Schlüs­sel­rolle Klim­agerechtigkeit

Faith Impulse

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Martin Obermeir-Siegrist

Pastor, Kinder- und Jugendwerk


Predigt anlässlich der UN-Klimakonferenz zu Psalm 85,9-14 und Lukas 12,15-21

Zum Bibeltext Psalm 85,9-14

Zum Bibeltext Lukas 12,15-21

 

26. Weltklimakonferenz in Glasgow

Liebe Schwestern und Brüder!

Im Fußball würde man sagen: „Wir sind in der Verlängerung und es sind noch immer keine Tore gefallen.“ Es ist aber nicht Fußball, sondern Weltklimakonferenz. So hat es ein Radiosprecher gestern Mittag noch anschaulich ausgedrückt.

Die 26. Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Glasgow hätte am Freitag zu Ende gehen sollen, aber es gab keine herzeigbaren Ergebnisse; und so wurde weiter verhandelt.

Spätestens seit dem offiziellen Schluss gestern Abend ist klar: Auch diese Verlängerung hat für echte Fans des „FC Schöpfungsverantwortung“ nicht das gewünschte Ergebnis gebracht.

Und so be-wundere ich einerseits alle, die in den letzten zwei Wochen mit vollem Einsatz in Schottland für den Klimaschutz verhandelt haben und wundere mich andererseits, dass zu viele in der Weltgemeinschaft offensichtlich den Ernst der Lage immer noch nicht erkennen.

Und so bleibt die wesentliche Frage zur Zukunft unseres Planeten die gleiche, wie vor der Konferenz: „Schaffen wir es als Menschheit rechtzeitig unser Verhalten so zu ändern, dass die Erde für unsere Kinder und Kindeskinder ein lebenswerter Ort ist?“

Darüber hinaus stelle ich mir die Frage: „Was ist unsere Aufgabe, unsere Rolle als Christinnen und Christen in dieser Situation?“

Ich denke, dass uns als Menschen, die sich an Jesus orientieren, eine Schlüsselrolle bei der großen Menschheitsaufgabe zukommt, die wir Klimawende nennen. Warum? Das will ich euch gern sagen. Zuvor möchte ich aber etwas festhalten:

Glaube wird über- und unterschätzt

Glauben wird über- und unterschätzt. Was meine ich damit?

In der deutschen Sprache verwenden wir das Wort „glauben“ ja fast täglich. Je nachdem, wer spricht und in welchem Zusammenhang, hat das Wort aber zwei sehr unterschiedliche Bedeutungen:

Weitaus häufiger verwenden wir „glauben“ im Sinne von: „Das kann ich mir vorstellen.“ Oder genauer gesagt: „Ich kann mir vorstellen, dass dies oder das wahr ist.“

Auch wenn wir Christinnen und Christen in der Alltagssprache „glauben“ wahrscheinlich auch in diesem Sinn verwenden, ist uns doch bewusst: Die zweite Bedeutung von „glauben“ ist für uns wesentlich wichtiger:

Wir sagen: „Ich glaube an Gott.“ Wir meinen damit: „Ich vertraue fest darauf, dass Gott mich liebt.“ Wenn wir „glauben“ so verwenden, dann geht es darum: „Worauf vertraue ich? Wonach richte ich mein Leben aus?“

In der ersten Bedeutung wird „glauben“ gern überschätzt. In der zweiten Bedeutung häufig unterschätzt.

Nur weil jemand sagt: „Ich glaube nicht, dass das mit dem Klimawandel wirklich so dramatisch ist.“, heißt das nicht, dass die Auswirkungen des Klimawandels für diese Person selbst oder ihre Kinder nicht sehr wohl noch äußerst unangenehm sein werden.

Ähnlich wäre es auf dem Geländer der Nibelungenbrücke stehend zu sagen: „Ich glaube nicht an die Schwerkraft.“ Wenn ich einen weiteren Schritt mache, werde ich in die Donau plumpsen und um mein Leben schwimmen müssen.

Nun ist das Naturgesetz der Schwerkraft für uns leichter zu verstehen, als die vielfältigen Zusammenhänge, die hinter dem Klimawandel stehen. Es ist vor allem auch viel einfacher selbst zu erleben, was denn passiert, wenn ich die Schwerkraft ignoriere.

So findet man viel seltener Menschen, die in Bezug auf die Schwerkraft so dumme Dinge sagen, wie wir sie über den Klimawandel leider immer noch viel zu häufig selbst von dem einen oder anderen Staatsoberhaupt hören. Sondern: Menschen sind allgemein daran gewöhnt, die Schwerkraft ernst zu nehmen.

An der Klimakonferenz wurde leider wieder sehr viel um Interessen einzelner Länder gefeilscht. Kurzsichtige Interessen, die es für einige Länder einfacher machen sollen, wenig am eigenen Kurs zu korrigieren, standen viel zu viel im Vordergrund. Das Problem dabei ist: Die Naturgesetze sind weiter in Kraft, auch wenn einige sie hartnäckiger ignorieren. Die thermodynamischen Hauptsätze gelten gnadenlos – völlig unbeeindruckt davon, was Menschen glauben. Und so wird mit jedem Tag, an dem wir nichts ändern, die Erde ein bisschen unbewohnbarer für künftige Generationen.

Drei simple Regeln werden wir als Menschheit daher in Zukunft achten, wenn wir – mit unserem einfacheren Beispiel der Schwerkraft gesprochen – nicht alle gemeinsam in die Donau plumpsen wollen:

  1. Wir werden erneuerbare Ressourcen nachhaltig nutzen.
  2. Wir werden nicht-erneuerbare Ressourcen zu einem Preis nutzen, der gezahlt würde, würde die gleiche Leistung durch erneuerbare Ressourcen erbracht werden.
  3. Wir werden weder erneuerbare Ressourcen noch nicht-erneuerbare Ressourcen schneller nutzen, als das Ökosystem die Abfallprodukte aufnehmen und sich regenerieren kann.

In einfacheren Worten:

  1. Wir werden weniger verschwenden, sondern was wir auf der Erde vorfinden, intelligenter nutzen.
  2. Wir werden die gefälschte Buchhaltung korrigieren, die derzeit alles aus dem Gleichgewicht bringt. Was unserer Erde viel abverlangt, wie zum Beispiel die Verbrennung von Erdöl, wird teurer werden.
  3. Wir werden unsere Umwelt weniger verschmutzen. Nicht nur ein bisschen, sondern so, dass die Natur wirklich wieder aufatmen kann.

Der unterschätze Glaube

In der zweiten Bedeutung wird „glauben“ immer noch unterschätzt. Es ist erstaunlich, was Menschen, die fest auf Gott vertrauen, in dieser Welt schon zum Guten verändert haben.

Und so möchte ich uns – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – in fünf kurzen Punkten in Erinnerung rufen, was uns – von unserem christlichen Glauben her – dazu befähigt, eine Schlüsselrolle bei der nötigen Veränderung zu spielen:

  1. Wir glauben: Die Erde ist gut geschaffen. Sie gehört Gott, nicht uns Menschen. Sie ist uns anvertraut. Wir dürfen die Gaben der Natur genießen. 
    Wir haben die Erfahrung gemacht: Gott segnet uns durch die Natur auf vielerlei Weise.
  2. Wir glauben: Umkehr ist nötig und möglich. Es ist ganz normal, dass wir uns als einzelne Menschen, oder auch als Weltgemeinschaft verirren. Wichtig ist: Umkehren, solange das möglich ist.
    Wir haben die Erfahrung gemacht: Große Veränderungen im eigenen Leben, in Kirche und Gesellschaft, brauchen oft viele kleine Schritte. Dann werden die neuen Wege gangbar.
  3. Wir glauben: Gott will uns alles schenken, was zu einem guten und erfüllten Leben nötig ist. Er will aber nicht nur ein gutes und erfülltes Leben für einige wenige, sondern für alle Menschen, ja für alle Geschöpfe.
    Wir haben die Erfahrung gemacht: Wir sind reich beschenkt und, wenn wir miteinander teilen, vergrößert sich der Segen noch.
  4. Wir glauben: Jesus Christus hat uns gelehrt und vorgelebt, wie gutes und erfülltes Leben möglich wird: Indem wir die Sorgen – von denen sich immer genügend ins Leben drängen wollen – hinten anstellen und uns jetzt Gott in unserem Mitmenschen zuwenden.
    Wir haben die Erfahrung gemacht: Wer auf Gottes Fürsorge vertraut, fühlt sich befreit. Wer sich der Not seiner Mitmenschen zuwendet, lernt Gott erst richtig kennen.
  5. Wir glauben: Jesus Christus ist der Maßstab, an dem sich alles messen lässt. Seine Liebe ist in dieser Welt am Werk und schon in vielen Beziehungen sichtbar. Der volle Glanz dieser Liebe steht aber noch aus.
    Wir haben die Erfahrung gemacht: Es bringt nichts, wenn wir uns moralisch überfordern. Es ist an uns, das Böse zu lassen, das Gute zu tun und uns in allem vertrauensvoll an Gott zu wenden. Was über unsere Kraft hinausgeht, müssen wir nicht tragen, sondern trägt Christus für uns.

Die Kraft des eigenen Glaubens neu entdecken

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Klimawende kann nur gelingen, wenn es mehr Gerechtigkeit in der Verteilung der Reichtümer dieser Erde gibt. Für einige Reiche und für alle Menschen, die Angst haben, ist das eine schlechte Nachricht.

Aber für uns, die wir aus der Kraft des Evangeliums leben, ist es eine gute Nachricht, wenn sich – wie es in Psalm 85 heißt – endlich Güte und Treue zueinander finden; Gerechtigkeit und Frieden sich küssen.

Wir Christinnen und Christen werden – wie fast alle Menschen –  noch viel lernen müssen, wenn unser Leben und Wirtschaften in Zukunft umweltverträglicher und gerechter sein muss.

Wir werden aber auch staunend wahrnehmen, wie viele der nötigen kleinen Schritte in unserem christlichen Glauben schon angelegt sind.

Die evangelischen Kirchen werden das Kirchenjahr, das in zwei Wochen beginnt, als „Jahr der Schöpfung“ begehen. Wir werden einerseits prüfen, welche konkreten Maßnahmen wir zu mehr Klimagerechtigkeit beitragen können. Andererseits werden wir aber auch in unsere Glaubenspraxis schauen und dabei entdecken, dass uns viele Schlüssel schon in die Hand gegeben sind, um Salz und Licht in der Welt zu sein. Gottes Geist möge uns leiten. Amen.

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