Öku­men­is­cher Gottes­di­enst zur Be­freiungs­fei­er in der KZ-Gedenk­stätte Mau­thausen

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Bischof Chalupka erinnert an italienischen Methodisten Jacopo Lombardini

Vor 78 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Das Gedenken an die Opfer stand im Mittelpunkt der Internationalen Befreiungsfeier im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen. (Foto: wikimedia/Dnalor 1)

Bischof Chalupka: „Zivilcourage ist Widerstand gegen jede Form der Diskriminierung“

Kirchenvertreter haben bei einem ökumenischen Gottesdienst im Rahmen der Internationalen Befreiungsfeier in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen am Sonntag, 7. Mai, zu mehr Zivilcourage aufgerufen. „Zivilcourage ist Widerstand gegen jede Form der Diskriminierung“, betonte der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka in seiner Predigt. „Vernichtungsphantasien beginnen mit Diskriminierung: Wenn sich eine Gruppe über die andere stellt. Wenn Fremde mit abwertenden Bezeichnungen belegt werden. Wenn ihnen Gleichwertigkeit und Menschlichkeit angesprochen werden und sich die vermeintlich Überlegenen in den eigenen Vorurteilen suhlen. Es beginnt mit der Abwertung, dem Hohn und dem Spott und endet mit dem Befehl zu töten“, warnte der Bischof.

An dem Ökumenischen Gottesdienst in der Kapelle der Gedenkstätte nahmen außerdem der Linzer Bischof Manfred Scheuer und der orthodoxe Erzpriester Ioannis Nikolitsis teil. Auch der Evangelisch-methodistische Superintendent Stefan Schröckenfuchs war unter den Mitfeiernden. Stellvertretend für die vielen Opfer wurde bei dem Gottesdienst in besonderer Weise an drei Einzelschicksale erinnert. Der Gottesdienst ging der anschließenden Internationalen Befreiungsfeier im Gedenken an die Befreiung des Lagers vor 78 Jahren voraus. Die Befreiungsfeiern, die vom Mauthausen-Komitee Österreich (MKÖ) organisiert bzw. koordiniert werden, standen in diesem Jahr unter dem Motto „Zivilcourage“.

In Mauthausen war jede Form religiösen Ausdrucks verboten, galt als Widerstand und als ein Grund, ermordet zu werden. „Es durfte kein Anzeichen einer religiösen Hoffnung geben. In dieser Strenge stach Mauthausen selbst unter all den anderen Konzentrationslagern noch hervor“, erinnerte Bischof Chalupka. Dennoch riskierten immer wieder Häftlinge, ihren Glauben zu zeigen und damit auch anderen Trost zu geben. Als Beispiel nannte Chalupka den Italiener Jacopo Lombardini. Er war Methodist, Seelsorger, Schriftsteller, Poet und Lehrer am Gymnasium der evangelischen Waldenserkirche in Torre Pellice nahe Turin.

Respekt vor dem Leben als Antriebskraft

Sein Glaube und der Respekt vor dem Leben haben ihn in den Widerstand getrieben, so der Bischof: „Lombardini nahm selbst keine Waffe in die Hand, unterstützte aber den Widerstand. Dass es dazu keine Waffe braucht, hat er hier im Konzentrationslager gezeigt. Überlebende berichteten, dass Lombardini, der selbst an Skorbut erkrankt und in den Block 7 des Lagerlazaretts überstellt war, dort den jüngsten Internierten Unterricht in Literatur, Poesie, Ethik und Politik gab und den italienischen Mitgefangenen, unabhängig von ihrer Konfession, Trost zusprach. Auch Seelsorge gehörte zum Widerstand.“ Wenige Tage vor der Befreiung, am 24. April 1945, wurde Lombardini ermordet.

Stellvertretend für die etwa 190.000 in Mauthausen inhaftierten Personen, von denen mindestens 90.000 ermordet wurden, wurde bei dem Gottesdienst auch an Cesare Lorenzi (1903-1945), Jean Conseil (1921-2009) und Marcel Callo (1921-1945) erinnert. Lorenzi wurde wegen Teilnahme an einem Streik italienischer Arbeiter in Mailand 1944 verhaftet und nach Mauthausen verfrachtet. 17 Tage nach der Befreiung starb er dort an den Folgen der KZ-Haft. Seine Tochter Raffaella Lorenzi erfuhr erst 18 Jahre später, dass er in Mauthausen begraben ist.

Conseil schloss sich als Student in Amiens dem französischen Widerstand an. Nach seiner Verhaftung wurde er im April 1943 nach Mauthausen deportiert. Er überlebte die Torturen der Arbeitseinsätze im Steinbruch und im Nebenlager Steyr, nach Erfrierungen musste er als Hilfspfleger auf der Krankenstation arbeiten. Er erlebte die Befreiung des Lagers und konnte in seine Heimat zurückkehren. Seine Tochter Joelle Conseil-Becker hat von ihm den Satz überliefert: „Vergessen, das ist nicht möglich, aber verzeihen schon.“

Callo, geboren in Rennes, wurde stark durch die Katholische Arbeiterjugend geprägt, er setzte sich stark für die Würde und Rechte der Arbeiter ein. 1943 wurde er zur Zwangsarbeit in einem Rüstungsbetrieb in Deutschland verschleppt, 1944 von der Gestapo verhaftet, weil er „zu katholisch“ war. Er wurde in das Konzentrationslager Flossenbürg und dann nach Mauthausen deportiert, wo er im Stollen in Gusen arbeiten musste. Durch die extremen Arbeits- und Lagerbedingungen gesundheitlich sehr geschwächt, kam er am 5. Jänner 1945 bereits todkrank in das Krankenrevier. Am 19. März 1945 starb Marcel Callo im Alter von 23 Jahren. 1987 wurde Marcel Callo seliggesprochen. 1998 weihte Bischof Maximilian Aichern die erste „Marcel Callo-Kirche“ Österreichs im Linzer Stadtteil Auwiesen.

Bischof Chalupka sagte im Blick auf die Schicksale der Opfer: „Sie alle haben widerstanden, Zivilcourage gezeigt. Es ist wichtig, dass man sich an ihre Leben erinnert. An jedes einzelne. Damit die Auslöschung nicht nach dem Tode der Opfer weitergeht.“

Quellen: epdÖ, emk

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