Warum? – Kar­frei­tag

Glaubensimpuls

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Frank Moritz

Lokalpastor EmK Schweiz


Der Tag an dem Gottes Liebe sichtbar wird.

Man kann ja bekanntlich nur für sich selbst sprechen, aber für mich ist der heutige Tag und sind die heutigen Lesungen eine Zumutung. 
Und ich meine das gar nicht negativ oder vorwurfsvoll, sondern als eine ernstgemeinte und aufmerksame Feststellung: 
Einmal im Jahr wird uns zugemutet, dass wir das Leiden und Sterben Jesu ganz nah an uns heranlassen. So nah und so ausführlich, wie wir das sonst im übrigen Jahresverlauf nie tun. Nur einmal – und zwar zum Karfreitag – lassen wir uns auf die volle Wucht der Passion Jesu, also auf den letzten Weg Jesu bis ans Kreuz, ein. Und das kann, und wird hoffentlich, eine ganze Bandbreite an Gefühlen in uns auslösen.

Nachdem auch dieser Satz eine Wertung, nämlich meine Wertung darstellt, muss ich vielleicht schon hier etwas dazu sagen: Meiner Ansicht nach braucht es den Karfreitag notwendigsterweise um Ostern feiern zu können. 

Ohne Ostern, wäre der Karfreitag eine Sackgasse, ein Scheitern des Guten – so wie die Welt es tausendfach gesehen hat – und nicht die Geburtsstunde einer Weltreligion. 
Aber ohne den Karfreitag hätte es kein Ostern gegeben. Zumindest nicht das Ostern das wir kennen oder das Geschehen für das Ostern steht. Die beiden Ereignisse sind also ganz eng miteinander verbunden. Ich glaube, das steht außer Frage.

Zumindest für mich ist und bleibt es auch nach vielen, vielen Jahren, an denen ich Karfreitag und Ostern feiere, eine echte Herausforderung. Selten werde ich in so kurzer Zeit gefordert, mich von abgrundtief trauernd auf himmelhoch jauchzend einzulassen. Es ist und bleibt ein großes Nebeneinander der absoluten Gegensätze. Nacht und Tag, Trauer und Freude, Ende und Anfang.

Aber – und das kann ich jetzt auch wieder mit einigen Jahrzehnten an Erfahrung sagen – aber dieses Nebeneinander der Gegensätze ist für mich wichtig.

Auch wenn ich den Karfreitag jedesmal aufs Neue anstrengend finde. Auch wenn ich mich im Vorfeld vor der Traurigkeit fürchte. Auch wenn es einfach ist, was es ist: Ein Hören, ein Spüren, ein Wahrnehmen und sich Einlassen auf Leid, Schmerzen und Tod.

Es gibt für mich viele Gründe, mich auf diese Trauer an Karfreitag einzulassen. Ich glaube, der wichtigste Grund ist für mich die Liebe, die ich in diesem letzten Weg von Jesus spüren kann. Die Liebe die Jesus für uns Menschen, also auch für mich, hat und weswegen er bereit war, dies alles auf sich zu nehmen. Das Leid und die Schmerzen wahrzunehmen bewahrt mich so vor einer billigen Gnade, wie Bonhoeffer das genannt hat. Was ist mit billiger Gnade gemeint? 

Die Erlösung, die Christus für mich und für uns erwirkt hat, ist nicht etwas, das man billig und beiläufig mitnehmen kann. So wie man etwa beim Einkaufen, noch schnell 2 oder 3 Dosen Tomaten in den Einkaufswagen wirft, weil die billig sind, ewig halten und man die eh dauernd brauchen kann.

Nein: Die Erlösung, die Christus durch seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung erwirkt, beginnt dann zu glänzen, wenn mir bewusst wird, dass er das für mich getan hat. Dass ich sonst am Kreuz hängen müsste für meine Schuld. Oder dass ich auf ewig verloren wäre.

Wie gesagt, es gibt viele Gründe sich auf Karfreitag einzulassen und meinen wichtigsten Grund habe ich genannt. Heute möchte ich euch noch drei andere Gründe oder Zugänge zum Karfreitag vorstellen. Denn so unterschiedlich wie wir alle sind, so unterschiedlich sind auch die Lebenssituationen, in denen wir uns befinden. 

Drei Annäherungen also zu den Stichwörtern Opfer, Schmerz und dem Warum.

Ein wichtiger und meines Erachtens gut beschriebener Zugang zum Karfreitag und dem Stichwort Opfer wird im Hebräerbrief geschildert. 
Und auch wenn ich mich der theologischen Strömung anschließe und beim Kreuzestod lieber von Hingabe als von Opfer sprechen und denken möchte, so bleibt doch unbestritten, dass mit dem Kreuzesgeschehen die Tieropfer aufhören. Und der Hebräerbrief liefert dafür eine gute Begründung. Der Unterschied zwischen dem Tieropfer der Priester und dem Opfer von Christus, liegt in der Freiwilligkeit. Ein Tier kann sich nicht entscheiden, ob es geopfert wird oder nicht. Christus schon, denn Jesus entscheidet sich, den Willen des Vaters zu tun. Wir erinnern uns an das Ringen von Jesus im Garten von Getsemane: „Vater, dir ist alles möglich. Lass diesen bitteren Kelch an mir vorübergehen. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ (Mk 14,36) Unabhängig, ob wir das Kreuzesgeschehen als Opfer oder Hingabe deuten, so bleibt doch die Wahrnehmung, dass an Karfreitag etwas ganz und gar Neues passiert. Und dieses Neue ist das universale Opfer oder die universale Hingabe, die ein und für alle Mal geschieht. Eine Handlung, die nicht mehr wiederholt werden muss, sondern wo Gott einen neuen Weg einschlägt. Einen Weg, der mit der Person Jesus verbunden ist. Jesus öffnet den Weg zu einem Leben mit Gott. Für alle also, die Karfreitag etwas nüchterner begehen möchten, wäre das ein Zugang, der die Bedeutung von Karfreitag aus einer anderen Perspektive betrachtet und sichtbar macht.

Der nächste Zugang, den ich anbieten möchte, ist eine Reflexion über den Schmerz. 

Der Schmerz oder die Schmerzen, die an Karfreitag auf mehreren Ebenen sichtbar werden. Der körperliche Schmerz in Form der Geißelung, der Dornenkrone und natürlich der Kreuzigung. Aber auch der seelische Schmerz der Erniedrigung, des Alleinseins und der Ablehnung. Und natürlich kann man Schmerz als etwas Unerwünschtes, Unnötiges oder zumindest nicht Erstrebenswertes betrachten. 
Aber verhält es sich nicht ähnlich, wie bei meinem Beispiel zur billigen Gnade? 
Ist es nicht der Schmerz, der die Liebe sichtbar macht?

Wenn jemand krank ist oder stirbt – ist es nicht der Schmerz, der uns zeigt, dass wir auch wirklich geliebt haben? Der spürbare, innerliche Beweis, dass mir jemand wichtig ist?

Ich denke, das negative Gegenüber von Schmerz ist die Gleichgültigkeit. Und die Gleichgültigkeit ist der wahre Tod. Der Schmerz aber gehört zum liebenden Leben.

Jedenfalls bewahren uns die kleinen und großen Schmerzen im Leben davor, alles als selbstverständlich hinzunehmen. Schmerzen lassen uns erkennen, wie kostbar und wertvoll beispielsweise gesunde Zeiten sind. Und damit können uns Schmerzen zur Dankbarkeit führen. Auch ein Zugang zum Karfreitag und weshalb dieser Tag wertvoll ist.

Mein letztes Angebot zum Karfreitag kreist um die Frage nach dem Warum: Warum hat Jesus soviel leiden müssen? Warum musste Jesus sterben? Warum braucht es das Kreuz für die Versöhnung oder den neuen Zugang zu Gott? Warum, warum.

Es ist ein beliebtes Spiel von Kindern, wenn ich mich recht erinnere von Kindern zwischen 5 und 10 Jahren, dass sie auf alles, was man sagt „warum?“ fragen. Dies ist ein Tisch. Warum? Die Banane ist gelb. Warum? Ich muss aufs Klo. Warum? Mir geht’s grad nicht gut. Warum? Ich bin der Meinung Putin sollte den Krieg beenden. Warum? Es gibt nichts, worauf man kein „warum“ folgen lassen kann. Wer sich darauf einlässt, wird feststellen, dass es dazu kein Ende gibt.
Unabhängig von diesem Kinderspiel kann man glaube ich festhalten, dass Warum-Fragen die schwierigsten Fragen sind, die wir Menschen kennen. Oft können unsere Antworten nur eine Annäherung oder ein Versuch sein. Und es gibt tatsächlich Warum-Fragen, auf die können wir Menschen, wenn wir ehrlich sind, schlicht und einfach keine Antwort geben. Warum ist die Welt entstanden? Warum ist die Erde 12 742 km im Durchmesser und nicht 12 743 km? Warum ist die Banane gelb und nicht beige oder orange oder nicht blau? 

Es gibt Bereiche des Lebens, wo wir mit „warum“ nicht weiterkommen. Weil es darauf keine Antwort gibt. Keine, die wir Menschen geben können.

Anstelle also zu fragen, warum musste Jesus leiden, könnte man also dazu übergehen zu fragen, was will Gott mir damit zeigen? Anstatt zu fragen, warum musste Jesus sterben, wäre vielleicht die Frage hilfreich: Was kann Jesu Tod für mein Leben bedeuten? Und schon Paulus hat festgestellt, dass das Kreuz für manche Unsinn und für manche eine Gotteslästerung ist. Um gleich danach festzuhalten, dass viele Menschen das Kreuz als Inbegriff von Gottes Kraft erlebt haben. (1. Korinther 1,18 bzw. 23) Auch das also ein Zugang zum Karfreitag. Nicht das „Warum ist das so?“ ist die zielführende Frage, sondern „Was hat das für eine Bedeutung oder Auswirkung auf mein Leben?“

Karfreitag, das wird man festhalten müssen, ist keine leichte Kost. Auch mit den heute von mir angebotenen Zugängen nicht. Und ich glaube, das liegt an dieser inneren Verbindung zwischen dem, was Christus tut, und dem, was das mit mir zu tun hat. Jesus macht das für dich. Er macht es für mich. Und das berührt uns – wenn wir uns darauf einlassen.

Ostern ist der Sieg, der Tag der Auferstehung, das Happy End. Der Tag an dem Gottes Plan sichtbar wird. Natürlich ist Ostern wichtig, weil damit der Tod nicht das letzte Wort hat. Und es kein Scheitern, sondern eine Vollendung von Jesus ist.

Aber am Karfreitag geht Jesus den Weg ans Kreuz wegen unserer Schuld. Und damit ist und bleibt Karfreitag der Tag der berührenden Liebe Gottes. 

Amen. 

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