Gestärkt im Glauben Ver­wurzelt in der Liebe Erfüllt mit Erken­nt­nis

Faith Impulse

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Esther Handschin

Pastorin, Erwachsenenbildung


Eine Predigt zu Epheser 3,14-21

Der heutige Abschnitt aus dem Epheserbrief hat einiges gemeinsam mit dem 1. Kapitel dieses Briefes. Der Anfang des Epheserbriefes ist ein großes Gebet des Lobpreises Gottes und seiner Heilstaten. Auch der zweite Teil des dritten Kapitels ist als Gebet formuliert. Aber nicht als Lobpreis, sondern als Fürbittgebet. Paulus betet für Menschen, die mit ihm auf dem Weg des Glaubens unterwegs sind. Dass es um ein Gebet geht, das macht der Ausdruck „deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater“ deutlich. Sich zum Gebet niederzuknien, das war in der Antike eine übliche Körperhaltung für das Gebet. So zeigte man Gott gegenüber, dass man ihm die Ehre gibt. Niedergekniet hat man sich auch vor anderen höher gestellten Personen wie dem Kaiser, um ihm Respekt zu erweisen. Ehrlich gesagt: Ich bin dankbar, dass dieser Respekt in der christlichen Tradition auch durch das Stehen vor Gott ausgedrückt werden kann. Manchen wird es ähnlich gehen wie mir: Mit lädierten Knien ist das Stehen einfacher als das Niederknien.

 Weites Denken

Nicht nur die Haltung und die Sprache des Gebets verbindet das erste und das dritte Kapitel des Epheserbriefes miteinander. In beiden Kapiteln wird auch das unseren Raum und Zeit überschreitende Handeln Gottes zum Thema gemacht. Der Apostel Paulus stellt noch einmal das ihm offenbarte Geheimnis Gottes vor: Auch Nichtjuden werden zu Miterben und Mitgenossen des Volkes Gottes. Denn durch Christus Jesus gelten auch für sie die Verheißungen Gottes. Gottes Gnade kommt allen Menschen zu. Gott hat es schon vor aller Zeit so gewollt. Alle Menschen sollen es erfahren. Und nicht nur die Menschen, sondern auch die Mächte und Gewalten im Himmel. Die Welt des Epheserbriefes ist viel weiter gedacht und umfasst mehr als nur gerade unsere Erde. Sie geht vor alle Zeit zurück, die wir überblicken können – nämlich „von Ewigkeit her“. Und sie geht über alle Räume hinaus, die wir uns vorstellen können – nämlich bis zu „den Mächten und Gewalten im Himmel“.

Dieses Denken, das alles so weit als möglich fasst und das über alles, was wir uns vorstellen können, hinausgeht, es setzt sich auch in dem Abschnitt fort, den wir heute gehört haben. Da geht es um das Ganze und die Fülle und um das, was noch weit darüber hinausgeht. Manchmal habe ich dabei das Gefühl, dass die Sprache nicht ausreicht um auszudrücken, wie groß und tief und reich und vollkommen Gottes Wirken im Epheserbrief dargestellt wird.

 Mittendrin ein Gebet

Es mag überraschen, dass mitten in einem Brief oder Rundschreiben ein ganzer Abschnitt als Gebet formuliert ist. Das wäre eher am Anfang oder am Schluss zu erwarten. Warum jedoch an dieser Stelle? Der Inhalt des Gebets verrät uns mehr darüber.

Der Apostel erbittet drei Dinge vom himmlischen Vater für seine Mitgeschwister im Glauben: Sie sollen erstens in ihrem Glauben gestärkt werden, und zwar „durch den Geist am inwendigen Menschen“. Zweitens soll Christus so in ihren Herzen wohnen, dass sie in der Liebe „eingewurzelt und gegründet“ sind. Und schließlich soll ihre Erkenntnis der Liebe Christi noch größer sein als alle Erkenntnis und sie sollen mit der ganzen Gottesfülle erfüllt werden. Bei diesem dritten Punkt fällt mir wieder die Sprache auf, die viel zu klein und gering ist, um über Gottes Bereitschaft sich zu verschenken zu reden.

 Drei Dinge

Den Glauben stärken, Gottes Liebe in sich erfahren und den Horizont der Erkenntnis weiten: Das erbittet man für Menschen, die verunsichert sind, die Trost brauchen und die da und dort mit Engstirnigkeit behaftet sind. Worum Paulus bittet, das passt zur Situation und Konfliktlage, die ich am letzten Sonntag geschildert habe. Da gibt es in den Gemeinden zwei verschiedene Gruppen, Juden und Heiden. Für sie ist nicht klar, ob sie miteinander auch an einem Tisch sitzen und miteinander feiern und essen können. Können sie wirklich eine Gemeinschaft, eine Gemeinde sein? Sie sind nicht in allem einer Meinung und wir wissen, wie schnell es dann gehen kann, bis die Fetzen fliegen. Ein Wort ergibt das andere und schon ist man in einem Streitgespräch, wo die Höflichkeit und der Respekt voreinander verloren gehen. Die einen sprechen den anderen die richtigen Glauben ab und dass sie zu wenig Gottvertrauen hätten oder die anderen behaupten über die einen, dass sie die Bibel nicht richtig lesen und verstehen. Damals hat man über Speisevorschriften und Verhaltensweisen bei Tisch gestritten. Heute haben wir andere Themen, über die wir in Streit geraten. Aber stärkt uns das im Glauben? Wachsen wir dadurch in der Liebe? Erfahren wir auf diese Weise die Fülle Gottes?

 Im Gebet Raum schaffen für andere

Paulus ist sich an dieser Stelle bewusst, dass es mehr braucht als gute Argumente, um die anderen zu überzeugen. Darum tritt er betend vor Gott und bittet für seine Geschwister. In der Fürbitte schaffe ich Platz für andere Menschen in meinem Herzen – gerade auch für die, die anderer Meinung sind als ich. In der Fürbitte bringe ich diese Menschen vor Gott. Ich rufe mir Erinnerung, was ich von Gott her für mich in Anspruch nehme und was von Gott her für mich und diese Menschen gilt. Ich versuche mich und die anderen mit Gottes Augen zu sehen: Ich und mein Gegenüber – wir sind beide von Gott geschaffen. Er will für uns das Leben. Ich und der oder die andere – wir sind beide von Gott geliebt und wir sind seine Kinder. Ich und mein Feind, meine Feindin – für uns beide gilt Gottes Gnade, für uns beide gilt Gottes Vergebung, für uns beide ist Jesus gestorben. Für uns beide gilt, was uns Jesus in der Bergpredigt ans Herz gelegt hat: „Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen.“ (Mt 5,44) Und: „Wenn ihr nur zu euren Brüdern freundlich seid, was tut ihr Besonderes?“ (Mt 5,47)

 Anleitung zum Umgang mit Widerspruch

Ähnliches sagt auch John Wesley, wenn es darum geht mit Menschen, die eine andere Meinung vertreten als ich, im Gespräch zu bleiben. Er hat einmal geschrieben: „Dulde keinen Gedanken, der dir nahelegt, dich von deinen Brüdern zu trennen, ob sie mit deinen Auffassungen übereinstimmen oder nicht. … Hüte dich vor Ungeduld, wenn es Widerspruch gibt. Verdamme die nicht und denke nicht böse von denen, die die Dinge nicht so sehen wie du oder die es als ihre Pflicht ansehen, dir in kleinen oder großen Dingen  zu widersprechen. … Rechne[t] mit Widerspruch und Opposition. … Gott gibt [euch] (dir) die Opposition und die Zurechtweisung. Es ist ein erfrischendes Zeichen seiner Liebe. … Empfange sie … von Gott als ein besonderes Zeichen seiner Huld, willig und dankbar. Empfange sie von Menschen in Demut, Sanftmut, Bereitwilligkeit und Freundlichkeit. Anerkenne frei und offen, was in deinem Urteil oder deinem Tun falsch sein mag.“ (Cautions against the greatest confessors 1762)

John Wesley sieht in solchen Situationen der Auseinandersetzung und des Streits die Möglichkeit für sich selbst und voneinander zu lernen. Widerspruch und Zurechtweisung zu erfahren, das bietet für ihn die Chance, in der Liebe zu wachsen. Trotz unterschiedlicher Meinungen miteinander im Gespräch und in Verbindung zu bleiben, das sieht er als eine Möglichkeit, Christus in sich wohnen zu lassen, um es mit Worten des Epheserbriefes zu sagen.

 Was stärkt den Glauben und lässt die Liebe wachsen?

So komme ich noch einmal auf die drei Punkte zu sprechen, um die der Apostel bittet: die Stärkung des Glaubens, die Verwurzelung und Gründung in Gottes Liebe und die Erweiterung der Erkenntnis.

Zunächst zur Stärkung des Glaubens: Manchmal müssen wir anerkennen, dass hinter beiden Standpunkten, die Personen in einem Streit einnehmen, in beiden Fällen das Bemühen steht, die Gottes Wort ernst zu nehmen. Halten es derzeit die einen für wichtig, ganz auf Gott zu vertrauen, dass er sie vor Unfall und Krankheit bewahrt, so ist es für die anderen wichtig, sich selbst und andere bestmöglich zu schützen, indem sie alle Vorsichtsmaßnahmen und Regeln einhalten und umsetzen. Das ist für sie Rücksichtnahme und Nächstenliebe, wie sie Jesus geboten hat. Beiden Seiten ist ihr Glaube an Gott wichtig. Aber es führt sie zu sehr unterschiedlichen Verhaltensweisen.

Als nächstes zur Verwurzelung in der Liebe: Für mich bietet dieser Aspekt des Gebets die Möglichkeit, mein Reden und Handeln selbst zu überprüfen. Bei allem was ich anderen Menschen gegenüber tue und sage, kann ich selbst darauf achten: Steht das im Einklang mit der Liebe, die ich von Jesus her erfahren habe? Ist meine Sprache freundlich und ermutigend und von der Liebe getragen? Oder macht sie andere Menschen klein? Zeige ich mit meinen Handlungen, die ich setze, Achtung und Respekt anderen gegenüber? Oder tue ich es, um selbst gut da zu stehen und meine eigenen Bedürfnisse damit zu stillen? Speise ich die Wurzeln, die meinen Lebensbaum nähren, an der Quelle von Gottes Liebe, die sich in Jesus zeigt? Oder sind es andere Quellen, die mich nähren?

Und schließlich: Was erfüllt mich und nährt meinen Lebenshunger? Bin ich überhaupt leer genug, damit Gott mich mit seiner Liebe füllen kann und ich von seiner Fülle erfüllt werde? Oder füllen mich andere Aufgaben und Erkenntnisse so an, dass nichts anderes mehr Platz hat? Lasse ich es zu, dass Gott mir neue Horizonte des Erkennens schenkt? Oder weiß ich eh schon alles und besser?

Es geht nicht nur darum, dass ich wie der Apostel Stärkung des Glaubens, Verwurzelung in der Liebe und Erkenntnis und Erfülltsein von Gott für andere erbitte. Es sind alles Dinge, die auch mir gelten und die für mich wichtig sind. Darum darf ich sie auch für mich erbitten. Strecke ich mich immer wieder neu nach dem Gott aus, der mir das schenkt, dann kann ich hoffentlich auch in den Lobpreis einstimmen, der dieses Fürbittgebet abschließt: „Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“

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