Das Ein­gangs­tor zum christ­li­chen Weg

Glaubensimpuls

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Esther Handschin

Pastorin, Erwachsenenbildung


Predigt zu den Seligpreisungen, Matthäus 5,1-12

Anfänge

Die ersten Anfänge hat Jesus hinter sich gelassen: Johannes hat ihn getauft. Dem Teufel als seinem Versucher hat er mit seinen Antworten und Bibelzitaten Kontra gegeben. Er hat Nazareth verlassen, der Ort an dem er aufgewachsen ist, und er ist nach Kapernaum übersiedelt. Der Bevölkerung von Galiläa hat die erste Ansage bekommen, um was es Jesus geht: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.“ Die ersten Jünger sind berufen und als Mitarbeiter gewonnen.

Das Lehren in den Synagogen von Galiläa, das Predigen des Evangeliums und das Heilen kranker Menschen hat Jesus weit bekannt gemacht, nicht nur in Galiläa. Eine große Menge folgt ihm nach aus allen Landesteilen, aus der sich die römische Provinz Judäa zusammensetzt.

Und was nun? Wie geht es weiter? Was brauchen die Menschen jetzt von Jesus? Sie sind erwartungsvoll. Jesus hat sich einen Namen gemacht. Er ist bekannt geworden. Deshalb sind sie nun zusammengekommen, um ihn zu hören.

Jesus predigt auf dem Berg

Was hat er ihnen zu sagen? Welches Programm wird er für das Himmelreich, von dem er gesprochen hat, entwerfen? Jesus geht auf einen Berg. Er wird für alle sichtbar. Viele Menschen sitzen um ihn herum. Sie sind gespannt auf das, was er ihnen sagen wird, und seine Jünger ebenso.

Der Evangelist Matthäus entfaltet ein großartiges Szenario für die erste Rede Jesu, großes Kino könnte man sagen: Jesus auf dem Berg und viele Menschen, die ihm zuhören. Matthäus wird dieser ersten Rede noch vier weitere Reden Jesu folgen lassen. Fünf sind es insgesamt. Fünf Reden, ähnlich den fünf Büchern Mose. Denn Matthäus sieht Jesus als den neuen Lehrer, den Lehrer des Himmelreiches.

Seine erste Rede wird nach dem Ort benannt, an dem er sie hält: „Bergpredigt“ Und in manchem sind die Worte Jesu fast wie eine Bergtour. Wer sich auf das Himmelreich einlässt, dessen Lebensreise wird kein Spaziergang werden. Es wird Durststrecken geben. Es wird steile Abschnitte geben, hinauf oder hinunter. Manche Wege sind kaum zu erkennen. Manchmal fehlt ein Wegweiser, der die klare Richtung vorgibt. Dann gilt es, dem Wort zu folgen, das Jesus in die Herzen der Menschen gelegt hat. Aber alles in allem gibt die Bergpredigt eine erste Orientierung, wie ein Lebensweg mit dem Ziel „Himmelreich“ gelingen kann.

Anleitung zum Leben in menschlicher Gemeinschaft …

Denn in der Bergpredigt äußert sich Jesus zu einem Leben im christlichen Geist und unter seiner Führung. Auf der einen Seite macht er Angaben zum Umgang mit anderen Menschen. Wie versteht er die Gebote: Du sollst nicht töten!, Du sollst nicht ehebrechen! Du sollst nicht falsch Zeugnis reden! Was heißt es, nicht nur den Nächsten, sondern auch den Feind zu lieben?

… und mit Gott

Auf der anderen Seite gibt Jesus Anregungen, wie man das geistliche Leben in Beziehung zu Gott gestalten kann. Er spricht über das Geben von Almosen, über das Beten und das Fasten und darüber, was wahrer Reichtum bedeutet. Bei Jesus gehört beides zusammen: die Mitmenschen und Gott, beiden soll unsere Liebe gelten. So wird es Jesus später noch einmal zusammenfassen, wenn er eine Antwort auf die Frage nach dem höchsten und wichtigsten Gebot gibt: Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst. (Matthäus 22,36-40)

Doch gehen wir zurück an den Anfang. Was steht am Beginn der Bergpredigt? Wie gewinnt Jesus die Menschen für ein Leben, das entsprechend dem Himmelreich gestaltet werden soll?

Das Eingangstor

Das Eingangstor dazu sind Worte, die nicht belehren oder auffordern oder zurechtweisen. Das Eingangstor ist ein großer und langer Zuspruch. Es ist ein Trost für Menschen, die es nicht leicht haben im Leben. Es ist eine Einladung an alle, die im Schatten leben müssen. So könnte man die verschiedenen Seligpreisungen zusammenfassen, die am Anfang der Bergpredigt stehen.

Wer wird da selig gesprochen? Und was bedeutet eigentlich der Begriff „selig“? Es geht um Arme, Leidende, Sanftmütige, Hungernde: Das klingt nicht danach als wären das die Gewinner, die Sieger, die Starken. Im Gegenteil: Hier werden diejenigen selig gepriesen, die zu den Verlierern gehören, ja die man eigentlich die Verfluchten nennen könnte, weil sie zu den Schwachen der Gesellschaft gehören.

Sie erleben es tagtäglich: Verflucht ist, wer arm ist und kein Geld hat. Denn er ist nicht nur knapp bei Kasse, sondern hat auch ein höheres Risiko krank zu werden und eine geringere Chance auf Bildung. Verflucht ist, wer Leid zu tragen hat. Denn heute zählt nur, wer glücklich dreinschaut und das Leben leicht nehmen kann. Verflucht ist, wer Sanftmut übt. Denn um zu überleben braucht es Durchsetzungsvermögen und Durchschlagskraft, aber bestimmt keine Sanftmut. Verflucht ist, wem Gerechtigkeit ein Anliegen ist, denn er oder sie wird damit nicht auf einen grünen Zweig kommen. Etwas Korruption, etwas Schwarzarbeit, etwas Mogeln beim Steuern bezahlen wird doch wohl noch erlaubt sein.

Verflucht oder selig?

Verflucht ist … nein, so beginnen die Seligpreisungen gerade nicht. Vielmehr sagt Jesus den Verfluchten, den Verliererinnen, denen, die in dieser Welt nichts zu vermelden haben, zu: Selig seid ihr, mit Gottes Wohlgefallen dürft ihr rechnen, glücklich zu preisen seid ihr, das Heil gehört euch, unüberbietbares Glück wird euch zu teil. Das sind alles Versuche, das Wort „selig“ zu übersetzen.

Manche werden sich jetzt an den Kopf greifen: Wie verkehrt doch Jesus alles darstellt! Das stellt ja alles auf den Kopf! Ausgerechnet die, die nichts vorzuweisen haben, sollen diese Verheißungen und Zusagen erhalten? Ihnen gehört das Himmelreich, sie erfahren Trost, sie werden das Erdreich besitzen, sie werden satt, erlangen Barmherzigkeit, werden Gott schauen und sind Kinder Gottes.

Hier erfahren wir ein Stück weit, was dieses schwer zu fassende Wort „selig“ meint. Wer selig genannt wird, hat Teil an dem, was Gottes Welt prägt und was ganz in seinen Herrschaftsbereich gehört: Bei Gott ist das Himmelreich ganz gegenwärtig, bei ihm ist Trost zu erfahren, da sind die Menschen Gottes Kinder und sie werden Gott selbst schauen.

Selig hier und jetzt

All dies sind Zusagen, die nicht erst in einer anderen Welt gelten. Sie werden im Hier und Jetzt ausgesprochen und gelten den Menschen von damals und von heute. Wer selig genannt wird, der erfährt schon jetzt ein Stück von Gottes Welt, von seinem Reich. Selig ist, wer sich Gottes Gnade für seine Situation — und sei sie noch so verflucht — zusagen lässt. Selig ist, wer sein Leben in dieses Licht stellt und von da her bescheinen lässt.

Wenn man so will, dann könnte man auch sagen: Die Seligpreisungen sind die Energieriegel für diejenigen, die schon am Anfang der Lebenswanderung sagen: „Das schaff ich nie!“ Die Seligpreisungen sind die Motivationsspritze für die Benachteiligten, die Looser und die Frustrierten, die in ihren Leben immer wieder wo anrennen, gegen Windmühlen kämpfen und drohen auszubrennen. Die Seligpreisungen machen all jenen Mut, die am liebsten alles hinschmeißen würden oder schon aufgegeben haben.

Der Text der Seligpreisungen lädt dazu ein, dass er fortgeschrieben und in unsere Zeit übersetzt wird. Wo sind die Armen, Leidenden, Sanftmütigen und Hungernden unserer Zeit? Wer sind die Menschen, denen die Luft zum Atmen ausgeht, die müde und matt sind, die mühselig und beladen sind? Wer braucht heute den Zuspruch von Hoffnung und Mut, von Kraft und Zuversicht?

Ohne Bedingungen

Nicht alle Versuche, die Seligpreisungen fortzuschreiben, sind auch gelungen. Die Zusagen Jesu sind bedingungslos. Er spricht zu denen, die jetzt leiden, die jetzt hungern, die jetzt barmherzig sind. Manche Übertragungen sind jedoch so formuliert, dass man eine Bedingung heraushören kann: Erst wenn du leidest, wirst du getröstet. Erst wenn du Barmherzigkeit übst, wirst du Barmherzigkeit erfahren. Erst wenn du einfach lebst, Güte wagst, Frieden machst, wird man dich selig nennen. So formuliert legt man den Menschen aber nur eine weitere Last auf und macht ihnen das Leben mit Jesus beschwerlich. Jesus jedoch will uns nicht zusätzlich belasten. Er sagt:

Mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

Jesus
Matthäus 11,30

Wer ist geeignet für das Himmelreich?

Die Bergpredigt ist eine Anleitung zum Leben für diejenigen, die bereit sind, das Himmelreich Wirklichkeit werden zu lassen. Manche haben die Bergpredigt auch das Regierungsprogramm Jesu für das Himmelreich genannt. Doch Jesus muss verrückt sein, wenn er ausgerechnet mit den Menschen das Himmelreich aufbauen will, die mit den Seligpreisungen einen Zuspruch erhalten. Das spricht nicht für eine schlagkräftige Truppe, die auf dem Markt der Weltanschauungen erfolgreich sein könnte. Und das hat man gelegentlich dem christlichen Glauben vorgeworfen. Er sei bloß etwas für Verlierer, Weicheier und Schwächlinge.

Wer jedoch nur auf die Erfolgreichen, Starken und Mächtigen baut, lässt diejenigen zurück, die wichtige Qualitäten für das Himmelreich mitbringen. Es sind Menschen, die gelernt haben auf Gott zu vertrauen und nicht auf die eigenen Kräfte. Es sind Menschen, die Mitgefühl zeigen können, weil sie selbst erfahren haben, was Leid und Schmerz bedeuten. Es sind Menschen, deren Hoffnung und Zuversicht stark ist, weil sie spüren, dass sie dadurch getragen sind. Es sind Menschen, die wissen, dass ihre Hilfe bei dem ist, der Himmel und Erde gemacht hat.

Jesus setzt darum nicht auf die Perfekten und diejenigen, die alles können. Er nimmt die Menschen so, wie sie sind, mit ihren Fehlern, mit ihren Schwächen, mit ihrer Tendenz auszuweichen oder mit ihrer fehlgeleiteten Energie. Er nimmt sie und zeigt ihnen neue Wege auf, wie gerade aus ihren Defiziten und mit dem Vertrauen auf Gott Neues entstehen kann. So wirkt er mit uns Gottes Reich in dieser Welt.

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