Dankbar für das neue Kleid

Faith Impulse

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Dr. Patrick Streiff

Bischof emeritus


Erntedank-Predigt von Bischof Dr. Patrick Streiff

Liebe Gemeinde,
Am Freitag haben wir hier in diesem Raum mit vielen Gästen das 150-Jahr-Jubiläum der Evangelisch-methodistischen Kirche in Österreich feiern können. Es war ein schönes, bewegendes Fest. Es lässt uns dankbar zurückblicken auf die wirklich »wunderbaren« bzw. »Wunder-vollen« Wege, mit denen Gott die Verkündigung des Evangeliums gesegnet hat. Und heute feiern wir hier in der Gemeinde Erntedank. Deshalb habe ich mir gedacht, die beiden Anlässe thematisch miteinander zu verbinden, denn wir können ja auch dankbar auf die »kirchliche« Ernte der letzten 150-Jahre zurückblicken. Und so knüpfe ich da an, wo ich im Mai, im Anschluss an die Jährliche Konferenz, über das neue Kleid in Christus gepredigt habe. Der Text zur Predigt beginnt dort, wo ich damals aufgehört habe, beim Gürtel des neuen Kleides, dem Band der Liebe:
            Kolosser 3,14-17 lesen.
Zweimal wiederkehrend werden Gedanken abgeschlossen mit der Aufforderung zum Dank. Ich gehe zunächst auf den ersten Gedankengang ein.

1) Dankbar für das neue Kleid

Im ersten Gedankengang geht es noch um das neue Kleid, das wir als Christen und Christinnen tragen können und sollen. Es geht um die Liebe, die uns als Gemeinschaft umgürten soll und um den Frieden, den Christus schenkt, und der unsere Herzen lenken soll. Beides sind stark gemeinschaftsbezogene Qualitäten. Bei einem Rückblick in die Geschichte der EmK in Wien und Österreich wird natürlich immer auch Baronin von Langenau genannt. In ihrem Leben wird deutlich, dass sie eine ganz persönliche Christuserfahrung gemacht hat. Eine Erfahrung von Vergebung und Versöhntwerden mit Gott, die ihr einen tiefen inneren Frieden geschenkt hat.

Dieser Friede hat ihr Herz erfüllt und damit ihr Reden und Handeln bestimmt. Erst diese ganz persönliche Bekehrungserfahrung hat dann auch die großen Folgen in der Geschichte der Kirche ausgelöst. Der methodistische Prediger Friedrich Rösch hat ihre innere Unruhe und Suche nach Gewissheit ernst genommen. Auch heute gibt es bei vielen Menschen eine innere Unruhe, die aber rasch mit viel Geschäftigkeit überdeckt oder mit äußerlicher Glückssuche zu stillen versucht wird. Wie Prediger Rösch damals braucht es auch heute die Zuwendung zum Einzelnen und ein geduldiges Hören auf dessen eigene Lebensfragen, damit das Evangelium persönlich zu diesem Menschen in seine Situation hinein sprechen kann. Allerdings war es früher eher auf dem Hintergrund einer Furcht vor dem Zorn Gottes. Heute ist es eher auf dem Hintergrund einer Gleichgültigkeit bzw. eines an materiellen Dingen orientierten Lebens ohne Gott. Doch es ist nie zu spät im Leben, um die persönliche Erfahrung von Gott als Grund und Ziel des Lebens zu machen und den Frieden Christi im Herzen tragen zu können. Wo ein einzelner Mensch diese Erfahrung macht, hat es immer auch Auswirkung auf den Aufbau von Gemeinschaft. Natürlich nicht bei jeder Person so spektakulär wie bei der Baronin. Aber christliche Gemeinde lebt davon, dass Einzelne je für sich solche Erneuerung erfahren haben, um tragfähige Säulen zu werden im Aufbau von Gemeinschaft. Gott als tragenden Grund und sinnstiftende Liebe zu erfahren, verändert auch heute ein menschliches Leben.

Wenn wir die Beschreibung des neuen Kleides in Christus lesen, könnten wir leicht in eigene Überforderung kommen oder in enttäuschtes sich Abwenden von einer Gemeinde, weil eben nicht alles immer dem Idealbild entspricht. Der ehrliche Rückblick auf 150 Jahre offenbart nicht nur wunderbare Bekehrungs- und Erneuerungserfahrungen wie bei der Baronin, sondern auch persönliches Versagen von Einzelnen und als Gemeinschaft. Im Blick auf die realen Methodistinnen und Methodisten ist die Bilanz immer durchzogen. Aber da, wo eine christliche Gemeinde ihre Verbundenheit mit Christus als Haupt der Kirche im Bewusstsein behält, haben ihre Glieder die Möglichkeit, gnädig mit Fehlern anderer umzugehen und aus eigenen Fehlern selbstkritisch zu lernen. Seid dankbar für all das, was Christus in und durch euch – und manchmal trotz euch – in diesen 150 Jahren Segensvolles gewirkt hat!

2) Dankbar für das Wort Christi

Im zweiten Gedankengang geht es um das Wort, in dem Christus gegenwärtig ist. Da geht es darum, dass diese Verbundenheit mit Christus als Haupt der Kirche bewusst bleibt und aus dieser Ausrichtung auf Christus die Gemeinde immer wieder belebt und erneuert wird. Das geschieht durch das Wort. Und das Wort Christi finden wir in der Bibel. Und im Christushymnus im Kolosserbrief wird Christus nicht nur als Erlöser und Haupt der Kirche besungen, sondern auch als Erstling, durch den alles geschaffen wurde. Dieses doppelte Wort Christi in Schöpfung und Erlösung wohne reichlich bei euch, so empfiehlt es Paulus im Kolosserbrief: »Lehrt einander und ermahnt euch gegenseitig. … Singt Gott aus vollem Herzen Psalmen, Hymnen und geistliche Lieder.« Die Methodisten sind immer auch eine singende Bewegung gewesen. Und oft hat ihr fröhliches Singen als Erstes andere Menschen angezogen, die erst anschließend auch das Wort gehört und die Bedeutung des Evangeliums entdeckt haben.

In der Schweiz haben die jungen Erwachsenen eine Reihe von Podcasts gemacht zum Titel »Methodiste troffe / Methodisten getroffen«. Bei spielerischen Fragen, was man lieber habe, hieß eine Alternative auch Predigt oder Worship. Fast alle jungen Erwachsenen haben spontan »Worship« genannt. Selten hat jemand einen Moment gezögert und noch seltener hat jemand »Predigt« genannt. Mich als älteren Herrn, geprägt von der alten Schule, hat das zunächst beunruhigt. Ich musste es ein bisschen »setzen lassen«. Mit etwas Distanz sehe ich es noch immer kritisch, aber mehr noch als positive Herausforderung.

Wenn früher das fröhliche Singen der Methodisten für Außenstehende anziehend war, dann erfüllen heute Worship-Songs eine ganz ähnliche Funktion. Durch sie erleben junge Menschen die Nähe Gottes und stimmen in fröhlichen Jubel ein. Als einer, der ich in der EmK Schweiz groß geworden bin, hatte die reformierte Art »z’Predigt gah / zur Predigt gehen« die Gottesdienste so nüchtern gemacht und so auf eine lange – manchmal langfädige oder langweilige – Predigt ausgerichtet, dass nichts mehr spürbar war von »Gott aus vollem Herzen singen« (3,16b). Insofern ist es gut, wenn heute das fröhliche und dankbare Lob Gottes im Lied wieder viel stärker den Gottesdienst prägt. Zugleich bleibe ich kritisch, denn ein Gottesdienst ist mehr als ein christliches Lobpreis-Konzert. Denn das Wort Christi soll reichlich unter uns wohnen, ja wir sollen »einander lehren und gegenseitig ermahnen« (3,16a). Zunächst richte ich es selbstkritisch an uns als Predigende: Spricht die Predigt in das Leben der Zuhörenden, so dass sie verändernd und wegweisend wirkt? Dass sie Glaube, Hoffnung und Liebe stärkt? Dass sie Charakterbildung und gesellschaftliche Relevanz fördert? Dass sie befähigt, Gottes Gnade in Schöpfung und Erlösung zu besingen und uns für unsere Verantwortung in dieser Welt ausrüstet?

Im Rückblick auf 150 Jahre EmK in Wien und Österreich könnt ihr zurecht dankbar zurückblicken. Deshalb ist es angemessen, wenn in diesem Jahr der Akzent auf einem »kirchlichen« Erntedank liegt. Zugleich ist das Jubiläum Auftrag und Verpflichtung, diese Geschichte in heutiger Zeit weiterzuschreiben. Möge dazu das Wort Christi weiterhin reichlich bei euch wohnen und zu fröhlichem Lobpreis führen. Und »dankt dabei Gott, dem Vater, durch ihn«, Jesus Christus.

Amen.

 

Erntedank-Predigt von Bischof Dr. Patrick Streiff
gehalten in der EmK Fünfhaus am 10. Oktober 2021

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