Mir aber hat Gott gezeigt, dass man keinen Menschen unheilig oder unrein nennen darf.

Glaubensimpuls

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Stefan Schröckenfuchs

Pastor, Superintendent


Betrachtung zum Monatsspruch Juni aus Apostelgeschichte 10,28

Mir aber hat Gott gezeigt, dass man keinen Menschen unheilig oder unrein nennen darf. 

Der Monatsspruch für den Monat Juni findet sich in der Apostelgeschichte in Kapitel 10. Petrus spricht diese Worte, als er vor Cornelius steht – einem römischen Hauptmann, einem Heiden, einem Vertreter der Besatzungsmacht seiner Zeit. Petrus spricht den Zwiespalt, in dem er sich befindet, direkt an: „Ihr wisst, dass es einem Juden nicht erlaubt ist, mit einem Nichtjuden zu verkehren oder sein Haus zu betreten.“ Petrus dürfte also gar nicht hier sein. Doch er fährt fort: „Mir aber hat Gott gezeigt, dass man keinen Menschen unheilig oder unrein nennen darf.“ 

Grenzen überschreiten

Diese Geschichte erzählt von einem Moment der Grenzüberschreitung – nicht nur geographisch oder kulturell, sondern tief innerlich. Petrus betritt Neuland, weil Gott selbst ihn dorthin geführt hat. Er hat gelernt: Die alten, vertrauten Kategorien – heilig und unrein – verlieren ihre Trennschärfe, wenn Gottes Geist wirkt. Was für Petrus einst undenkbar war, wird ihm zu einem neuen Auftrag.

Was hat das mit uns heute zu tun? Vielleicht mehr, als uns lieb ist. Wir sprechen heute nicht mehr von „unheilig“ oder „unrein“. Aber wir kennen andere, unausgesprochene Kategorien: „so jemand passt nicht zu uns“, „mit solchen Leuten kann ich nichts anfangen“, „das ist mir zu fremd, zu schwierig, zu unbequem“. Dann bleiben wir lieber auf Abstand: bei Menschen mit radikal anderen Ansichten, mit einem Lebensstil, den wir nicht verstehen – oder nicht billigen. Menschen, die uns überfordern, nerven, irritieren.

Auch wir sind herausgefordert

Hier beginnt auch für uns die Herausforderung. Wie Petrus sind auch wir eingeladen, unsere gewohnten Grenzen zu überschreiten. Nicht weil es bequem ist – sondern weil Gott uns vorangeht. Gott lässt sich nicht abschrecken von dem, was fremd, unverständlich oder unbequem ist. In Jesus ist Gott selbst in diese Welt gekommen: eine Welt voller Widersprüchlichkeiten und menschlicher Abgründe. Er hat sich nicht in einen sicheren Raum der Gleichgesinnten zurückgezogen. Er hat berührt, besucht, vergeben. Er hat Menschen Gemeinschaft geschenkt, die andere aufgegeben oder abgelehnt hatten.

"Pride Month" Juni

Den Monat Juni feiern viele Menschen als "Pride Month". Menschen aus der queeren Community zeigen in diesem Monat sichtbar, wer sie sind – mit Stolz, aber oft auch mit Verletzlichkeit. Für manche Christ*innen mag das ungewohnt oder irritierend sein. Vielleicht passen manche Bilder dieser Tage nicht ins eigene Frömmigkeitsbild. Vielleicht rufen sie bei manchen Unsicherheit oder sogar Ablehnung hervor. Die Geschichte von Petrus wird vielleicht gerade hier zur Herausforderung: „Nenne nicht unrein, was ich für rein erklärt habe.“ Wo wir schnell in Kategorien denken – richtig oder falsch, passend oder nicht – da ruft uns Gott dazu auf, tiefer zu schauen: auf den Menschen, den Gott liebt. Auf das Herz, das sich nach Zugehörigkeit sehnt. Auf die Lebensgeschichte, die Gottes Gegenwart nicht ausschließt. In diesem Sinn solidarisieren sich z.B. die Mitglieder der Initiative Religions for Equality*) mit Menschen der queeren Community und feiern im Juni an verschiedenen Orten ein "Pride Prayer". 

Jesus Nachfolgen heißt, die Komfortzone verlassen 

Wenn wir Jesus nachfolgen wollen, dann bedeutet das: Auch wir sind gerufen, unsere Komfortzonen zu verlassen. Unsere Vorurteile zu hinterfragen. Uns nicht davon bestimmen zu lassen, wer „würdig“ ist und wer nicht. Denn Gott hat uns gezeigt, dass kein Mensch für ihn unheilig oder unrein ist. Jeder Mensch trägt Gottes Ebenbild. Jeder Mensch ist in Gottes Liebe eingeschlossen – auch der, den wir am wenigsten verstehen oder am meisten meiden möchten.

Stellen wir uns die Frage in diesem Monat darum einmal ganz persönlich: Wer ist mein Cornelius? Wem gehe ich aus dem Weg – bewusst oder unbewusst? Und bin ich bereit, mich von Gott herausfordern zu lassen – auch wenn es mich etwas kostet?

Gottes Liebe kennt keine Ausgrenzung. Auch unsere sollte das nicht tun.

 

*) Religions for Equality ist eine interreligiöse Initiative aus Vertreter*innen verschiedener Religionsgemeinschaften, die gemeinsam ihr „Ja“ zur Vielfalt des Lebens und zur Gleichberechtigung unterschiedlicher Lebensformen sichtbar machen. 

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