Die Welt ist BANI
Faith Impulse

Pastorin, Erwachsenenbildung

Die Welt ist BANI, so habe ich es vor einigen Wochen gelernt. Dann musste ich allerdings nachfragen, was mit BANI gemeint ist. Dieses Kunstwort ist der Versuch, die Welt so zu beschreiben, wie sie derzeit von vielen Menschen wahrgenommen wird. Jeder Buchstabe von BANI steht für eine andere Eigenschaft.
B steht für brittle. Dieses englische Wort meint brüchig. Was noch vor Kurzem gewiss und sicher war, das fällt heute auseinander und ist brüchig geworden: Familien sowieso; dass man innert nützlicher Frist einen Arzttermin bekommt; dass Vereinbarungen eingehalten werden; dass es eine gewisse Planungssicherheit gibt. Brüchig, so wird die Welt wahrgenommen.
A steht für anxious, ängstlich. Wer Brüche im Leben und in der Gesellschaft erfährt, wird vorsichtig. Und in diese Vorsicht mischt sich gerne auch Ängstlichkeit hinein. Es fehlt die Zuversicht etwas anzupacken. Das Vertrauen in sich selbst und in die Zukunft ist ramponiert.
N steht für non-linear. Linien und Zusammenhänge, die uns Sinn vermitteln, lassen sich nicht weiterverfolgen. Es gibt keine Kontinuität. Wenn z.B. eine Firma, ein Verein, eine Interessensgruppe aufgebaut wird, dann fliegt das bald wieder zusammen. Es ist zwar nichts für die Ewigkeit geschaffen, aber das etwas so gar keinen Bestand hat, das verunsichert.
I steht für incomprehensible und das meint unverständlich. Es lassen sich ja nicht nur keine Linien erkennen. Man kennt sich überhaupt nicht mehr aus. Da sagt einer Hü und Hott zugleich. Er widerspricht sich selbst im gleichen Satz. Was soll nun gelten, fragt man sich und findet es verwirrend.
Eine verrückt gewordene Welt
Man könnte das Lebensgefühl, das BANI ausdrückt, auch einfacher und komprimierter wiedergeben: Die Welt ist verrückt geworden. Das, was für uns Struktur und Ordnung ausmacht, die Orientierung bieten, gibt es nicht oder nicht mehr. Was aber gibt Halt und Zuversicht in einer verrückt gewordenen Welt?
Psalm 34, die dem heutigen Bibelsonntag zu Grunde liegen, ist in einer Situation entstanden, die in einer gewissen Weise BANI war. Die Überschrift zum Psalm in Vers 1 lautet: „Von David, als er sich vor Abimelech wahnsinnig stellt. Deshalb hatte ihn Abimelech vertrieben und er war weggegangen.“
Normalerweise überlese ich diese Situationsangaben der Psalmen. Sie scheinen später hinzugefügt worden zu sein. Es ist ein Versuch eine Situation im Leben von König David, als dem Psalmsänger, zu finden, in die hinein der betreffende Psalm passen könnte.
David stellt sich verrückt
Die Geschichte von David, der sich wahnsinnig gestellt hat, können wir in 1. Samuel 21 nachlesen. Der dort erwähnte König trägt allerdings einen anderen Namen Achisch von Gat, ein König der Philister. David ist zu diesem Zeitpunkt auf der Flucht vor König Saul. Den Kampf gegen den Riesen Goliath hatte David gewonnen, und das Volk jubelte: „Saul hat tausend erschlagen, David aber zehntausend!“ So wurde der Hass von Saul gegen David befeuert. Er fühlte sich nicht mehr sicher und floh in ein benachbartes Königreich.
Doch selbst beim fremden König Achisch wusste man von Davids Sieg und den Jubelgesängen des Volkes. Das wurde David unheimlich. Es flößte ihm Angst ein, sodass er sich nicht anders zu helfen wusste als sich verrückt zu stellen. Er kritzelte dummes Zeug auf die Flügel des Stadttors und geiferte in seinen Bart. Das war die Rettung. König Achisch hatte kein Interesse mehr an einem Verrückten in seinem Haus. So konnte David ohne das Gesicht zu verlieren auf der Suche nach Schutz weiterziehen.
Ich kann mir vorstellen, dass die erwähnte Psalmüberschrift aus einer Zeit stammt, wo die Welt ebenso als BANI empfunden wurde, wie sie von Menschen heute beschrieben wird. Wenn die Zeiten verrückt sind, dann sprechen Worte zu einem, die einer gefunden hatte, um das Verrückte in seinem Leben auszuhalten. Es sind Worte über Gott, den er als seinen HERRN — als sein persönliches DU und Gegenüber — gefunden hat.
Geordnete Worte
Diese Worte sind kein spontanes Gebet eines Menschen, der sich in den Wahnsinn gerettet hat. Denn jeder Vers dieses Psalms beginnt mit einem Buchstaben in der Reihenfolge des hebräischen Alphabets. Gerade diese wohl abgewogenen Worte werden zum Trost in Zeiten, wo vieles brüchig geworden ist und die Suche nach sinnvollen Zusammenhängen keinen Sinn ergibt.
Der Psalm lädt dazu ein, Gott zu loben. Es wird erzählt von Gottes Güte und davon was es bedeutet, in Ehrfurcht vor Gott zu leben. Wir werden daran erinnert, dass Menschen, die sich um ein gerechtes Leben bemühen, von Gott geschützt werden. An dieser Ordnung wird versucht, sich zu orientieren.
Nach der Einladung an das eigene Ich, Gott zu loben und das auch zur Freude der Armen zu tun, heißt es in Vers 5: „Als ich den HERRN suchte, antwortete er mir. Er befreite mich von allen meinen Ängsten.“ (V5)
Ein Gott, der hört
In Zeiten, wo sich die Suche nach Sinn und Zusammenhang ins Leere geht, da entsteht leicht der Eindruck, dass das eigene Rufen verhallt. Menschen leiden darunter, kein Gehör zu finden. Sie erfahren: Was raus muss, was sie ansprechen, das kommt nicht an. Es verpufft im Nichts. Wo bleibt das Gegenüber?
Doch als ich den HERRN suchte, da antwortete er mir, heißt es im Psalm. Gott ist als Gegenüber erreichbar in diesem Gespräch. Wie die Antwort konkret erfolgt, erfahren wir zunächst nicht. Wir hören jedoch etwas von der Wirkung dieser Antwort: „Er befreite mich von allen meinen Ängsten.“
Gehört zu werden, das löst die Angst. Das zeigt die Erfahrung eines seelsorgerlichen Gesprächs. Sich aussprechen zu können, das nimmt die Enge in der Brust. Ein hörendes Ohr zu finden, macht den Stein im Herzen kleiner. Wo zuvor alles blockiert war, da kommt etwas ins Fließen. Der Atem wird ruhiger, der Puls beruhigt sich. Die Gedanken fließen klarer.
Ein Gott, der antwortet
Auch der Blick verliert seine Starre: „Wer auf ihn — Gott — schaut, strahlt vor Freude“, sagt der Psalm (V6a). Gottes Gegenwart wird durch die Nähe einer guten Macht spürbar: „Der Engel des HERRN lässt sich nieder bei denen, die dem HERRN mit Ehrfurcht begegnen. Er schützt sie von allen Seiten und rettet sie“, heißt es weiter (V8).
Gottes Antwort auf das Rufen und Suchen zeigt sich in der Erfahrung, dass wir der Welt von BANI nicht einfach schutzlos ausgeliefert sind. Er stellt uns Schutz und Hilfe bereit. Er versorgt uns mit dem, was wir zum Leben brauchen, sodass wir seine Güte mit unseren verschiedenen Sinnen erfahren: „Schmeckt und seht, wie gut der HERR ist! Glücklich, wer bei ihm Zuflucht sucht!“ (V9)
Gelingendes Lebens
Damit die Welt nicht unverständlich, brüchig und ohne Zusammenhang bleibt, sondern ein Leben in Gemeinschaft gelingen kann, gibt der Psalm eine einfache Anleitung zu einem Leben in Gerechtigkeit: „Hüte deine Zunge vor böser Nachrede und deine Lippen vor verlogenen Worten. Halte dich fern vom Bösen und tue Gutes! Suche den Frieden und setze dich dafür ein!“ (V14 und 15)
Wenn Gott auf das menschliche Rufen und Suchen hört, wenn er als Antwort seinen Engel sendet und seine Güte schmecken und sehen lässt, dann ist die Antwort des Menschen, sich um ein Leben in Gerechtigkeit und Frieden zu bemühen. So bleibt die Welt nicht BANI, sondern es wachsen Gemeinschaften, die durch verlässliche Beziehungen, Stabilität und die Möglichkeit zur Orientierung auch denen einen Platz zum Leben bietet, die gerade das Vertrauen verloren haben, in Angst und Trauer sind oder deren Leben durch innere und äußere Umstände durcheinander geraten ist. So erfüllt sich, was der Psalm zusagt: „Der HERR ist nahe bei den Menschen, die im Herzen verzweifelt sind. Er hilft denen, die ihren Lebensmut verloren haben.“ (V19)
Amen.
Pastorin Esther Handschin ist Vizepräsidentin der Österreichischen Bibelgesellschaft.
Wer nach mehr Materialien zum Bibelsonntag 2025 sucht, findet diese auf der Website der Österreichischen Bibelgesellschaft.