Kör­per­tei­le im Gespräch: ein Bild für die Einheit

Glaubensimpuls

Bild von Olivier Dantine
Olivier Dantine

Superintendent Salzburg & Tirol (evangelisch AB)


Die Predigt aus dem ökumenischen Gottesdienst der EmK Salzburg in der weltweiten Gebetswoche für die Einheit der Christ*innen. Bibeltext: 1. Kor. 12,12-31
Prediger in der EmK Salzburg

Liebe Schwestern und Brüder,

zunächst vielen Dank, dass ich wieder einmal in Ihrer Gemeinde zu Gast sein darf, ich bin wirklich gerne gekommen. Da Sie eine Pastorin haben, die auch ostfriesische Wurzeln hat, erlaube ich mir mit dem Hinweis auf den vermutlich berühmtesten Ostfriesen zu beginnen. Denn dieser Text des Paulus hat mich immer schon an einen Sketch von Otto Waalkes erinnert. Ich versuche erst gar nicht, Otto zu imitieren, aber da wird das Gespräch zwischen den Organen eines Kneipenbesuchers wiedergegeben, das Ohr meldet ans Großhirn, dass er das Wort Saufkopf gehört hat, kann aber nicht sagen, wer, denn es kann nicht sehen, dann wird das Auge gefragt. Es wird der Befehl an den Blutdruck ausgegeben, zu steigen, zwischendurch meldet die Leber, dass sie keinen Nachschub hat und auch die Milz funkt immer wieder dazwischen. Aber sie wird überhaupt nicht ernst genommen. Am Ende beruhigt sich auf eine Intervention des Kleinhirns wieder alles, alles wird gut, das kumpelhafte Saufen kann weiter gehen. 

Wenn ich Paulus‘ Abhandlung über den Leib und seine Glieder höre, dann bemerke ich selbst beim sonst so spröden Paulus einen Funken Humor. Ich habe ja den Verdacht, als hätte dieser Text Otto inspiriert: „Wenn das Ohr spräche: Ich bin kein Auge, darum gehöre ich nicht zum Leib! Gehört es deshalb nicht zum Leib?“ Oder: „Das Auge kann nicht sagen zu der Hand: Ich brauche dich nicht.“ Mit solchen absurden Bildern antwortet Paulus offenbar auf Konflikte in der Gemeinde in Korinth. Dorothee Büürma hat vergangenen Sonntag schon über diese Konflikte gepredigt und über Wege zur Überwindung solcher Konflikte. Es ist nicht leicht genau zu rekonstruieren, worum gestritten wurde, aber dieser Abschnitt des Korintherbriefes legt nahe, dass es auch um soziale Konflikte ging. 

Das Ideal einer christlichen Gemeinde ist, dass soziale Unterschiede in einer Gemeinde nicht spürbar sind. Soziale Hierarchien, die eine Gesellschaft prägen, dürfen in der Gemeinde keine Rolle spielen. Der reiche Fondsmanager, die Kassiererin, die Universitätsprofessorin, der Hausmeister – in der christlichen Gemeinde sind sie alle auf gleicher Stufe. Alle auf gleicher Augenhöhe. Alle gleich geehrt, gleich wichtig. Schon in der Abendmahlsfrage wird deutlich, dass dieses Ideal nicht erreicht wurde. Paulus beklagt schon beim Abendmahl (das steht im Kapitel davor), dass die Gemeindeglieder keine Scheu haben, ihren Reichtum raushängen zu lassen. Es wird deutlich, dass die einen satt und betrunken sind, die anderen hungern. Unwürdig! So das Urteil des Paulus. Die christliche Gemeinde ist ein Ort des gegenseitigen Respekts und nicht ein Ort der festgeschriebenen sozialen Stellungen.

Paulus antwortet mit einem Kunstgriff: Er nimmt eine in der Antike bekannte Metapher für die Gemeinschaft, nämlich den Leib oder Körper. Aber er verändert es an entscheidenden Stellen und dreht den Sinn dieses Bildes um. Das antike Bild von der Gemeinschaft als Leib kommt dem Sketch von Otto Waalkes sehr nahe, wo es ja auch eine Hierarchie gibt: Das Großhirn, Chef über alle, steht der Milz, die niemand für nötig hält, gegenüber. Der Sinn des Bildes aus der Antike ist: Jedes Körperteil, jedes Organ hat seinen festgelegten Platz im Körper, seine festgelegte Bedeutung und Funktion. Die Moral dieses Bildes ist: In der Gemeinschaft hat jeder seinen oder ihren Platz, der nicht verlassen werden darf. Alles immer in einer festgelegten Ordnung, die nicht in Frage gestellt werden darf. Auf diesem festgelegten Platz hat jeder und jede so zu funktionieren, wie es von ihm oder ihr erwartet wird. Ziel dieses Bildes ist eine klare Hierarchie, aus der niemand ausbrechen soll.

Paulus deutet dieses Bild aber radikal um. Für ihn ist es nicht einfach nur eine Metapher für Gemeinschaft. Es ist nämlich nicht mehr ein Bild für einen Leib, sondern die christliche Gemeinde ist der Leib Christi. Die Gemeinde als Kollektiv verkörpert den auferstandenen und lebendigen Jesus Christus. Das heißt, als christliche Gemeinde stehen wir in der Nachfolge Christi. Wir stehen in der Nachfolge dessen, der sich den Ausgegrenzten zugewandt hat, der das kommende Reich Gottes und Gerechtigkeit gepredigt hat. Dessen, der die Sanftmütigen, die Barmherzigen, die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit, die Friedensstifter, die Leid tragen und die Verfolgten und die Demütigen seliggepriesen hat. 

Der Leib Christi ist also nicht einfach nur das Bild einer Gesellschaft, die gut funktionieren soll, sondern die Gemeinde als Leib Christi dient in der Nachfolge Christi der Welt und setzt sich ein für Frieden und Gerechtigkeit.

Der zweite Punkt, bei dem Paulus vom antiken Bild abweicht ist: Es geht gerade nicht um die Festschreibung von sozialen Stellungen und von Hierarchien. Es werden gerade die Körperteile geehrt, schreibt Paulus, die weniger ehrbar erscheinen. Er verbindet also das Bild von der Gemeinschaft als Leib mit der biblischen Botschaft: Was niedrig ist, soll erhöht werden. In all unseren Verschiedenheiten, mit allen Gaben, mit denen wir den Leib Christi bereichern, sind wir alle gleichwertig. Es gibt da nicht wichtig und unwichtig, nicht würdig und unwürdig. Paulus provoziert sogar noch ein wenig, wenn er schreibt, dass selbst Körperteile, die wenig ansehnlich sind, geehrt werden, sie sogar mit besonderer Ehre umkleidet werden. Damit sind jene Körperteile gemeint, deren Namen in feinen Familien nicht ausgesprochen werden. Auch wenn in einer Gemeinschaft immer einer der A**** ist, selbst dieser wird hoch geehrt. 

Und nicht zuletzt: Wenn ein Glied leidet, leiden alle mit; wenn ein Glied sich freut, freuen sich alle mit. Gegen die sozialen Konflikte in der Gemeinde erinnert er daran, dass wir als Gemeinde Leib Christi sind. Das ist freilich ein Ideal, das nie ganz erreicht wurde, aber das als Orientierung dient.

Und das gilt auch – weil wir uns in der Gebetswoche für die Einheit der Christen befinden – für die Zusammenarbeit der christlichen Kirchen in der Ökumene. Es gibt ja nicht mehrere Leiber Christi, sondern nur einen Leib. Die jeweiligen Kirchen verkörpern nicht für sich den Leib Christi, sondern nur gemeinsam tun wir es. Da gibt es zwar groß und klein, aber nicht wichtig und weniger wichtig. Jede Kirche bringt ihre Stärken in das ökumenische Miteinander ein. Bei der Evangelisch-methodistischen Kirche ist es das hohe soziale und diakonische Engagement, was mich sehr beeindruckt. Die kleine Evangelisch-methodistische Kirche trägt wesentlich die Diakonie Österreich mit.

Gemeinsam in der Nachfolge Christi sein, das ist Ökumene. Ein schönes Beispiel dafür ist das schon bald 20 Jahre alte Sozialwort der Kirchen, an dem alle im Ökumenischen Rat vertretenen Kirchen mitgewirkt haben. Ein beachtliches Werk, das in vielen Punkten noch immer hohe Aktualität besitzt. Da wurde deutlich: Wenn die Kirchen mit einer Stimme sprechen, werden sie prophetisch. Und das wird immer wichtiger: Die Ökumene als Leib Christi. Als dieser gestalten wir gemeinsam die Welt mit und setzen uns ein für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, wie es ja auf der ersten Europäischen Ökumenischen Versammlung in Basel vor über 30 Jahren hieß. Ein Einsatz, der im Kleinen beginnt, bei jeder Gemeinde. Aber es geht auch die große Familie der christlichen Kirchen an. Als Leib Christi die Welt zu einem besseren Ort machen. Dazu gehört das Engagement in der Diakonie und für Gerechtigkeit, der Einsatz für Flüchtlinge und für andere Ausgegrenzte. Die Kraft dazu haben alle Kirchen gemeinsam. Meine Zukunftsvision von Ökumene ist, dass wir diese Kraft nutzen. Amen.

Hier geht es zur Predigt der Vorwoche zum Thema Einheit von Pastorin Dorothee Büürma

Ein wichtiges Lied für die Ökumene, das auch die Inhalte des Predigttextes anspricht/ aufnimmt, ist das Lied "Strahlen brechen viele". Es wurde im Gottesdienst gesungen und Pastorin Esther Handschin hat dazu eine Liedbetrachtung geschrieben:

Zur Lied­be­trach­tung

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