Das un­ver­kenn­ba­re Profil me­tho­dis­ti­scher Gemeinden

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Gedanken von Bischof in Ruhe Walter Klaiber

Der bleibende Auftrag

Nach den coronabedingten Einschränkungen gesellschaftlicher und kirchlicher Angebote kommt die Arbeit von Kirchengemeinden nur schwer wieder in Gang. Das betrifft auch die Evangelisch-methodistische Kirche (EmK). In einem Beitrag für das EmK-Kirchenmagazin »Unterwegs« stellt sich Walter Klaiber, der früher für Deutschland zuständige und jetzt im Ruhestand in Tübingen lebende Bischof der Evangelisch-methodistischen Kirche, der Frage, ob die Kirche noch systemrelevant ist.

Die Kirchen und ihre Verkündigung scheinen zurzeit nicht sehr gefragt zu sein. Auch unsere Gemeinden spüren das. Nicht nur die Diskussion um das Thema Homosexualität und die Behinderungen durch Corona verunsichern. Die eigentliche Frage reicht tiefer und lautet: Haben wir als Evangelisch-methodistische Kirche noch einen Auftrag?

Nun haben wir nie behauptet, wir hätten eine Sonderstellung innerhalb der Christenheit. Aber die methodistische Bewegung ist entstanden und gewachsen in der Überzeugung, dass Gott uns berufen hat, das Evangelium mit einer klaren, biblisch fundierten Zielsetzung zu verkünden und zu leben. Drei Aufgaben sind dabei zentral:

Mut machen, Gott zu vertrauen

John Wesley hat seinen Predigern immer wieder eingeschärft, sie hätten »nichts anderes zu tun, als Seelen zu retten«. Das war schon damals etwas kühn formuliert: Nicht wir sind es, die retten, sondern Gott. Aber was damit eigentlich gemeint war, bleibt bis heute gültig: Es gilt, Menschen zu helfen, ihr Leben in der Liebe Gottes festzumachen. Wir laden sie ein, mit Gott neu zu beginnen, auch wenn sie meinen, am Ende zu sein, und öffnen so die Tür für eine persönliche Begegnung mit dem gnädigen Gott – durch das, was wir sagen, und das, was wir tun.

Das geschieht durch eine klare biblische Verkündigung, die dem Wort verpflichtet, aber nicht dem Buchstaben verhaftet ist. Wir lesen die Bibel von ihrer Mitte her: Gottes bleibendes Ja zu Israel, Gottes Ja zu Verachteten und Verirrten, das Jesus gelebt und durch seinen Tod besiegelt hat, Gottes Ja für alle, das Paulus als befreiende Botschaft verkündigt hat. Das ist die Basis, von der aus wir alle Aussagen der Bibel verstehen. Deshalb steht neben dem Ernst der Warnung, sein Leben zu verfehlen, die Gewissheit, dass Gottes Erbarmen allen gilt.

Sich umeinander kümmern

Nach John Wesleys Rat in den »Allgemeinen Regeln« sollen Methodisten »übereinander in Liebe wachen«. Das klingt nach sozialer Kontrolle, und war es wohl auch nicht selten. Aber dahinter steht eine Aufgabe, die auch heute noch wichtig ist: Es geht darum, füreinander da zu sein und eine Gemeinschaft zu bilden, die Freiheit schenkt und doch verbindlich ist, die einzelnen Raum gibt und doch Verantwortung füreinander übernimmt.

Niemand soll einsam sein und allein gelassen werden. Es geht darum, eine Kultur des Sich-Kümmerns zu leben. In ihr findet nicht nur Hilfe, wer sie sucht, in ihr herrscht auch ein Gespür dafür, wer Hilfe braucht. Um das zu verwirklichen, waren die Gemeinden in Klassen eingeteilt, zu denen jeder und jede gehören sollte. Das lässt sich heute nicht mehr durchführen. Teilweise haben Hauskreise diese Aufgaben übernommen. Die aber werden nie alle erreichen. Wir brauchen deshalb in unseren Gemeinden Netzwerke, die helfen, mit allen in Kontakt zu bleiben, gerade auch mit solchen, die am Rande sind oder nur gelegentlich auftauchen.

Gottes Liebe leben

»Schriftgemäße Heiligung über das Land zu verbreiten«, das ist die Aufgabe, mit der Gott nach Meinung von John Wesley die methodistische Bewegung betraut hat. »Schriftgemäße Heiligung« zu leben bedeutet nicht einfach, immer frömmer zu werden. »Heiligung« heißt: Sich immer mehr von Gottes Wesen prägen zu lassen. Es bedeutet also, immer intensiver von Gottes Liebe zu leben und diese Liebe immer engagierter für andere zu praktizieren. Gelebte Frömmigkeit und soziales Engagement, Formen der Verkündigung und des gemeinsamen Lebens, die unsere Beziehung zu Gott vertiefen (»Werke der Frömmigkeit«), und Aktionen, mit denen wir Verantwortung für die Gesellschaft und für Menschen in Not übernehmen (»Werke der Barmherzigkeit «), gehören für uns untrennbar zusammen.

Keines der genannten Elemente ist ein Alleinstellungsmerkmal der methodistischen Bewegung. Aber gemeinsam bilden sie ihr unverkennbares Profil und beschreiben einen Auftrag, der nach wie vor gilt und gerade auch in unserer Zeit dringend gebraucht wird.

Dieser Artikel ist dem zweiwöchentlich erscheinenden EmK-Magazin »unterwegs« der Evangelisch-methodistischen Kirche – Nummer 23/2021 vom 7. November 2021 – entnommen.

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