Glaube soll Aus­wirkun­gen haben

Faith Impulse


Ausgehend von Jakobus 2, 1-17 wird in dieser Predigt ein Impuls gegeben wie Römer- und Jakobusbrief zusammen gehen können und gleichzeitig überlegt, welche praktischen Auswirkungen gelebten Glaubens denkbar sind.

Liebe Gemeinde, der September beschert uns eine ganze Reihe von Lesungen aus dem Jakobusbrief. Ute Frühwirth hat letzten Sonntag den Auftakt gemacht und über die gefährliche Macht der Worte gepredigt. Ich möchte heute vor allem auf die Passage eingehen, wofür der Jakobusbrief berühmt geworden ist: Glaube ohne Auswirkungen, ohne Taten, ist ein toter Glaube und wird nicht ausreichen, um vor Gott für gerecht erklärt zu werden. Im Zusammenhang mit dem Römerbrief des Paulus wird hier oft ein Gegensatz konstruiert, den ich gerne aufklären möchte, um dann im zweiten Teil der Predigt zu fragen, wie denn die Taten aussehen könnten, die den Glauben lebendig machen.

Heute haben wir gehört, was Jakobus im 14. Vers schreibt: „Was nützt es, meine Geschwister, wenn jemand behauptet 'Ich glaube', aber er hat keine entsprechenden Taten vorzuweisen? Kann der Glaube als solcher ihn retten?“ Und damit scheint Jakobus im Widerspruch zu Paulus zu stehen, der im Römerbrief im 3. Kapitel, Vers 28 schreibt: „Denn wir gehen davon aus, dass man auf Grund des Glaubens für gerecht erklärt wird, und zwar unabhängig von Leistungen, wie das Gesetz sie fordert.“ Das scheint ein Widerspruch zu sein. Und ich möchte es heute einmal ganz einfach formulieren: Es scheint ein Widerspruch zu sein, aber in Wirklichkeit geht es – wie so oft – um Jesus. In Wirklichkeit geht es im Römerbrief um die Frage: Worauf setzt du deine Hoffnung? Auf die Erfüllung des mosaischen Gesetzes oder auf die Erlösung, die Jesus am Kreuz für dich erwirkt hat, als er auch und besonders für deine Sünden gestorben ist? Ich glaube, so einfach kann man das sagen. Auf wen setzt du deine Hoffnung, um vor Gott bestehen zu können? Auf deine eigenen Leistungen oder auf die geschenkte Gnade in Christus? 

Also ich kann nur für mich selbst sprechen, aber ich wäre verloren, wenn ich meine Hoffnung auf die Erfüllung des Gesetzes setzen würde. Das Problem ist nämlich so wie Jakobus schreibt. Man kann das Gesetz nicht ein bisschen erfüllen. Man kann einen Mord nicht damit aufwiegen, dass man keinen Ehebruch begeht. Oder man kann nicht ein wenig mehr lügen, wenn man dafür etwas weniger stiehlt. Bei jedem einzelnen Verstoß gegen ein Gebot verstößt du gegen das Gesetz als Ganzes. Und ich persönlich würde jedenfalls ständig schon am ersten Teil des Doppelgebotes der Liebe scheitern: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken.“ Das möchte ich gerne, wirklich von Herzen gerne, aber darauf kann ich nicht meine Hoffnung setzen, dass mir das gelingt. Ich brauche Jesus. 

Denn wer erkennt, dass zwischen seinem Wollen und seinem tatsächlichen Tun ein Widerspruch besteht oder sagen wir es einmal etwas gnädiger, wem nicht alles so gelingt wie er oder sie das gerne hätte oder sich wünschen würde, der braucht Jesus. Paulus hat das dann im Römerbrief wirklich sehr gut auf den Punkt gebracht als er diesen Widerspruch bei sich selbst festgestellt hat. Er schreibt im 7. Kapitel: „Ich unglückseliger Mensch! Mein ganzes Dasein ist dem Tod verfallen. Wird mich denn niemand aus diesem elenden Zustand befreien? Doch! Und dafür danke ich Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn.“

Um das geht es. Es geht um die Befreiung und es geht darum, wer das bewirkt. Ich oder Jesus. Das, genau das, ist das Besondere am Glauben. Am Glauben an Jesus.

Und um es vielleicht noch einmal ganz klar mit diesem urevangelischen Credo der sola fide, also der Rechtfertigung oder dem Bestehen vor Gott „allein aus Glauben“ zusammenzubringen: Mit dem Glauben an Jesus fängt es an. Das ist der Beginn. Damit mache ich deutlich, worauf ich meine Hoffnung setze.

Dass dieser Glaube dann nicht ein reines Lippenbekenntnis, eine Freikarte zum tapfer Sündigen oder eine Entschuldigung für die gelebte Lieblosigkeit ist, das sagt uns Jakobus. Jakobus weist uns auf die Folgen hin. Er stellt den Beginn damit nicht in Frage, sondern er fragt nach den Auswirkungen dieser selbst erfahrenen Liebe. Wenn du errettet worden bist von Jesus, was bedeutet das dann für dein Leben? Wie kannst du dir sicher sein, dass dein Glaube echt ist? Woran zeigt sich dann dein neues Leben? Und dafür gebraucht Jakobus Beispiele, die unmittelbar nachvollziehbar sind. „Angenommen, ein Bruder oder eine Schwester haben nicht genügend anzuziehen, und es fehlt ihnen an dem, was sie täglich zum Essen brauchen. Wenn nun jemand von euch zu ihnen sagt: »Ich wünsche euch alles Gute! Hoffentlich bekommt ihr warme Kleider und könnt euch satt essen!«, aber ihr gebt ihnen nicht, was sie zum Leben brauchen – was nützt ihnen das?“

Und damit komme ich zum zweiten Teil meiner Predigt und der Frage, wie denn die Taten aussehen könnten, die den Glauben lebendig machen.

An dieser Stelle wird vielen methodistisch geprägten Personen wohl folgender bekannte Dreiklang einfallen: Meide das Böse, tue Gutes und bleib in einer lebendigen Beziehung zu Gott. Das ist ohne Zweifel ein sehr gutes und schlichtes Motto.

Heute möchte ich uns aber nochmals daran erinnern, dass es hier nicht um ein „entweder-oder“, sondern um ein miteinander geht. Nur das Böse zu meiden oder nur das Gute zu tun, trifft die gute Tat nicht, sondern beides gehört zusammen. Denn das Böse zu meiden könnte ja auch bedeuten, einfach nichts zu tun.

Sehr treffend wird das im Sündenbekenntnis der Abendmahlsliturgie formuliert, die ich auch für unser heutiges Abendmahl ausgewählt habe: „Barmherziger Gott, wir bekennen, dass wir gegen dich gesündigt haben in Gedanken, Worten und Werken durch das, was wir getan und durch das, was wir unterlassen haben." Was wir getan und was wir unterlassen haben.

Heute möchte ich uns einladen, dieses „unterlassen haben“ vielleicht mal ein wenig näher an uns heranzulassen. In der Hoffnung, dass wir vielleicht noch eine Spur kreativer werden, wenn es darum geht Gutes zu tun und damit unseren Glauben lebendig zu machen.

Denn dieses „unterlassen haben“ ist noch mal eine Spur anders. Es ist die Herausforderung nochmal hinzuschauen und nochmal zu überlegen, ob ich wirklich schon „genug“ getan habe. Oder ob es mit diesem Ansporn gelingt, den inneren Schweinehund der Trägheit oder des Geizes oder der Ich-Bezogenheit zu überwinden.

Das sind zumindest einige der Herausforderungen, vor denen ich immer wieder stehe. 

Und bevor ich zum ganz konkreten praktischen Teil übergehe, möchte ich festhalten, dass es beim „genug getan“ nicht um ein schlechtes Gewissen, nicht um einen Leistungsgedanken oder eine Werkgerechtigkeit geht. Sondern um diese innere Anfrage an mich selbst – ist mein Glaube lebendig? Bringt die Liebe, die ich durch Jesus erfahren habe, in irgendeiner Weise Früchte hervor? Kann ich für mein Umfeld, für die Menschen mit denen ich zusammen bin ein Vorbild in der Nachfolge sein? Wird durch mein Sprechen und Handeln jemand in die Nähe Gottes gezogen?

Oder noch einmal anders gesagt: Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Glauben etwas ist, das Gott schenken muss. Glauben ist nicht wie ein Apfel, den man sich selbst vom Baum pflücken kann. Aber die Frage ist: Kann ich durch mein Verhalten jemanden neugierig auf Jesus machen?

Und jetzt zum ganz praktischen Teil. 

Der Gründer unseres methodistischen Diakoniewerks, dem Zentrum Spattstraße in Linz, Rudolf Siegrist, hat einmal bemängelt, dass sich von seinen Mitarbeitenden „niemand mehr verschwenden möchte.“ Das finde ich nach wie vor eine sehr steile Ansage, aber sie ist mir deswegen wohl in Erinnerung geblieben. Meine eigene Übersetzung davon ist, dass Liebe oft dort beginnt, wo wir von uns weg auf andere schauen. Nicht ich bin das Zentrum der Welt, sondern da gibt es auch noch andere Menschen.

Genau dort, wo ich beginne nicht nur zu denken, was ich brauche, was ich will, was mir gut tut, was ich sonst noch kaufen, haben oder besitzen könnte – genau dort beginnt die Liebe. 

Die Liebe fragt nach dem Anderen.

Und daraus entsteht dann vielleicht ein Gebet. Oder ein Anruf mit der simplen Frage: "Wie geht es dir?" Oder ein Besuch, obwohl ich eigentlich nicht mehr das Haus oder die Wohnung verlassen wollte.

Vielleicht tätige ich auch eine Überweisung. Ich gebe ein wenig von meinem Überfluss für Menschen in Not. Ja, ich nehme es mir nicht nur für morgen vor, sondern tue es jetzt.

Dieses von sich weg auf andere schauen kann auch bedeuten, dass ich einmal jemanden aus der Gemeinde zum Mittag- oder Abendessen einlade. Dass ich einmal mein Haus oder meine Wohnung öffne und nicht so klar unterscheide zwischen Gottesdienst- und Tischgemeinschaft.

Gut, mich müsst ihr nicht einladen, denn als Pastor bin ich es gewohnt mich selbst einzuladen und aufzunötigen. Interessanterweise sieht man mir das auch meistens nach. 

Nein, ganz im Ernst glaube ich, dass die Liebe dort anfangen kann, wo wir bereit sind unsere Nächste und unseren Nächsten zu sehen. Das ist der Beginn und hat seinen Ursprung darin, dass Jesus uns gesehen hat. So wie wir dann in Folge diese Liebe erfahren haben, so kann auch unser Glaube dadurch lebendig werden, dass wir beginnen zu lieben. Und damit erfahren wir, dass unser Glaube wirklich Auswirkungen hat und nicht tot, sondern lebendig und echt ist. Amen.

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