Die Kraft starker Gefühle

Glaubensimpuls

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Gabi Rehbogen

Bezirkslaienführerin EmK Salzburg


Eine Predigt über die Tempelreinigung (Johannes 2,13-25)

Ich möchte in dieser Predigt über „Die Kraft starker Gefühle“ sprechen.

Im Evangeliumstext, auf den sich diese Predigt bezieht, ist sozusagen: show time!

Der sonst so sanfte Jesus zeigt sich uns in diesem Text forsch und sehr kraftvoll in seinem Ausdruck. Wir kennen Jesus bis dahin freundlich statt machtvoll, herzlich statt korrekt, demütig statt auf Erfolg aus. 

Was hat Jesus so böse, so zornig, gemacht?

Im Tempel in Jerusalem fand statt, was immer stattfand, wenn das jüdische Pessachfest gefeiert wurde: im Tempel waren die Händler, die Ochsen, Schafe und Tauben verkauften und die Geldwechsler, die notwendig waren, weil die Menschen von überall herkamen und Opfertiere kaufen wollten. Also alles ganz normal!? Alles wie immer!

Doch das ganz „Normale“, das „wie immer“ scheint Jesus sehr gestört zu haben! Er machte eine Geißel aus Stricken und trieb alle Händler, Wechsler und Tiere aus dem Tempelbereich. Er verschüttete den Wechslern das Geld, stieß die Tische um und sprach zu denen, die die Tauben verkauften: „Traget das von dannen und machet nicht meines Vaters Haus zum Kaufhaus!“
Jesus bittet nicht darum ein bisschen aufzuräumen, er macht reinen Tisch – wirft hinaus, was hier im Tempelbereich seiner Meinung nach keinen Platz hat.

Jesus setzt sich leidenschaftlich ein

Jesus setzt sich leidenschaftlich, mit viel kraftvollem überlaufendem Gefühl für das Haus seines Vaters, für sich und seine Anliegen ein! Er weiß was er will! Er hat eine Meinung, die er vertritt, für die er sich einsetzt, für die er sich in Gefahr begibt. Er nimmt alle Konsequenzen, die daraus folgen werden, in Kauf.

Was Jesus damals im Tempelbereich tat, war eine höchst gefährliche und gefahrvolle Aktion. Sein Wüten störte nicht nur empfindlich den Tempelbetrieb und rief den Unmut der Autoritäten hervor. Sondern Unruhen im Tempel konnten auch das Eingreifen der römischen Besatzungsmacht auslösen, die jeden Aufruhr im Keim ersticken wollte. Historisch betrachtet haben wohl das Tempelwort Jesu und die dazugehörige Aktion zu seiner Verurteilung und zu seinem Tod geführt.

Was der Zorn Jesu weiter angerichtet hat, wurde uns nicht beschrieben, aber er richtete sich nicht gegen die Menschen, sondern gegen das „Finanzzentrum“, gegen den Missbrauch des Tempels, des Vaterhauses. Jesus hat nichts gegen Juden und nichts gegen Händler, denn er liebt alle Menschen. Aber Jesus hat etwas dagegen, dass Menschen in Gottes Haus kommen, um dort Geschäfte zu machen anstatt zu beten! 

Er möchte, dass wir begreifen, dass wir mit Gott nicht zu handeln brauchen. Wir brauchen ihm seinen Segen nicht zu bezahlen, wir brauchen kein Bußgeld für unsere Verfehlungen zu leisten, denn Gott will uns beschenken – ohne Opfer!

Es ist der Eifer Jesu, Gottes Wirken sichtbar zu machen, der ihn so, voll Emotionen, handeln lässt!

Einsatz für die Menschen statt traditionelle Systeme

Hier gibt es Parallelen zu heute, zu unserer Wirklichkeit! 96 % der Gläubigen sehen laut Kirchenmitgliedschaftsstudie in Deutschland, zumindest in der römisch-katholischen Kirche, einen grundlegenden Reformbedarf. Viele halten die Lehre verdunkelt durch ein System, das Gottes Hinwendung zu jedem Menschen unabhängig von Lebensstand und Herkunft nicht mehr sichtbar werden lässt. Um etwas zu verändern, braucht es Menschen, die Eifer und Leidenschaft, sich für Gott einzusetzen, in sich tragen. Dieser Eifer setzt alles auf eine Karte und riskiert auch das Leben. Dieses Ereignis soll uns vielleicht auch sagen: Nehmt nichts hin, nur weil es immer schon so war! Zeigt eure Einstellung, tut eure Meinung kund, seid mutig. Setzt euch ein für die „gute“ Sache, z.B. für Gerechtigkeit, für Frieden, für Barmherzigkeit, für Toleranz,...

Ein aktuelles Beispiel

Alexej Nawalny war z.B. so ein Mensch. Er hörte nicht auf, das autokratische russische System zu kritisieren und bezahlte dafür mit dem Tod. Freiheit ist kostbar und das wollte Herr Nawalny als hohes Gut für seine Kinder, für seine Frau, für die Menschen in seinem Land, erreichen, einfordern. Er glaubte fest daran, dass sich Dinge ändern können und er hatte den Mut, es zu versuchen. Allen Einschüchterungen zum Trotz fühlte er sich in seinen Entscheidungen frei. Seine Furchtlosigkeit hat in den Mächtigen Angst erzeugt. 

Der Eifer für Demokratie, für Gerechtigkeit treibt gerade viele Menschen auf die Straßen, was auch zeigt, dass zum Menschsein starke Emotionen gehören. Aufzustehen gegen Ungerechtigkeiten erfordert große Kräfte, die nicht nur destruktive Kräfte sind, sondern mitunter Leben-spendende!

Dieser Eifer betrifft auch uns

Kann uns der Eifer Jesu, diese Leidenschaft für Gott, anstecken? Wir könnten wahrlich so einen Eifer in unseren kirchlichen Reihen benötigen. Wo verzehrt uns „der Eifer für Gott und für sein Haus"?

Wie oft wünschen wir uns diesen leidenschaftlichen Jesus ins heute – einen Jesus der auftritt, der durchgreift, der Zeichen setzt!?

Jesu Zeichen sind im Allgemeinen so anders, so überraschend und nicht dem Mainstream entsprechend, dass es viel Mut und noch mehr Demut braucht, sie zu erkennen und für sie einzutreten. Schauen wir doch hin und setzen wir uns ein für die Sache Gottes!

Maßstab: Liebe

Gott saniert sein Haus, und baut weiter mit jedem und jeder von uns, die seine Zeichen zu erkennen versuchen und zu deuten verstehen – nur aus LIEBE. Alles andere, außer der Liebe wird rausgeschmissen! 

An dieser Stelle möchte ich gerne auf unsere Fastenreihe jeden Freitagvormittag hinweisen: „Zu LIEBEN sind wir da! – Der methodistische Weg Kirche zu sein“ von David Field. Das ist unser Thema in Salzburg für die Fastenzeit und den Jahresbeginn! 

Dieses, alles Überflüssige außer die Liebe rausschmeißen, das wünsche ich mir für mein Leben auch! Nur: Wer hilft mir bei der Unterscheidung?

Jesus befreit

Jesus geht es also um unsere „Frömmigkeit“, um unseren Glauben! Dieser ist damals, wie heute auch, oft vermarktet worden. Und damals wie heute ist es oft leichter die Geldbörse zu zücken und Frömmigkeit zu kaufen, als mit ganzem Herzen und mit all seinen Kräften Gott zu lieben und den Nächsten wie sich selbst!

Und wenn das Leichtere, dann noch von denen, die es besser wissen müssten, als Wille Gottes ausgegeben wird, geht der Glaube verloren. Das Gotteshaus wird zum Kaufhaus. Die Anbetung Gottes nimmt nicht mehr die erste Stelle ein, das Sprechen mit ihm, das Fragen nach ihm, das sich Erinnern, das Dankbar-Sein.

Wenn Jesus also eine Aktion gegen vermarkteten und dadurch falsch verstandenen, falsch gelebten Glauben unternimmt, so tut er etwas Grundsätzliches, gültig für alle Zeiten, gültig für mich und für uns alle. Er will uns zum direkten Gegenüber mit Gott befreien und wendet sich gegen alle Voraussetzungen, die wir aufstellen, ehe wir jemanden als fromm, als gläubig, anerkennen. 

Gläubig sein meint nicht nur Gottesdienstbesuch, Kollekten geben und Kirchensteuer bezahlen, meint nicht nur Bibelstudium und das Singen liturgischer Texte. 

Jesus will die Tat in Liebe

Er hat an jenem Tag im Tempel zu Jerusalem für jeden Menschen dieser Welt einen voraussetzungslosen Weg zu Gott freigemacht! Wir können wählen – ob wir diesen Weg mit ihm und für ihn gehen wollen, oder nicht. Ohne Bedingungen!

Der Angriff Jesu auf die vermarktete Frömmigkeit, den vermarkteten Glauben, hat ihn das irdische Leben gekostet: „Der Eifer um dein Haus frisst mich auf!“ und „Brecht diesen Tempel ab!“ Mit diesem Ausspruch hat er seinen eigenen Leib gemeint. Hat diesen, seinen Leib damit ausgeliefert – ausgeliefert der Gewalt, den menschlichen Emotionen, dem Hass, der Verurteilung, der Verleumdung, des Verrates. Das bedeutete auch: totalen Gewaltverzicht ! 

Nicht aber gleichbedeutend mit „Verzicht auf Zukunft“ und „Verzicht auf Gerechtigkeit“, denn nach der Aufforderung „Brecht diesen Tempel ab!“ folgen die entscheidenden Worte: „Und in drei Tagen will ich ihn aufrichten!“

Die Tempelreinigung führt ans Kreuz und zur Auferstehung

Es geht also bei dieser Tempelreinigung um eine Kreuzigungs– und Auferstehungsgeschichte. 

Es geht nicht nur um die Reinigung eines Tempels, sondern um Gottes neuen Weg – auch mit uns, mit Freunden und Feinden, mit Frommen und Gottlosen. 
Gott räumt immer wieder Mauern und Barrikaden, Hemmschwellen und Grenzen und „notwendige“ Voraussetzungen weg, die sich zwischen ihn und uns gelegt haben, damit er uns ganz nahe sein kann und wir ihm ganz nahe sein können. 

Gott schenkt diese Nähe und freut sich, wenn wir sie anderen gewähren, die mit einem Bild von vermarkteter Kirche und vermarkteter Frömmigkeit leben, sich aber nach Echtheit und Wahrheit sehnen.

Sich einsetzen für Gerechtigkeit

Der Einsatz für Gerechtigkeit ist ein zentrales Thema unseres christlichen Glaubens und analog dazu lässt sich eine echte und aufrechte Gottesbeziehung nicht vom Blick auf entrechtete Menschen trennen. So wie Dorothee uns in ihrer letzten Predigt Jesus als „politischen Menschen" vorgestellt hat.

Dass der Tempelbereich frei von unnötigem Beiwerk sein soll, ruft uns Menschen dazu auf, auf die Reinheit unserer Gottesbeziehung zu achten. Mit ihr ist der Einsatz für Recht und Gerechtigkeit untrennbar verbunden – was uns auch zu politischen Menschen macht!

Der Evangelist Johannes schrieb:

„Als Jesus auferstanden war von den Toten, dachten seine Jünger daran, dass er dies gesagt hatte und glaubten der Schrift, und dem Wort, das Jesus gesagt hatte“. Die Jünger glaubten auch der Schrift! Das heißt, sie erkannten, dass Jesus mit seinem Tod und seiner Auferstehung auch die Verheißungen der alttestamentlichen Propheten erfüllt hat

In Psalm 118 lesen wir: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.“  Da haben wir eine alttestamentliche Ankündigung desselben Wunders, mit dem Jesus seine Vollmacht bestätigte: Die „Bauleute“, die führenden jüdischen Autoritäten, haben einen „Stein verworfen“, einen „Tempel abgerissen“, Jesus dem Tod ausgeliefert. Aber nach drei Tagen ist dieser verworfene Stein „zum Eckstein“ geworden, ist „dieser Tempel aufgerichtet“ worden – ist Jesus von den Toten auferstanden. Und dieser auferstandene Jesus ist zum „Eckstein“, zum Grundstein eines ganz neuen Tempels geworden. Dieser neue Tempel ist die Christenheit, die Kirche und Gemeinden, die sich um den auferstandenen Christus sammeln und sich von ihm senden lassen. 

Jesus ist das Fundament des neuen Tempels  – für alle

Seit 2000 Jahren denken Juden und Christen in der Zeit um den 10. Sonntag nach Trinitatis an jenes Ereignis, als der Tempel von Jerusalem nach römischer Belagerung eingenommen und dann zerstört wurde. Es hat in der Geschichte der Menschheit kein vergleichbares Gebäude gegeben, das den Anspruch für sich hatte Bethaus für alle Völker der Welt zu sein, bzw. zu werden.

Dieser neue Tempel, der durch Jesu Auferstehung für uns sichtbar geworden ist, hat keine Vorhöfe und keine Verbotsschilder. 

An diesem Tempel steht nicht: „Für Heiden verboten!“ – wie es damals beim Jerusalemer Tempel der Fall war. 

An diesem Tempel steht auch nicht: „Für Juden verboten !“ – wie es in Jerusalem nach der Eroberung durch die Römer der Fall war.

An diesem Tempel steht: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken !“

AMEN

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