Schätze der Ge­schich­te(n) heben

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Esther Handschin

Pastorin, Erwachsenenbildung


Bericht vom 22. methodistischen Frauentag am 22. Oktober 2022
v.l.n.r.: Brigitte Prachner, Erika Prachner, Elisabeth Papauschek, Irene Fiala, Donata Persson, Irmi Reiner, Olga Papazova, Maira Ivanovsky, Gabi Helal, Maria Huber, Li Chiou, Burgi Pemwieser; vorne: Esther Handschin, Maria Sonnleithner

Am 22. Oktober trafen sich 16 Frauen in Wien zum 22. methodistischen Frauentag. Da der Frauentag im vergangenen Jahr coronabedingt entfallen musste, holten die beiden Verantwortlichen, Maria Sonnleithner und Pastorin Esther Handschin, das vorjährige Programm nach. Es ging um Frauen aus der Geschichte der Methodistenkirche in Österreich.

Im Zuge der Recherchen zum 150-Jahr-Jubiläum der EmK Österreich haben die beiden drei spannende Biografien von Frauen herausgesucht, die ihrer Kirche mit den Gaben gedient haben.

Das war auch das Motto des biblischen Einstiegs ins Thema: Wie haben Frauen zur Zeit Jesu mit dem gedient, was sie hatten (Lukas 8,3b)? Was bedeutet eigentlich dienen?

Paula Seidlmann-Spörri

Esther Handschin stellte zunächst Paula Seidlmann (1878-1945) vor. Sie kam aus Wien, wurde Lehrerin, trat als 19-Jährige der Methodistenkirche bei und entschied sich mit 25 Jahren in den Missionsdienst zu gehen. Dazu musste sie zuerst eine Ausbildung in den USA machen. Von dort aus war sie dann von 1908-1913 und von 1915-1922 an zwei methodistischen Schulen in Südostchina tätig. Aus gesundheitlichen Gründen musste sie zurückkehren und wurde 1923 von der Missionsgesellschaft nach Europa geschickt, um von Wien aus hungernde Kinder in Österreich und Deutschland zu versorgen. In Wien lernte sie den Schweizer Prediger Josef Spörri kennen, heiratete ihn am 6. Juni 1924 und wurde damit Pastorenfrau. Sie unterstützte die Tätigkeit ihres Mannes in den Gemeinden von Graz, St. Pölten–Krems (wo sie auch predigte) und Wien-Trautsohngasse. Weitere gesundheitliche Probleme und die sich zuspitzende finanzielle Lage der Kirche ließ das Ehepaar Spörri-Seidlmann 1937 in die Schweiz gehen. Dann wurde es ruhiger um Paula, die nach zwei Schlaganfällen auf Pflege angewiesen war und 1945 verstarb.

Paula Seidlmann-Spörri hat als Lehrerin gedient. Sie hat in kurzer Zeit Geld und Hilfsgüter aufgetrieben, leitete eine Art Kinderkrippe und später in Wien ein Mädchenheim. Es war selbstverständlich, dass sie mit 48 Jahren ihren Mann auf Jugendlager begleitete und auch einige Programmpunkte übernahm. Sie muss eine beeindruckende Rednerin und Motivatorin gewesen sein.

Baronin Amelie von Langenau

Maria Sonnleithner hat sich schon länger mit der Baronin Amelie von Langenau (1830-1902) auseinandergesetzt. Sie stellte die Gönnerin und treibende Kraft hinter verschiedenen Werken und missionarischen Tätigkeiten der Methodistenkirche vor. Die Baronin schloss sich erst mit 59 Jahren den Methodisten in Wien an, nachdem sie durch den Tod ihres einzigen Sohnes und ihres Ehemanns eine geistliche Krise durchmachte. Sie bemühte sich um eine eigene Liegenschaft für die kleine Gemeinde, um damit den sich wiederholenden Versammlungsverboten etwas entgegenzusetzen. Schließlich kaufte sie ein Haus in der Trautsohngasse 8. Sie hat viel von ihren finanziellen Mitteln in die Methodistenkirche investiert. Sie hat auch ihre Beziehungen spielen lassen, als es darum ging die staatliche Anerkennung zu erlangen, was allerdings erst fast fünfzig Jahre nach ihrem Tod gewährt wurde. Sie hat in mancher Hinsicht Anfänge gesetzt und Grundsteine gelegt, auf denen in späteren Jahren aufgebaut werden konnte.

Baronin Amelie von Langenau setzte große finanzielle Summen für die Kirche ein. Sie nutzte ihre Beziehungen zu wichtigen Personen in der Gesellschaft. Sie war gewandt in Sprachen, schrieb viele Briefe und übernahm in verschiedenen kirchlichen Gremien Verantwortung. 

Luise Scholz

Die letzte der drei vorgestellten Frauen war Luise Scholz (1890-1972). Sie verlor als junge erwachsene Frau innerhalb von vier Jahren ihre sechs Familienangehörigen: Zwei Brüder starben im Ersten Weltkrieg, die Eltern 1919 vermutlich durch die Spanische Grippe, ein Bruder wanderte nach Südamerika aus und ihre Schwester wurde nach Russland verschleppt und blieb dort verschollen. Am Predigerseminar in Frankfurt am Main, wo sie die Hauswirtschaft leitete, lernte sie ihren Mann, den Berliner Ernst Scholz kennen. Sie war groß, schlank und trug meistens einen Hut. Er war klein und später rundlich und sehr humorvoll. Nach der Heirat 1922 wurden sie für zwei Jahre nach Schneidemühl (Posen-Westpreußen) geschickt, um dort eine Gemeinde aufzubauen. Von 1924 bis 1933 waren sie in Wien, wo Luise Scholz nach einer späten Schwangerschaft eine Totgeburt erlitt. Dank ihrer Englischkenntnisse und ihrer Verbindung zur Frauenmissionsgesellschaft in den USA erhielt sie schon 1927 Unterlagen, um mit den methodistischen Frauen den ersten Weltgebetstag der Frauen in Österreich zu feiern. Das setzte sie auch in Berlin fort, wo sie 1933 mit ihrem Mann hinzog. Trotz Krieg schickte sie den methodistischen Frauenkreisen bis 1943 jeweils eine Gottesdienstordnung für den Weltgebetstag. Im Jahr 1947 ergriff sie die Initiative zusammen mit der Amerikanerin Stella Wells, um den Weltgebetstag mit 600 Frauen in deutscher und englischer Sprache zu feiern, trotz eines Verbrüderungsverbotes zwischen den Deutschen und den Besatzungsmächten. Sie leitete das Frauenwerk (damals Frauendienst) der Methodistenkirche in Deutschland von 1946-1969. Und sie wurde 1956 zur Vorsitzenden des Weltbundes methodistischer Frauen gewählt. Sie nahm die Wahl nur unter der Bedingung an, dass auch die Frauen aus Großbritannien zustimmten.

Luise Scholz war eine eher stille Werkerin, die ein gutes Gespür für Menschen hatte. Ihre guten Englischkenntnisse und ihre Beziehungen innerhalb der eigenen Kirche, insbesondere zur Frauenmissionsgesellschaft in den USA, machten sie zu einer Brückenbauerin zwischen den Kontinenten und verfeindeten Nationen.

Miteinander im Gespräch

Am Nachmittag tauschten wir uns über die eigenen Schätze in unserem Leben aus und darüber, wie wir damit der Kirche und den Menschen dienen können. Was sind unsere Begabungen und Stärken? Wo haben Vorkommnisse in unserem Leben Spuren hinterlassen, die für uns zu einem Schatz geworden sind, den wir weitergeben und für andere Menschen fruchtbar machen können? Es ließen sich einige Schätze in der eigenen Biografie entdecken. Auch die Art und Weise, wie ein Dienst in der Kirche verstanden werden kann, war recht unterschiedlich.

Schließlich ergab sich die Frage, ob die drei vorgestellten Frauen soviel Zeit für die Menschen und die Kirche einsetzen konnten, weil sie keine Kinder großzuziehen hatten. Sind Kinder ein Hindernis? Oder helfen sie uns in der eigenen Entwicklung? Nicht alle der anwesenden Frauen haben selbst Kinder groß gezogen. So haben sich auch in diesem Bereich unterschiedliche Perspektiven aufgetan. In jedem Fall gingen wir bereichert nach Hause, dankbar dafür miteinander im Austausch gewesen zu sein und einige spannende Frauengeschichten kennengelernt zu haben.

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