Keine Angst vor Neu­an­fän­gen

Glaubensimpuls

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Stefan Schröckenfuchs

Pastor, Superintendent


Festpredigt anlässlich des 75-Jahr-Jubiläums der EmK Salzburg

Predigttext 

ABRAMS BERUFUNG UND ZUG NACH KANAAN

Und der Herr sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will.  

Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.

Da zog Abram aus, wie der Herr zu ihm gesagt hatte, und Lot zog mit ihm. Abram aber war fünfundsiebzig Jahre alt, als er aus Haran zog. So nahm Abram Sarai, seine Frau, und Lot, seines Bruders Sohn, mit aller ihrer Habe, die sie gewonnen hatten, und die Leute, die sie erworben hatten in Haran, und zogen aus, um ins Land Kanaan zu gehen.

Predigt

Liebe Festgemeinde, 

als Pastorin Dorothee mich gebeten hat, anlässlich des 75. Geburtstags der EmK Salzburg zu predigen und dafür einen passenden Text zu finden, da war mir schnell klar, dass ich über Abraham sprechen möchte. 

Die Gründe dafür liegen auf der Hand: 

Als Abraham von Gott aufgefordert wurde, seine Heimat zu verlassen, war er – wie unsere Gemeinde – 75 Jahre alt. 

Als Abraham sich darauf eingelassen hat und losgegangen ist, ist er für den Rest seines Lebens ein Migrant gewesen – einer, der seine Heimat verlassen hat. Damit teilt er die Lebensumstände vieler Mitglieder der EmK in Salzburg seit ihrer Gründung, bis heute. 

Und schließlich ist Abraham – allen Höhen und Tiefen seines Lebens zum Trotz – das Vorbild des Glaubens schlechthin. Denn Abraham hat Gott vertraut, der ihm versprochen hat, ihn zu segnen. Abraham ging. So wurde er zum Segen für viele. Solchen Glauben, solches Vertrauen brauchen wir heute ganz aktuell.  

Ein paar Gedanken dazu: 

1) Ein freiwilliger Aufbruch

Es ist ja faszinierend, dass Abraham sich überhaupt auf den Weg macht. 

Abraham ist schon alt

Nach biblischer Erzählung war Abraham bereits ein alter Mann: 75 Jahre ist auch heute nicht mehr ganz jung; und für seine Zeit war er wirklich schon außergewöhnlich alt. 

Dabei hatte er eigentlich gar keine Not wegzugehen. Abraham war etabliert: Er war verheiratet und verfügte über einen ansehnlichen Besitz. Das einzige, was ihm fehlte, war ein Nachkomme – ein Kind. Aber das ist eigentlich kein Grund, in hohem Alter die Sicherheit der Heimat zu verlassen. 

Abraham hört – und geht

Abraham aber hörte Gottes Ruf, seine Heimatstadt zu verlassen; ein Ruf, der ihm verspricht: Ich will dich segnen – und du sollst für andere ein Segen sein. Das genügt ihm: Er packt sein Hab und Gut und macht sich auf den Weg. 

Das Wagnis eines Lebens auf der Grundlage des Vertrauens beginnt. Wer die Geschichte liest, ahnt: Es steht viel auf dem Spiel. Weiß sich Abraham am Ende wirklich von Gott gesegnet – oder steht er am Ende womöglich blöd da?

Nun, ich denke, ihr kennt seine Geschichte – und wenn nicht: Lest sie einfach im ersten Buch Mose, ab Kapitel 12, nach. 

2) Kein freiwilliger Aufbruch

Die Methodisten in Salzburg

Als die ersten Methodist*innen vor 75 Jahren nach Salzburg kamen, war die Situation etwas anders. 

Niemand von ihnen hat freiwillig die Heimat verlassen. Der Krieg mit all seinen Schrecken hat sie dazu gezwungen neu anzufangen. Sie konnten gar nicht anders als wieder von vorne anzufangen.

Doch sie haben diesen Neuanfang nicht ohne Gott gemacht: In der neuen Heimat haben sie rasch eine neue Gemeinde gebildet. Diese Gemeinde ist in den vergangenen 75 Jahren zum Segen für viele geworden. Auch für mich. 

3) Die Methodisten in Cluj

Die Anfänge unserer Gemeinde erinnern mich an etwas, das ich gerade erst erlebt habe: Vor zwei Wochen war ich zu Besuch in der Methodistenkirche in Cluj in Rumänien. Rumänien ist ja ein unmittelbares Nachbarland der Ukraine; und so ist es nicht verwunderlich, dass viele Ukrainer*innen dort Zuflucht gesucht haben. Die Methodisten in Rumänien haben darauf sofort reagiert. 

So konnte ich in Rumänien drei sehr interessante Personen kennenlernen: 

Die ukrainische Musikerin 

Die erste war eine junge ukrainische Musikerin. Sie hat erzählt, dass sie in der Ukraine sehr erfolgreich war – mit eigenem Tonstudio, Konzerten, usw. Als der Krieg kam, musste sie, wie viele andere, fliehen. 

In Cluj hat sie nach einiger Zeit realisiert, wie viele Kinder es dort gibt, die mit ihren Müttern ebenfalls geflohen waren. Alle diese Kinder hatten traumatische Erlebnisse hinter sich; und allen hat die Struktur von Schule und Alltag gefehlt. Da ist ihr die Idee gekommen, mit diesen Kindern Musikworkshops zu machen. Daraus ist in kurzer Zeit ein großartiges Projekt geworden, das es bis in Musik-Shows des rumänischen Fernsehens geschafft hat. 

Die junge Russin 

Die zweite Person, die ich kennengelernt habe, war eine junge Frau aus Russland. Sie hatte vor dem Krieg als Missionarin in der Ukraine gearbeitet. Als ihre eigenen Landsleute die Ukraine überfallen haben, musste auch sie aus der Ukraine fliehen. In Cluj angekommen, hat sie begonnen sich bei einem Projekt der örtlichen EmK zu engagieren, das sich um vertriebene Jugendliche kümmert. 

Erst später wurde ihr klar, dass ihr Engagement für ukrainische Flüchtlinge ihr die Möglichkeit zur Rückkehr in ihre Heimat, nach Russland, auf lange Zeit verbauen würde. Dennoch, sagt sie, würde sie es sofort wieder so machen. 

Der junge Amerikaner 

Der dritte war ein junger Mann aus den USA. D.h. er ist in den USA geboren, hat aber den Großteil seiner Kindheit in der Ukraine verbracht, wo seine Eltern als Missionare tätig waren. Als er erwachsen wurde, ging er zurück in die USA, um zu arbeiten und Geld zu verdienen. 

Doch als der Krieg ausgebrochen ist, hat es ihm keine Ruhe gelassen. Er wusste: Ich kann nicht einfach hier in den USA bleiben und so tun, als ginge mich das alles nichts an. Auch er ist jetzt in der EmK in Cluj und organisiert eine Jugendgruppe, die aus Ukrainern und Rumänen besteht. Gemischt, denn er ist überzeugt, dass die geflüchteten Jugendlichen in Rumänien nur Halt finden können, wenn sie mit rumänischen Jugendlichen zusammenkommen. 

Alle drei – die Ukrainerin, die Russin und der Amerikaner – haben ihre Heimat aufgegeben. Teils unfreiwillig – oder wegen eines inneren Rufs. 

Vertrautes loslassen, neues gewinnen

Was mich an ihren Geschichten am meisten bewegt hat, das war, dass sie alle glaubwürdig zu verstehen gegeben haben, dass sie durch ihre neue Aufgabe an ihrem neuen Ort mehr gefunden und gewonnen haben, als sie zurückgelassen haben. 

Die ukrainische Musikerin hat es in etwa so ausgedrückt: „In meinem alten Leben war ich auf mich selbst gestellt und musste mich gegen andere behaupten. Heute weiß ich: Ich bin nicht allein. Wir bilden eine Gemeinschaft, in der Gott uns trägt.“

Heimat aufgeben heißt: Sicherheit aufgeben, Vertrautes loslassen. Das ist schmerzlich. Und es ist riskant. Denn keine Frage: Nicht immer gehen die Geschichten so aus wie die dieser drei jungen Menschen aus Cluj. 

Dennoch hat mir ihr Beispiel gezeigt: Die Heimat, das Vertraute, das „Sichere“ aufzugeben, muss nicht zwingend heißen, mehr zu verlieren, als es zu gewinnen gibt. Loszulassen kann auch die Chance bieten, un-verdienten Segen zu erfahren – und zum Segen für andere zu werden. Und das ist ein großes Glück.

Genau das ist die Zusage der Geschichte von Abraham: Er ließ die Sicherheit der Heimat los, weil er es Gott zutraute, dass Gott Segen schenken wird. So wurde er zum Segen für andere. 

Ich vermute, die ersten Methodist*innen in Salzburg haben eine ähnliche Erfahrung gemacht. 

3)Ein besonderes Jubiläum

Die EmK Salzburg ist jetzt Gemeinde 75 Jahre alt geworden. 

Vor einigen Jahren ist sie auch wieder ein Stück „heimatlos“ geworden, als man die Neutorstraße verlassen hat, um hier in der Diakonie als Gast einzuziehen. Die Verlockung ist nah, hier wieder sesshaft werden zu wollen und es sich bequem und sicher einzurichten. 

Unser Auftrag ist jedoch ein anderer: Wir sind nicht berufen, es uns bequem einzurichten und uns gegen alle Risiken abzusichern. Sondern wir sind berufen, offen zu bleiben – offen dafür, dort hinzugehen, wohin Gott uns führt. Offen dafür, von Gott gesegnet zu werden – damit wir zum Segen werden. 

Zum Offen Sein gehört das Loslassen und Nicht-Festhalten wesentlich dazu. 

Versteht das bitte nicht falsch: Ich will damit nicht andeuten, dass wir für die Gemeinde wieder andere Räumlichkeiten suchen sollten. 

Ich glaube jedoch, dass wir alle – und damit meine ich tatsächlich alle Menschen, jedenfalls in der westlichen Welt – wieder neu lernen müssen, loszulassen, Neues zu wagen, und uns von dem zu verabschieden, was uns bequem und sicher erscheint. 

Ein Jubiläum mitten in der Krise 

Unsere Welt befindet sich derzeit in einer massiven Krise. 

Kriege, ungleiche Verteilung des Wohlstands, und allem voran die dramatische Veränderung des Klimas zeigen uns deutlich, dass ein „Weitermachen wie bisher“ einfach nicht mehr geht. 

Die Verlockung ist groß, an dem festhalten zu wollen, was uns in den vergangenen Jahrzehnten Sicherheit gegeben hat. Wer das nötige Geld hat, kann derzeit auch noch einigermaßen so tun, als gäbe es gar kein Problem. So kommt es zu dem Paradox, dass viele sich an eine Lebensweise festklammeren, von der wir doch eigentlich längst wissen, dass sie zum Untergang führt. Aber so sind wir Menschen nun einmal: Lieber klammern wir uns an einem vertrauten Übel fest, als dass wir den Sprung ins Neue wagen würden. 

Unsere kleine Gemeinde hier in Salzburg hat jedoch schon oft die Abrahamserfahrung gemacht: die Erfahrung, dass, wer sich auf Gottes Wort hin von Vertrautem löst und den Weg ins Neue wagt, Gottes Segen erfahren kann – und zum Segen für andere wird.

Abrahamserfahrungen als Auftrag

Diese Abrahamserfahrung ist nicht nur eine Ressource. Sie ist auch ein Auftrag: Ein Auftrag, vertrauensvoll voranzugehen; auch, wenn es darum geht, sich von bequemen und vermeintlich sicheren Lebens- und Verhaltensweise zu lösen.

Unsere Gesellschaft braucht die Bereitschaft zur Umkehr: Wir alle werden lernen müssen, unser alltägliches Leben neu zu ordnen. Mobilität, Konsum, Freizeit, Arbeit … es betrifft alle Bereiche.

Das ist sehr herausfordernd. Und doch: lassen wir uns davon keine Angst machen!

Lasst uns mutig vorangehen, wenn es darum geht, Neues zu wagen! Lasst uns ein Vorbild darin sein, Neuanfänge als Chancen wahrzunehmen: als Einladung Gottes, sich auf den Weg zu machen in ein Land, das er selbst uns erst noch zeigen wird. 

Im Vertrauen, dass Gott selbst uns auf diesem Weg segnen wird – und uns zum Segen machen kann für viele! 

In diesem Sinn wünsche ich euch, wünsche ich uns allen: Bleibt offen! Bleibt auf dem Weg! Und vertraut auf unsern Gott! 

Amen 

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