Störung hat Vorrang - eine Weih­nachts­bot­schaft!

Glaubensimpuls

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Dorothee Büürma

Pastorin, Erwachsenenbildung


Eine etwas andere Perspektive zur Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium

Weihnachts-Pläne

Kennt ihr das Gefühl, wenn man sich etwas ganz Schönes ausdenkt? Wenn man plant und überlegt, wie man alles ganz besonders dafür herrichten soll?
Wenn man sich viel Zeit genommen hat, Dinge vorzubereiten und sich Gedanken gemacht hat, wie dieser besondere Moment dann sein wird?
Und dann passiert etwas, das den geplanten Ablauf unterbricht. Eine Störung unserer Pläne. Das kann alles Mögliche sein, aber es lenkt unsere Aufmerksamkeit ab.

Störung hat Vorrang

Die Psychoanalytikerin und Psychologin Ruth Cohn hat daraus den Grundsatz „Störung hat Vorrang“ entwickelt. 
Wenn wir nun feststellen, dass Störungen und leidenschaftliche Gefühle im Leben Vorrang haben, dann erkennen wir die Wirklichkeit unseres Lebensumfeldes an. Wir verstehen die Tatsache, dass unsere lebendigen, gefühlsbewegten Körper und Seelen uns zu Gedanken und Handlungen veranlassen, die wir vielleicht gar nicht eingeplant hatten.

Störungen im Alltag

Mir ist das gestern wieder aufgefallen:

Ich war dabei, den heutigen Gottesdienst vorzubereiten und hatte mir vorgenommen, das alles gestern Vormittag im Büro fertigzustellen. Als ich mit meiner Tasse Kaffee von der Wohnung ins Büro gehen wollte, stand der Hausmeister vor der Tür: wieder mal ein Einbruch im Keller. Wir riefen also die Polizei und ich verbrachte mehrere Stunden gestern damit, zu versuchen die defekte Haustür am Tag vor dem Heiligen Abend noch irgendwie reparieren zu lassen.
Eine unerwartete Störung all meiner friedlichen Vorbereitungspläne. 

Euch ist das sicher in den letzten Tagen und Wochen auch oft passiert, dass ihr etwas geplant hattet und es dann ganz anders kam. Familien mit Kindern können ein Lied davon singen, wie oft in letzter Zeit irgendein Virus oder Infekt die Pläne durchkreuzt und das Familienleben lahm gelegt hat. Unerwartet kommt anscheinend oft zur Zeit…

Der vorweihnachtliche Stress

Und dann ist ja noch das Weihnachten-Feiern selbst, das uns allen bevorsteht. 
Da werden Geschenke gekauft oder gebastelt und eingepackt, 
da werden Kekse gebacken und kostbare Gerichte vorbereitet fürs große Festmahl,
da wird das Haus dekoriert und der Weihnachtsbaum aufgestellt,
da wird am Heiligen Abend noch schnell zum Einkaufen gehetzt, weil man etwas vergessen hatte,
und es muss alles irgendwie schnell gehen, damit dann die Feier auch richtig schön werden kann.

Geht es euch auch so, dass die Weihnachts-Vorfreude ganz schön anstrengend sein kann? Dass es doch immer wieder recht stressig ist, was da alles geplant ist?

Der Stress in der weihnachtlichen Runde

Und wenn man nach all dem Stress endlich am Feiern ist mit der Familie oder den Nachbarn oder Freunden, dann passiert es oft, dass man sich nach nichts mehr sehnt als nach Ruhe und Frieden. Aber stattdessen stellen wir fest, dass die Erwartungen und Pläne der Gäste vielleicht gar nicht die gleichen waren; oder dass sich einfach nicht alles unter einen Hut bringen lässt; dass die friedliche Stimmung umschlägt, weil sich Meinungsverschiedenheiten schnell in Streitgespräche umwandeln. 

Weihnachten ist ein Fest der Störungen

Weihnachten scheint bei vielen sowohl ein Fest der großen Pläne und Erwartungen zu sein, als auch ein Fest, an dem diese oft durchkreuzt werden und Störungen auftreten.

Und dieses Jahr fiel es mir im eigenen Chaos wie Schuppen von den Augen:
Natürlich ist genau das ein Kennzeichen von Weihnachten! Störungen gehören ganz klar dazu.
Pläne werden über den Haufen geworfen. Das ist Weihnachten. 
Nichts ist wie erwartet – auch das ist absolut der Kern der Botschaft von Weihnachten.

Störungen im Weihnachtsevangelium

Vielleicht fällt es euch auch auf, dass die Geschichte, die wir als Weihnachtsevangelium gehört haben, auch voller unerwarteter Störungen und Planänderungen ist:

Da war schon einmal die unerwartete Schwangerschaft von Maria und die Botschaft dass sie Gottes Sohn zur Welt bringen würde – also wenn das nicht schon mal der Ausgangspunkt einer riesigen Störung ist!!

Und dann der plötzliche Aufruf, nach Bethlehem zu reisen wegen des Zensus des Herrschers – auch das kam überraschend. Und noch zum Zeitpunkt, als das Kind geboren werden sollte – ich bin mir sicher, dass die Geburtsvorbereitungen und Erwartungen von Maria nicht vorgesehen hatten, das Kind unterwegs zur Welt zu bringen. Zu Hause wäre das Ganze doch viel einfacher gewesen. Immer wieder kommt es bei Josef und Maria anders als geplant.

Auch die Hirten ließen sich von den Engeln stören mit der frohen Botschaft und eilten zum Kind. 

Es scheint, als ob in der Weihnachtsgeschichte Gott durch die Störungen den Menschen die Augen öffnet und ihnen in unerwarteten Situationen ganz nahe kommt. Und wir lesen, dass sich genau da große Freude ausbreitet. 

Störungen sind wichtig

Und ich frage mich: Brauchen wir Menschen vielleicht immer wieder Unterbrechungen? Damit wir unseren Alltagstrott und unsere Routinen bewusst unterbrechen, um uns ganz neu Gedanken machen zu können und ganz neue Dinge zu entdecken?
Vielleicht sind diese Störungen Gottes Art, uns die Augen immer wieder neu zu öffnen für die Menschen um uns herum.
Vielleicht geht es im Leben gar nicht darum, dass immer alle Pläne perfekt durchgeführt werden.

Sondern dass wir uns anrühren lassen von den Erfahrungen, die unsere Mitmenschen im Leben machen. Dass wir inmitten von Chaos und Hektik Freude verspüren, weil wir erkennen, dass es im Leben auf mehr als nur uns selbst ankommt. Und dass Gott es den Menschen wünscht, sich einander zuzuwenden. In der ewigen Liebe, die im Stall zu Bethlehem zur Welt kam, erkennen wir Gottes Wesen. 

Und wenn wir Störungen liebevoll annehmen, dann werden immer wieder auch unsere Augen geöffnet für Gottes Wirken in unserer Welt.

Diese offenen Augen und die Freude über allfällige Störungen, die wünsche ich uns allen diese Weihnachten!

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