Unter die Räuber gefallen
Faith Impulse

Bishop UMC Central and Southern Europe
„Gott und die Mitmenschen lieben“
“Euch aber lasse der Herr wachsen und reicher werden in der Liebe zueinander und zu allen Menschen...” (1. Thessalonicher 3,12)
Wachsen und zunehmen in der Liebe! Groß soll sie werden, unsere Liebe zueinander!
Irgendwo habe ich gelesen: »Wer liebt, hat Zeit.« – Lieben ist also (auch) eine Frage der Zeit.
Ich frage mich: Habe ich Zeit für meine Mitmenschen, für meine Familie, für meine Freunde, für meine Geschwister in der Gemeinde, für Menschen, die meine Hilfe brauchen? Habe ich Zeit für Gott?
Einmal erzählte Jesus eine Geschichte, in der genau darum geht. Darum, dass einer Zeit hat für einen, der ihn braucht:
Da kam ein Schriftgelehrter und wollte Jesus auf die Probe stellen.
Er fragte ihn: »Lehrer, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben bekomme?«
Jesus fragte zurück: »Was steht im Gesetz? Was liest du da?«
Der Schriftgelehrte antwortete: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft und mit deinem ganzen Denken.«
Und: »Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst.«
Jesus sagte zu ihm: »Du hast richtig geantwortet. Halte dich daran und du wirst leben.«
Aber der Schriftgelehrte wollte sich verteidigen. Deshalb sagte er zu Jesus: »Wer ist denn mein Mitmensch?«
Jesus erwiderte:
»Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho. Unterwegs wurde er von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn bis aufs Hemd aus und schlugen ihn zusammen. Dann machten sie sich davon und ließen ihn halb tot liegen.
Nun kam zufällig ein Priester denselben Weg herab. Er sah den Verwundeten und ging vorbei. Genauso machte es ein Levit, als er zu der Stelle kam: Er sah den Verwundeten und ging vorbei.
Aber dann kam ein Samariter dorthin, der auf der Reise war. Als er den Verwundeten sah, hatte er Mitleid mit ihm. Er ging zu ihm hin, behandelte seine Wunden mit Öl und Wein und verband sie. Dann setzte er ihn auf sein eigenes Reittier, brachte ihn in ein Gasthaus und pflegte ihn. Am nächsten Tag holte er zwei Silberstücke hervor, gab sie dem Wirt und sagte: ›Pflege den Verwundeten! Wenn es mehr kostet, werde ich es dir geben, wenn ich wiederkomme.‹
Was meinst du: Wer von den dreien ist dem Mann, der von den Räubern überfallen wurde, als Mitmensch begegnet?«
Der Schriftgelehrte antwortete: »Der Mitleid hatte und sich um ihn gekümmert hat.«
Da sagte Jesus zu ihm: »Dann geh und mach es ebenso.«
(Lukas 10,25-37; BasisBibel)
Unter die Räuber gefallen
»Wer liebt, hat Zeit.« Wir haben allen Grund uns zu freuen! Weil Gott uns liebt, zuerst liebt, weil der Vater im Himmel für uns Zeit hat, immer. Davon erzählt die Geschichte vom barmherzigen Samaritaner:
Wir sind unter die Räuber gefallen. Wir haben Liebe nötig. Wir haben nötig, dass jemand für uns Zeit hat. Und Gott ist der barmherzige Samaritaner, das Urbild von Barmherzigkeit!
Ihr habt schon richtig gehört: Wir sind unter die Räuber gefallen, und Gott ist der barmherzige Samaritaner. Es ist eine Geschichte, die von der unerhörten Liebe des Vaters im Himmel erzählt. Sein Herz brennt für uns Menschen!
Eben für jene, die unter die Räuber gefallen sind: »Ein Mensch ging von Jerusalem nach Jericho hinunter. Unterwegs wurde er von Wegelagerern überfallen. Sie plünderten ihn bis aufs Hemd aus, schlugen ihn zusammen und ließen ihn halb tot liegen; dann machten sie sich davon.«
Da liegt er also, dieser Mensch, du und ich. Wir alle sind doch irgendwie unter die Räuber gefallen:
- durch unsere Herkunft – vielleicht hast du in deiner Kindheit nie erlebt, was Liebe ist, und das macht es dir schwer, deine Mitmenschen, auch jene in der Gemeinde, zu lieben;
- durch die Lebensumstände – so vieles beansprucht deine Zeit. Und es dünkt dich: ‚Andere leben mein Leben.‘ Du fühlst dich wie ein Gefangener.
- Du bist unter die Räuber gefallen durch Grenzen, die dir gesetzt sind – vielleicht ist deine Gesundheit angeschlagen, und du stößt früher als andere an die Grenzen deiner Kräfte –;
- durch das, was andere dir angetan haben, vielleicht sogar in der Kirche – und deshalb bist du deinen Mitmenschen gegenüber misstrauisch geworden.
Und da liegst du. Verwundet, schutzlos, ausgeliefert, kraftlos, hilflos.
Du, ja wir alle haben es nötig, dass einer vorbeikommt, stehen bleibt und nicht einfach an uns vorübergeht, dass uns jemand voll Liebe ansieht und Zeit hat für uns.
Gott bleibt stehen
»Schließlich kam ein Reisender aus Samarien dort vorbei. Als er den Mann sah, hatte er Mitleid mit ihm. Er ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann setzte er ihn auf sein eigenes Reittier, brachte ihn in ein Gasthaus und versorgte ihn mit allem Nötigen.«
Gott bleibt stehen und schaut uns an! Jetzt, wenn wir diese Geschichte hören; jetzt, wenn wir singen, beten, miteinander feiern.
Vielleicht hast du nicht viele Menschen, die Zeit haben für dich und dich ansehen. Gott tut es!
Eindrücklich! – Gott in der Gestalt des Samaritaners fragt in diesem Moment mit keinem Wort danach, ob dieser Mensch, der da unter die Räuber gefallen ist, an seinem Unglück vielleicht selbst schuld sei.
Ob er sich leichtsinnig auf eine Route eingelassen habe, auf der er doch mit einem solchen Überfall habe rechnen müssen?
Warum nur er allein gegangen sei? Er hätte es doch wissen müssen.
Nichts davon beim barmherzigen Samaritaner. Im Moment der Not spielen für ihn solche Fragen keine Rolle. Er hilft einfach.
So ist der liebende Gott! Besonders in der Not ist er da und hilft. Wieder und wieder bezeugen die Psalmen diese Erfahrung.
Nein, der Vater im Himmel lässt uns die Suppe, auch wenn wir sie uns selbst eingebrockt haben, nicht allein auslöffeln.
Im Moment der Not bleibt er stehen und ist da.
Gott lässt sich unterbrechen
Was für ein wunderbares Bild hat uns Jesus mit der Geschichte vom barmherzigen Samaritaner von Gott gemalt!
Gott lässt sich unterbrechen und hat Zeit für dich!
Er hat Zeit, um bei dir zu sein, wenn du ihn brauchst. – Wer liebt, hat Zeit!
Gott geht nicht an dir vorüber: Wie viele Menschen sonst gehen an dir vorüber?
Halte dich fest daran: Gott bleibt stehen und beugt sich zu dir hinunter, sieht dich, sieht dich als ganzen Menschen und kümmert sich um dich.
Und, Gott lädt uns auf sich selbst: »Er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen.«
Er trägt uns in die Herberge und bezahlt für uns. Wir sollen gesund werden!
Und auf der Rückreise schaut er nochmals vorbei. Wenn es mehr kostet, bezahlt er auch das noch.
Was für eine große Liebe!
Lieben, weil Gott zuerst liebt
Gott als barmherziger Samaritaner – für manche vielleicht eine überraschende, ungewohnte Perspektive. Fast immer in der Auslegung dieser Geschichte wird der Samaritaner als Vorbild für uns dargestellt.
Heute dürfen wir hören und im Herzen vielleicht sogar erfahren:
Gott selbst ist der barmherzige Samaritaner. Es ist Gottes Leidenschaft, uns seine Liebe zu zeigen, Zeit für uns zu haben.
Vielleicht spürst du in dir jetzt eine große Dankbarkeit und Freude und den Wunsch:
‚Das will ich auch, meine Mitmenschen so lieben, stehen bleiben, wo Not herrscht, Zeit haben für andere und helfen, so gut ich kann.‘ – Wunderbar! Gott hat dich mit seiner Liebe angesteckt und in dir Liebe geweckt.
Diese Erfahrung macht deutlich: Zuerst und immer wieder haben wir es nötig, dass der Vater im Himmel sich Zeit nimmt, uns in unserer Not findet, uns ansieht, uns in die Herberge trägt und uns zusagt: ‚Was immer es kostet: Ich bezahle.’
Nur daraus kommen dann auch der Wille, die Kraft und das Gelingen, für andere zu barmherzigen, liebenden Samaritanern zu werden. Nur so können wir wachsen und zunehmen in der Liebe.
Barmherzige Samaritaner für andere
So haben wir jetzt doch auch noch die andere Perspektive auf unsere Geschichte eingenommen – und entdeckt, wie wir zu barmherzigen Samaritanern werden, wie wir den andern – auch in der Kirche – zu Mitmenschen, ja zu liebevollen Schwestern und Brüdern werden.
Jesus dreht die Frage des Gesetzeslehrers ‚Wer ist mein Mitmensch?‘ nämlich um und sagt: ‚Jeder ist dein Mitmensch. Die Frage ist, wem du als Mitmensch begegnest.’
Mit den Worten Jesu: »Wer von den dreien ist dem, der den Räubern in die Hände fiel, als Mitmensch begegnet?«
Wie also werden wir anderen zu Mitmenschen? Wie nimmt unsere Liebe für andere zu?
Indem wir uns Gottes Barmherzigkeit gefallen lassen und dann praktisch einüben, seine Leidenschaft für jene zu teilen, die unter die Räuber gefallen sind.
Indem wir uns auf unserem Weg aufhalten lassen, bereit, unsere Pläne zu ändern und ihnen unsere Zeit zu schenken.
Aus Dankbarkeit und Freude, weil Gott für uns zum barmherzigen Samaritaner wurde, weil er immer für uns Zeit hat, sich unterbrechen lässt, stehen bleibt, uns ansieht, in die Herberge trägt und für uns bezahlt.
Amen.
Glaubensimpulse