkere Gleichberechtigung der verschiedenen Kirchengebiete innerhalb und außerhalb der Vereinigten Staaten. Außerdem wurde die Erhöhung der Anzahl der EmK-Bischöfe in Afrika diskutiert. In einem ersten Berichtsteil geht es um die sogenannte Regionalisierung.

 

Mehr Gleichberechtigung durch Regionalisierung

In den letzten Jahren beriet sich der jetzt in Braunfels tagende Ausschuss intensiv mit dem »Connectional Table« über die Frage der Regionalisierung der weltweiten Kirche. In den Gesprächen mit diesem internationalen Leitungs- und Koordinationsgremium der Kirche ging es um die Frage, wie sich die EmK nicht nur als weltweite Kirche bezeichnet, sondern sich wirklich als weltweite Kirche gestaltet. 

Hauptkritikpunkt an der gegenwärtigen kirchlichen Struktur ist die Feststellung, dass es für den US-amerikanischen Teil der Kirche keine Entscheidungsebene gibt, die sich ausschließlich mit kirchlichen Angelegenheiten in den Vereinigten Staaten befassen kann. Die dortigen sogenannten Jurisdiktionalkonferenzen dienen fast ausschließlich dazu, Bischöfe oder Bischöfinnen zu wählen. Weitere Kompetenzen gibt es nicht. Das führt dazu, dass die Generalkonferenz als höchstes Leitungsgremium der EmK weitgehend von amerikanischen Themen und Debatten dominiert wird und die Entscheidungsfindung ausschließlich mit US-amerikanischen parlamentarischen Arbeitsweisen erfolgt.

Anders als die Jurisdiktionen in den USA haben die Zentralkonferenzen gemäß der Verfassung der Kirche weitere Befugnisse. Dazu gehört, »Änderungen und Adaptionen« an der Ordnung der Kirche zu beschließen, wie es »die Verhältnisse in ihrem Gebiet erfordern«. Die Ausschussmitglieder bekräftigten, dass eine weltweit arbeitende Kirche sich nicht länger zwei verschiedene Arbeitsweisen leisten könne. Eine für die Vereinigten Staaten, die aber weitreichende Auswirkungen auf die anderen Gebiete der Kirche hat, und eine zweite für die anderen Regionen der Kirche außerhalb der Vereinigten Staaten.

 

Zwei Vorschläge sind zu harmonisieren

Derzeit gibt es zwei unterschiedliche Vorschläge für die als Regionalisierung bezeichnete organisatorische Veränderung der Kirche, die an der Generalkonferenztagung 2024 beschlussreif sein soll. Die vom Connectional Table vorgelegte Regelung zielt darauf ab, die Jurisdiktionen des US-amerikanischen Teils der Kirche zu einer neuen kirchenrechtlichen Ebene zusammenzufassen, die den Zentralkonferenzen außerhalb der USA entspricht.

Der andere Vorschlag ist unter dem englischen Titel »Christmas Covenant« (Weihnachtsabkommen) bekannt. Im Kern geht es darum, innerhalb der weltweit strukturierten EmK den unterschiedlichen Regionen der Kirche mehr Freiheit zuzugestehen. Dieser Ansatz zielt darauf ab, den gemeinsamen missionarischen Auftrag im jeweiligen Kontext besser ausüben zu können. Mit dieser Neujustierung von Verbindlichkeit und Freiheit innerhalb des kirchlichen Verbundsystems wäre zugleich ein wichtiger Schritt getan, die US-Zentrierung der Kirche zu überwinden. 

Beide Vorschläge können nur mit Änderungen an der Verfassung der Kirche erfolgen, für die eine Zweidrittel-Mehrheit bei der Generalkonferenz nötig ist. Außerdem bedarf es im Nachgang zur Generalkonferenz einer Zweidrittel-Mehrheit aller Mitglieder aller Jährlichen Konferenzen der EmK weltweit. Beide Vorgänge zusammen bilden eine hohe Hürde für eine erfolgreiche Beschlussfassung.

Nach intensiven Gesprächen kamen der Ständige Ausschuss und der gleichzeitig in den USA tagende Connectional Table zu der Überzeugung, dass nur ein gemeinsam von beiden Gremien vorgelegter Vorschlag Aussicht auf Erfolg bei der Generalkonferenz hätte. Die Mitglieder des Ständigen Ausschusses beschlossen infolgedessen einstimmig die Bildung einer Arbeitsgruppe. Diese hat den Auftrag, zusammen mit dem Connectional Table die beiden vorliegenden Vorschläge zu harmonisieren. Die Arbeitsgruppe wird aus je fünf Mitgliedern des Ständigen Ausschusses und des Connectional Tables gebildet. Hinzugezogen werden Personen, die an der Formulierung des Weihnachtsabkommens (Christmas Covenant) mitgewirkt hatten.

 

Zum Hintergrund der Diskussion um Regionalisierung

Die Auseinandersetzung mit einer US-lastigen Struktur der Kirche ist so alt wie die 1968 aus der Vereinigung zweier Vorgängerkirchen hervorgegangene Evangelisch-methodistische Kirche. Schon im Vorfeld der Kirchenvereinigung war diese Frage aufgetaucht, ohne dass eine Lösung für eine stärkere Gleichberechtigung der Regionen der weltweiten Kirche ins Auge gefasst wurde. Über Jahrzehnte hinweg führte das zu einer US-dominierten Themensetzung für die weltweite Kirche.

In den 1990er-Jahren nahm die Diskussion erneut Fahrt auf, um die US-zentrierte Struktur der Kirche zu überdenken und den Regionen außerhalb der Vereinigten Staaten mehr Eigenständigkeit zuzubilligen. Bei der Generalkonferenz 2008 gab es erste Beschlüsse in diese Richtung, denen aber bei den nachfolgenden Jährlichen Konferenzen die nötige Zustimmung mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit verwehrt blieb. Ein erneuter Anlauf bei der Generalkonferenz 2016 scheiterte bereits daran, dass die Vorschläge gar nicht dem Plenum der Generalkonferenz vorgelegt wurden. 

Im Anschluss daran gerieten weitere Bemühungen angesichts der sich verschärfenden Debatte über Homosexualität ins Stocken. Nachdem bei der außerordentlichen Generalkonferenz 2019 die Auseinandersetzung über die Haltung zur Homosexualität nicht beigelegt werden konnte, standen die Vorschläge zur Regionalisierung der Kirche unter dem Verdacht, die Öffnung der Kirche in sexualethischen Fragen auf diesem Wege erzwingen zu wollen. 

Mit der coronabedingten Verschiebung der Generalkonferenz ins Jahr 2024 und der zunehmenden Erkenntnis, dass sich eine weltweite Kirche regional flexibler und eigenständiger aufstellen muss, scheint sich die Stimmung zur Frage der Regionalisierung geändert zu haben. Der Ständige Ausschuss und der Connectional Table sehen daher die Chance, einen neuen und erfolgreichen Anlauf unternehmen zu können. 

Weiterführende Links
Berichterstattung UMNews [Link hinterlegen: https://www.umnews.org/en/news/international-group-pursues-regionalization] (Englisch)

Der Autor
Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main.

Zur Information

Die Evangelisch-methodistische Kirche (EmK) ist eine weltweit verfasste und strukturierte Kirche. Das höchste gesetzgebende und für alle Fragen der Verfassung, Lehre und Ordnung der Kirche zuständige Gremium ist die alle vier Jahre tagende Generalkonferenz. Unterhalb dieser Ebene sind innerhalb der USA die Jurisdiktionalkonferenzen und außerhalb der USA die Zentralkonferenzen angesiedelt, in denen die Jährlichen Konferenzen der jeweiligen Region zusammengefasst sind. Sie tagen ebenfalls alle vier Jahre innerhalb eines Jahres nach der Generalkonferenz. Sie wählen Bischöfe oder Bischöfinnen innerhalb des jeweiligen Gebiets und setzen Beschlüsse aus der Generalkonferenz in Kraft. Die Zentralkonferenzen sind außerdem befugt, Anpassungen an Teilen des Kirchenrechts der Evangelisch-methodistischen Kirche vorzunehmen, wenn es die missionarischen Notwendigkeiten und unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen in den jeweiligen Kontexten erfordern.

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