Das Perfekte Dinner – zu Gast bei Marta & Maria

Glaubensimpuls

Bild von Dorothee Büürma
Dorothee Büürma

Pastorin, Kinder- & Jugendwerk


Eine Predigt zu Lukas 10,38-42 und Kolosser 1,12

Liebe Leser*innen,

als ich die Verse aus Lukas 10 in der Vorbereitung auf diese Predigt im Lauf der vergangenen Woche durchgelesen habe, dachte ich mir: ach ja, Maria und Marta, wie nett. 
Die Geschichte kenne ich doch schon so gut wie auswendig! 
Was soll ich damit noch Neues anfangen?
Vielleicht geht es euch manchmal auch so mit biblischen Texten, die sehr bekannt sind …

Jesus bei Maria und Marta:

Als Jesus mit seinen Jüngern weiterzog, kam er in ein Dorf.

Dort nahm ihn eine Frau als Gast bei sich auf. Ihr Name war Marta.

Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß.

Die setzte sich zu Füßen des Herrn nieder und hörte ihm zu.

Aber Marta war ganz davon in Anspruch genommen,

sie zu bewirten.

Schließlich stellte sie sich vor Jesus hin und sagte:

»Herr, macht es dir nichts aus,

dass meine Schwester mich alles allein machen lässt?

Sag ihr doch, dass sie mir helfen soll!«

Aber der Herr antwortete:

»Marta, Marta! Du bist so besorgt

und machst dir Gedanken um so vieles.

Aber nur eines ist notwendig:

Maria hat das Bessere gewählt,

das wird ihr niemand mehr wegnehmen.«

Lukas 10,38-42
BasisBibel

Und doch ist mir aufgefallen, je länger ich über diese kurze Geschichte aus nur 4 Versen nachgedacht habe, wie wichtig sie ist. Auch für uns heute.

Da geht es auf den ersten Blick um Gastfreundschaft. 
Das ist ein Thema, das im Lukasevangelium oft vorkommt. 

Und diese kleine Geschichte finden wir nur bei Lukas, nicht in den anderen Evangelien. 
Marta und Maria werden allerdings im Johannesevangelium noch ausführlicher erwähnt in der Geschichte über ihren Bruder Lazarus.
Bei Lukas ist von Lazarus keine Rede.

Was ist an diesem Besuch so besonders?

Es ist etwas ganz Besonderes, dass Jesus in dieser Geschichte zu den beiden Frauen kommt.

Die kulturellen Vorschriften damals, vor allem in den Kreisen, aus denen der Evangelist Lukas stammte, erwarteten eigentlich, dass nur die Männer erwähnt wurden. Sie waren die Herren des Hauses und es war die Aufgabe eines Mannes, wichtige Gäste einzuladen und zu empfangen. Die Frauen sollten sich im Hintergrund darum kümmern, dass die Gäste gut versorgt waren.

Wir spüren schon: auch in dieser Geschichte wird deutlich, dass Jesus die Erwartungen und Traditionen der Gesellschaft immer wieder ignorierte, wenn es darum ging, sich für die Menschen stark zu machen, die selbst ignoriert wurden. 

Die Situation von Marta

Marta war diejenige, die Jesus zu sich eingeladen hatte.

Sie hatte mutig entgegen der Erwartungen gehandelt. Und Jesus nahm die Einladung an und kam zu Besuch. 

Marta schien nun in der Zwickmühle zu sein. Sie hatte Jesus eingeladen, also musste der Gast nun auch bewirtet und umsorgt werden.
Plötzlich hatte Marta nur noch die vielen Aufgaben vor Augen, die sie erledigen wollte, damit es ihrem Gast so gut wie möglich ging. 

Ich kann mir das förmlich vorstellen:
Da wurde bestimmt das Haus aufgeräumt und geputzt bevor Jesus kam, dann wurden vielleicht noch Blumen gepflückt und der Raum hübsch dekoriert.
Es brauchte etwas Gutes zu essen für den Gast, also wurden fleißig Zutaten besorgt und Gerichte zubereitet.

Ganz sicher wurde Jesus dann im Empfang genommen von einer sehr beschäftigten Marta und ihrer Schwester Maria, die die Anweisung erhalten hatte, Jesus in die Wohnung zu führen und ihn willkommen zu heißen.
Maria, die mit dieser Einladung eigentlich erst einmal nichts zu tun hatte, schien sehr erfreut zu sein und setzte sich zum Gast und unterhielt sich mit ihm.

Währenddessen war Marta eifrig am Werkeln. 
Der Gast brauchte sicher zuerst etwas zu trinken. 
Oder wollte er vielleicht lieber seine Hände und Füße waschen? 
Oh nein, fast wäre das Brot verbrannt während dieser ganzen Überlegungen... 
Jetzt aber schnell, Jesus sollte ja nicht lange warten müssen.

Ich kann mir vorstellen, wie sehr Marta unter Druck geriet. Sie hatte die besten Absichten und war so darauf bedacht, dass alles perfekt sein sollte, dass sie selbst immer unruhiger wurde. 
So war eine immer aufgewühltere Marta am Herumrennen, während Jesus und Maria die Zeit fürs Gespräch genossen.

Worauf kommt es an, wenn man Gastfreundschaft zeigen möchte?

Auf den ersten Blick hatte Jesus eigentlich "das perfekte Dinner“ bei den beiden Frauen. Eine kümmerte sich um das Essen und die Rahmenbedingungen, die andere um die Unterhaltung.
Aber nur eine der beiden Frauen hatte selbst etwas von dem Besuch: Maria, die Zeit mit Martas Gast verbrachte. Marta, von der die Einladung ausgegangen war, wurde spürbar unzufriedener, je länger sie im Hintergrund tätig war. 
Ich glaube, sie wäre auch gern bei Jesus gesessen, fühlte sich aber verantwortlich, dass alles vorbereitet und gemacht wurde.

Wir kennen das Gefühl selbst auch, wenn wir mit etwas unzufrieden sind. Je mehr sich dieses Gefühl in uns aufstaut, umso unzufriedener werden wir. Und irgendwann können wir die Unzufriedenheit nicht mehr aushalten.
So ging es Marta auch. 

In ihrem Frust und auch ihrem Neid wusste sie sich nicht anders zu helfen, also stellte sie sich vor Jesus hin und sagte: »Herr, macht es dir nichts aus, dass meine Schwester mich alles allein machen lässt? Sag ihr doch, dass sie mir helfen soll!«

Der Geschwisterkonflikt:

Mich berührt diese Stelle immer sehr unangenehm. Jetzt sollte Jesus, der Gast, diesen Konflikt zwischen den Schwestern lösen. Das zeigt aber wenig Taktgefühl. Spätestens an diesem Punkt ist die vermeintliche Gastfreundschaft aus. 
Alles, wofür Marta sich solche Mühe gegeben hatte, ist vergeblich, denn sie hatte erreichen wollen, dass der Gast sich wohlfühlt und versorgt wird.
Nun wurde er aber in einen Geschwisterkonflikt hineingezogen. Das ist ja nicht gerade die feine Art!

Und auch Jesus war sicherlich verwundert, vielleicht auch enttäuscht von dieser Wendung des Besuchs. Plötzlich spürte er den Neid der einen Schwester anstatt der Freude über die gemeinsame Zeit. 
„Marta, Marta“ - ist seine bedauernde oder vielleicht auch beschwichtigende Antwort. 
Jesus zeigte ihr, dass er sie wahrnahm und ihre Situation sah. 
„Du bist so besorgt und machst dir Gedanken um so vieles. Aber nur eines ist notwendig: Maria hat das Bessere gewählt, das wird ihr niemand mehr wegnehmen.“

Das Ende?

So endet die Geschichte des Besuchs. Wir erfahren nicht, wie es weiterging. Ob sich Marta umentschied und sich auch dazusetzte. Oder ob Maria ihrer Schwester doch noch zur Hand ging. Oder ob Jesus selbst mit ihnen die Speisen fertig zubereitete, damit sie sich gemeinsam setzen konnten. 

Die wichtigste Erkenntnis dieses Besuchs steckt nämlich in Jesu Antwort: Maria hat das Bessere gewählt.
Es ist nicht gut, dass sich Marta unter hohen Druck gestellt hat. Sie hat sich viele Sorgen und Gedanken gemacht und wurde immer unzufriedener dadurch.
Maria hatte sich entschieden, Zeit mit ihrem Gast zu verbringen. Nichts sonst zu tun, sondern sich bewusst Zeit zu nehmen für Jesus.

An dieser Stelle möchte ich den Blick von der Geschichte zu uns werfen.

Wie ist das für uns heute?

Jesus kommt zwar nicht als Mensch mit menschlichen Bedürfnissen zu uns zu Gast, aber auch wir wollen ja seinen Ratschlägen im Leben folgen. Auch wir wollen als Christ*innen im Sinne Jesu leben.
Das bedeutet auch für uns, dass wir uns immer wieder für ihn entscheiden müssen. Besonders dann, wenn es im Leben eigentlich viel zu tun gibt. 

Ich habe plötzlich ganz viele heutige Martas vor Augen. Die vor lauter Geschäftigkeit und Erschöpfung gar keine Zeit für den Glauben oder geschweige denn einen Gottesdienstbesuch haben.

Da erinnere ich mich zum Beispiel an ein Kind, das seine Eltern immer wieder gebeten hat, dass sie es zum Gottesdienst kommen lassen. Immer wieder gab es andere Gründe, warum das sonntags nicht möglich ist. Hausübungen mussten noch gemacht werden, oder auf Schularbeiten musste gelernt werden, oder es kam Besuch, oder sie machten einen Ausflug. Ich weiß, dass das Kind enttäuscht war, weil es gern mit mir zur Kirche gekommen wäre.
Kinder haben ein gutes Gespür dafür, was ihnen eigentlich gut tun würde im Leben. Sie lassen sich noch nicht zu sehr beeinflussen von den Erwartungen der Gesellschaft, oder der Familie oder des Umfelds.

Gastfreundschaft in der Gemeinde

Ich glaube aber, dass wir nicht nur als Einzelpersonen sondern auch als Gemeinde immer wieder von dieser Geschichte lernen können.
Maria hat das Gute (oder auch das Bessere) gewählt. Sie hat sich dazu entschieden, Zeit mit dem Gast zu verbringen.

Auch wir als Gemeinde wollen im Sinne Jesu Gastfreundschaft leben und zeigen. Wir freuen uns ja, wenn wir nicht nur wenige im Gottesdienst sind, sondern wenn andere dazukommen. 

Doch wie leicht passiert es auch uns (mich eingeschlossen!), dass wir so fixiert sind auf alles, was getan werden muss? Dass wir dabei ganz übersehen, wie wichtig es ist, sich füreinander Zeit zu nehmen. 

Und wenn jemand neu im Gottesdienst ist oder zu Gast kommt, dann ist es doch leichter, zu schauen, dass alles, was zum Gottesdienst gehört auch erledigt wird. Dass Musik gemacht wird, gelesen wird, auch gepredigt und gebetet. Dass Blumen den Raum schmücken, dass vorher alles gerichtet wird und dass hinterher wieder alles aufgeräumt ist. Und dass es nebenan Kaffee und vielleicht sogar Kuchen gibt. Ja, auch wir haben gern viele Aufgaben und kümmern uns um vieles. 
Das gehört zum Alltag einer Gemeinde dazu. 
Aber es ist genauso wichtig, dass sich nicht immer dieselben um die Marta-Dinge kümmern. Also um das Rahmenprogramm im Hintergrund. Sonst werden sie irgendwann frustriert, weil andere das Bessere gewählt haben, indem sie sich einfach dazusetzen und sich wie die Gäste mitbedienen lassen.

Zeit...

Ich glaube, Jesus lädt auch uns ein, das zu wählen, was uns als Gemeinde gut tut.

Und das wäre meiner Meinung nach, dass wir uns Zeit nehmen füreinander. Wenn Gäste unter uns sind, dann in erster Linie für sie. Dass wir versuchen, unsere Gäste und auch einander kennenzulernen. Dass wir miteinander ins Gespräch kommen und Anteil nehmen am Leben der anderen.

Dass wir nicht nur überlegen, was noch alles gemacht werden muss, sondern uns bewusst Zeit nehmen für das, was Jesus die gute oder die bessere Wahl nennt.
Und die vielen Aufgaben, die es zu tun gibt, lassen sich gemeinsam sowieso viel besser erledigen als allein.

Das "Gute" bei Paulus ist ein Geschenk Gottes

Auch Paulus hat übrigens im Kolosserbrief etwas über die bessere Entscheidung geschrieben. In biblischen Kommentaren wird Kolosser 1,12 mit der Geschichte von Maria und Marta in Verbindung gebracht.

Der gute oder bessere Teil, von dem Jesus spricht, "μερίς/ meris" auf Griechisch, ist bei Paulus von Gott selbst geschenkt. Gott ermöglicht es uns, das zu wählen, was in Gottes Sinn ist. Paulus nennt es, „Anteil zu haben am Los der Heiligen, die im Licht sind“ (Kol 1,12).

Wir erinnern uns noch einmal an die Worte Jesu: „Maria hat das Bessere gewählt, das wird ihr niemand mehr wegnehmen.“ (Lukas 10,42)  
Hat euch der Schluss auch verwundert?

Gott entscheidet sich für uns

Es geht hier nämlich nicht nur um menschliche Entscheidungen zur Nachfolge Christi, sondern es geht hier auch um Gottes Entscheidung für uns Menschen. 

Die Verbindung zwischen Maria und Jesus, die durch das Zuhören geschaffen wurde, ist Zeit, die Maria ganz Gott gewidmet hat. Sie hat sich ganz auf Gott eingelassen. Und diese Erkenntnisse, diesen Glauben, kann ihr niemand nehmen. 

Sich für Gott entscheiden, das ist bei Paulus ein kleines Vorzeichen der Ewigkeit. 
Hier kommen sich Himmel und Erde ein Stück näher. In dieser Zeit, die wir ganz Gott widmen, erleben wir himmlische Dinge, die uns für den Rest unseres Lebens tragen können. 

Bereit zum Empfangen?

Und diese Dinge können wir nur empfangen, wenn wir alle Tätigkeiten beiseite legen. 

Je weniger wir für Gott tun müssen, umso mehr können wir uns von Gott beschenken lassen. 
Je weniger wir uns ablenken lassen von allen Erwartungen und Aufgaben, umso mehr können wir uns auf Gott einlassen.

Und diese Erfüllung im Glauben, die uns Gott selbst schenkt, die kann uns niemand nehmen. Sie trägt uns heute und in alle Ewigkeit. 
Amen.

Glaubensimpulse

Mehr Glau­bens­im­pul­se

Ihr Browser ist veraltet!

Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser, um diese Website korrekt darzustellen. Den Browser jetzt aktualisieren