Neues bewirken
Glaubensimpuls

General Board of Global Ministries

Wir bewirken etwas
Im Johannesevangelium 21,4 lesen wir: "Im Morgengrauen stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger erkannten ihn nicht." (Hoffnung für alle, Johannes 21,4)
Im Morgengrauen stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger erkannten ihn nicht.
Kommt das euch auch irgendwie bekannt vor? Mir schon. Ich fühle mich manchmal, als stünde ich mitten im Wasser – ohne Halt, ohne festen Boden unter den Füßen… Enttäuscht (unter anderem, enttäuscht von Gott), ohne Energie, müde, hoffnungslos…
Ja, dort, "am Ufer" steht Jesus. Vielleicht gar nicht so weit von mir. Aber ich erkenne ihn nicht. Weil, wenn ich mich umschaue, scheint es keine guten Gründe zu geben, dass er überhaupt noch existiert. Er sollte ja tot sein? Und das klingt viel wahrscheinlicher…
Das ist, wo ich mich immer wiederfinde. Das ist mein Kontext, wo ich dringend eine Botschaft, ein Wort von Gott brauche.
Und das ist, wo ich den Propheten Jesaja höre mit seiner Verkündigung:
Jesaja 43,19: "Schaut her, ich schaffe etwas Neues! Es beginnt schon zu sprießen – merkt ihr es denn nicht?" (BasisBibel) – Hoffnung für alle: "Schaut nach vorne, denn ich will etwas Neues tun! Es hat schon begonnen, habt ihr es noch nicht gemerkt?"
Schauen
Wir stehen immer (persönlich und gesellschaftlich) zwischen Vergangenheit und Zukunft.
Die Verkündigung und Kontext von Jesaja
Die Vergangenheit bei Jesaja ist von seiner prophetischen Gerichtspredigt getragen.
Im ersten Teil des Buches geißelt Jesaja den Ungehorsam und Abfall seines Volkes, den Aberglauben, die Äußerlichkeit des Gottesdienstes (Jesaja 1,11-14), den Götzendienst (Jesaja 2,8), die Bestechlichkeit und Habgier der Fürsten und Oberen (Jesaja 1,23; 10,12), die Sittenlosigkeit (Jesaja 5,11f.22). Wenn alles so weitergeht, kommt eine Bestrafung – und das war auch der Fall.
Der zweite große Teil des Jesajabuches beginnt mit Kapitel 40. Die Verkündigung hier ist etwas ganz anderes. Im früheren Lied war Urteil das Thema. Hier Erlösung.
Gottes Volk ist nun bestraft worden. Sie sind im Exil, ohne Heimat, ohne Freiheit. Sie haben die Hoffnung aufgegeben. In dieser Situation kommt ihnen das Wort Gottes zu. Diese Botschaft beginnt in Jesaja 43,1 mit „Jetzt aber…“ (BasisBibel). Ein Theologe hat es so zusammengefasst: "Der grundlegende Inhalt der Verkündigung [Jesajas] an Israel ist die Botschaft von Vergebung der Schuld nach dem Gericht, von Befreiung aus dem Exil und Heimkehr Israels."
„Aber jetzt…“ (Vers 1) „Schaut her, schaut nach vorne“ (Vers 19)
Diese kleinen Wörter sind eigentlich eine recht große Botschaft. So beginnt Jesaja 43. So beginnt die Zukunft und Hoffnung.
Brauchen wir alle nicht eine Botschaft von Gott, die mit diesen wichtigen Wörtern beginnt: "Aber jetzt…"? Das heißt, es gibt Zukunft. Eine Zukunft, die von Gott bestimmt ist. Eine Zukunft, die Gott ausspricht. "Aber jetzt…" Und dann, etwas später: "Schaut her, schaut nach vorne!"
Wir haben Angst
Wir haben eher Angst, irgendwo hinzuschauen. Wir haben Angst, in Richtung Russland zu schauen. Jetzt haben wir vielleicht Angst, in Richtung USA zu schauen. Viele andere Regionen und Regierungen in der Welt geben einen guten Grund, noch mehr Angst zu haben. Wir haben Angst, Nachrichten zu schauen…
Jesaja aber sagt: Schaut nach vorne – das ist eine Zukunft mit Gott.
Was folgt dem Schauen? Wir sehen etwas. Wie ist es mit unserem "Sehen"? Nach der Auferstehung haben die Jünger Jesus wohl gesehen (am Ufer), aber haben ihn nicht erkannt.
Bemerken
Schauen und bemerken sind die zwei wichtigen Stichwörter für mich heute, die ich mit euch teilen möchte. Der weithin bekannte Franziskanerpater Richard Rohr hat einmal geschrieben:
Richard Rohr: Wir übersehen Gott "hier unten":
Die meisten von uns beginnen die Reise verständlicherweise in der Annahme, dass Gott "da oben" ist und unsere Aufgabe darin besteht, diese Welt zu transzendieren, um Gott zu finden. Wir verbringen so viel Zeit damit, nach "da oben" zu kommen, dass wir übersehen, dass Gottes großer Sprung in Jesus darin bestand, "hier hinunter" zu kommen. "Trust the down, and God will take care of the up."
Das Neue
Jesaja verspricht, dass Gott etwas Neues schafft. Weil Jesaja schon vor vielen Jahrhunderten gestorben ist – heißt das, dass seine Worte nur noch Vergangenheit sind?
Wenn wir etwas Glauben hätten, dass Gott lebendig ist, würden wir vielleicht besser verstehen, dass Gott immer noch etwas Neues schafft – und dabei auch uns einschließt. Er schafft Neues nicht nur für uns, sondern mit uns und durch uns.
In einer Geschichte besucht der Pastor ein Gemeindeglied.
Der ist ein älterer Mann und arbeitet gern in seinem Garten.
Als der Pastor kommt, ist er voll von Staunen und grüßt den Mann mit frommen Worten: "Das ist aber wunderschön! Erstaunlich, was sie hier zusammen mit Gott geschaffen haben!"
"Ja, Herr Pastor," antwortet der Mann. "Hätten sie diesen Garten doch damals gesehen, als der liebe Gott sich allein darum gekümmert hat…!"
Ja, wir bewirken etwas.
Immer etwas Neues… Ist das unbedingt eine gute Nachricht?
In unserer Gesellschaft wird unsere Aufmerksamkeit öfters durch das Wort "neu" erregt. Ich habe von der Psychologie des Marketings gelesen, dass es zwei kurze Wörter in der Werbung gibt, die am meisten helfen etwas zu verkaufen. Die Wörter "neu" und "frei" bewirken Wunder für diejenigen, die etwas verkaufen wollen.
Gott erregt unsere Aufmerksamkeit durch Jesaja ebenso: "Schaut her, ich schaffe etwas Neues! Es beginnt schon zu sprießen – merkt ihr es denn nicht?" (Jesaja 43,19)
Dabei scheint es mir, dass viele von uns irgendwie widersprüchliche Gefühle gegenüber "dem Neuen" haben.
In unserer Welt muss es ja immer etwas Neues geben!
- Du öffnest deinen Computer – schon wieder "Updates"! Du hast gerade erst unter Schwierigkeiten verstanden, wie etwas funktioniert – und schon wieder etwas Neues…
- Ich habe mein Lieblingsjoghurt… Nein, das gibt's nicht mehr! Sie haben schon etwas Neues entwickelt! Und das schmeckt natürlich anders – nicht wie ich es gerne hatte…
"Neues" ist nicht immer eine gute Nachricht… In manchen anderen Dingen vielleicht schon.
Aber wenn es um Gottes Gegenwart in unserer Welt geht – ist das etwas Neues? Es kann sein, dass wir ihn so vergessen haben, dass wir seine Präsenz gar nicht mehr bemerken.
Es ist wahr, dass sie nicht immer mit einer großen Show kommt (herzlichen Glückwunsch zu eurem österreichischen Triumph beim Eurovision Song Contest! Ja, das war aber eine Show. So was bemerkt man schon…!)
Jesus aber hat erzählt, dass das Reich Gottes nicht so kommt, dass man es an äußeren Anzeichen leicht erkennen kann. (Lukas 17,20). Er vergleicht das, was Gott tut, eher mit einem Senfkorn (Matthäus 13,31) oder einem Stückchen Sauerteig. Gerade deswegen sind die nächsten Worte in Jesajas Verkündigung wichtig: "Schaut her, ich schaffe etwas Neues! Es beginnt schon zu sprießen – merkt ihr es denn nicht?" (Jesaja 43,19)
"Es beginnt zu sprießen…" Es ist nötig so etwas zu betonen, wenn Gottes Werk und Gegenwart nicht sofort offensichtlich sind. Es braucht Aufmerksamkeit, das zu bemerken.
Beispiele aus dem Methodismus in Europa
Wie schon gesagt, bewirkt Gott öfters Neues durch uns. Mehrere Beispiele davon aus unserer Kirche kommen mir in den Sinn:
- Vor kurzem waren manche von uns in Ungarn bei der Jährlichen Konferenz. Die EmK dort betreibt zwei öffentliche Schulen. Die Pastoren können als christliche Lehrer in der Schule arbeiten und erreichen sowohl Schüler, die absolut keine Ahnung vom christlichen Glauben haben, als auch Lehrer.
- Das Projekt "Inspire" in Chemnitz ist ein 'safe space' für Ausländer in einer unfreundlichen Umgebung. Die Gruppen aus dem Mittleren Osten oder aus der Ukraine treffen sich dort, um im Language Café die deutsche Sprache zu lernen oder einfach Gemeinschaft zu haben. "Inspire" inspiriert Leute vor Ort, die aus einem sehr antikirchlichen Hintergrund kommen. Ihr Gottesdienst ist ein geistliches Angebot zu dem auch Nicht-Christen beitragen.
- Bremerhaven, eine Gemeinde in Nord-Deutschland hält Gottesdienste an öffentlichen Orten der Stadt, wie etwa in Parks oder am Hafen.
- Eine Gemeinde in Dänemark hat Gottesdienste für Migranten, zu denen sogar Muslime kommen und offen dafür sind, dass Christen für sie beten.
- Eine Frau aus dem Iran ist in Finnland Christin geworden. Jetzt ist sie bereits Pastorin und vermittelt zwischen Flüchtlingen vor Ort und in der Gemeinde, die aus gegensätzlichen Gegenden im Mittleren Osten kommen.
- Flüchtlinge aus der Ukraine versammeln sich als eine christliche Kleingruppe in Deutschland – und plötzlich ist auch ein Ehepaar aus dem Iran dort integriert, weil sie in dieser Region keine andere Möglichkeit für eine christliche Gemeinschaft finden.
- Die lettische EmK hat vor einigen Jahren ein Heim für Teenager-Mütter gestartet, die keine Unterstützung von ihrer Familie haben (oft sind es minderjährige Mädchen aus Kinderheimen, die nicht wissen, was es bedeutet, Mutter zu werden).
- Und natürlich euer Dienst hier – sei es die Wärmestube oder etwas anderes – und eure Beziehungen zu den Balkanländern geben euch viele weitere Beispiele.
Alle diese Beispiele versteht man nur im jeweiligen Kontext. Sie machen keine großen Schlagzeilen. Gottes Werk ist nicht leicht zu erkennen. Aber genauer gesehen – vielleicht bemerken wir, dass da doch Jesus am Ufer steht?
Wunder
Isaak Bashewis Singer (1904-1991) war ein polnisch-amerikanischer Schriftsteller, bislang der einzige jiddische Schriftsteller, der den Nobelpreis für Literatur erhalten hat (1978). In seinem Roman "Der Büßer" (The Penitent) erzählt die Hauptfigur: "Unser Treffen war ein Wunder. Wo aber kein Glaube ist, werden Wunder nicht bemerkt."
Wo aber kein Glaube ist, werden Wunder nicht bemerkt…
Gerne möchte ich euch ermutigen, dass es Wunder gibt.
Ja, manchmal fehlt es uns an Glauben.
Aber letztendlich geht es nicht um uns – was wir können oder nicht können, oder wie groß oder klein unser Glaube ist.
Letztendlich geht es um die Gnade – und die gibt es reichlich für uns alle.
Möge Gott uns helfen das zu bemerken, wo auch immer die Zeichen der Gnade sprießen!
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