Ewig­keits­sonn­tag

Glaubensimpuls


Der Tod ist nicht das Ende des Lebens, sondern des Bösen. Ein Hoffnungsschimmer. 
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Predigttext 

Lukas 23, 33-43 aus der Neuen Genfer Übersetzung

Als sie an die Stelle kamen, die ›Schädel‹ genannt wird, kreuzigten die Soldaten ihn und die beiden Verbrecher, den einen rechts und den anderen links von ihm. 
Jesus aber sagte: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.« 

Die Soldaten warfen das Los um seine Kleider und verteilten sie unter sich. 
Das Volk stand dabei und sah zu. Und die führenden Männer sagten verächtlich: »Anderen hat er geholfen; soll er sich doch jetzt selbst helfen, wenn er der von Gott gesandte Messias ist, der Auserwählte!« 
Auch die Soldaten trieben ihren Spott mit ihm; sie traten zu ihm hin, boten ihm Weinessig an und sagten: »Wenn du der König der Juden bist, dann hilf dir selbst!« Über seinem Kopf war eine Aufschrift angebracht; sie lautete: »Dies ist der König der Juden.« 
Einer der beiden Verbrecher, die mit ihm am Kreuz hingen, höhnte: »Du bist doch der Messias, oder nicht? Dann hilf dir selbst, und hilf auch uns!« 
Aber der andere wies ihn zurecht. »Fürchtest du Gott auch jetzt noch nicht, wo du doch ebenso schlimm bestraft worden bist wie dieser Mann und wie ich?«, sagte er zu ihm. »Dabei werden wir zu Recht bestraft; wir bekommen den Lohn für das, was wir getan haben. Er aber hat nichts Unrechtes getan.« 
Dann sagte er: »Jesus, denk an mich, wenn du deine Herrschaft als König antrittst!« Jesus antwortete ihm: »Ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.«

Predigt 

Liebe Gemeinde, viele werden sich fragen, was denn ein solcher Text von der Kreuzigung Christi kurz vor dem Advent zu suchen hat. Ist es plötzlich Karfreitag geworden? Gehen wir nicht auf Weihnachten zu?

Nach evangelischer Tradition ist heute der Ewigkeitssonntag, nach katholischer Tradition ist es der Christkönigssonntag und in meinem Kalender steht Totensonntag. Jedenfalls ist das der Grund, warum wir heute einen solchen Text zur Lesung vorgeschlagen bekommen. Das Kirchenjahr geht mit dem heutigen Sonntag zu Ende und so liegt es nahe heute der Verstorbenen zu gedenken. Was uns unweigerlich dazu führt, unser eigenes Ende zu bedenken.

Den eigenen Tod zu bedenken ist den meisten Menschen unangenehm. Auch wenn lockere Sprüche gemacht werden, wird das Thema selten vertieft. Lieber wird es verdrängt oder totgeschwiegen. Selten habe ich Menschen getroffen, die unverkrampft und offen über ihren eigenen Tod sprechen können. Oder eine sehende Perspektive dazu einnehmen können.

Der Tod, noch dazu der eigene Tod, ist nach wie vor ein Tabuthema, also ein Thema über das man nicht spricht.

Aber der heutige Text hat noch eine andere, meiner Ansicht nach wirklich tiefgreifende, lebensverändernde, tröstliche Dimension, die ich heute gerne offen legen möchte. Der Tod ist nicht einfach das Ende des Lebens. Er ist das Ende des hier auf der Erde gelebten Lebens. Zugleich aber ist er der Eintritt in eine viel weitere, befreite Wirklichkeit, von der wir nur eine entfernte Ahnung haben.

Um diese Dimension verstehen zu können, müssen wir uns wohl auf die Niederungen unseres Menschseins einlassen. Der heutige Text bietet die Gelegenheit dazu.

Zwei Dinge haben mich ganz persönlich berührt bei der Kreuzigung Jesu, so wie sie Lukas uns schildert. Das eine ist der Spott, das andere die Grausamkeit. Irgendwie gehören sie zu unserem Menschsein dazu.

Grausamkeit

Sicher, die Grausamkeit ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Sie ist mal stärker, mal schwächer, mal sichtbarer und dann wieder verdeckter. Aber ich möchte dem zweiten Verbrecher, der sich Jesus zuwendet gerne zurufen: Nein! Ihr bekommt nicht den Lohn für das, was ihr getan habt. Niemand! Auch für die übelste Straftat der Welt, hat niemand eine Kreuzigung verdient. Das ist menschliche Grausamkeit, die sich nicht mit einer Strafe zufrieden gibt, sondern die noch ein Exempel statuieren möchte. Exempel statuieren, damit ist in alter Sprache gemeint, dass man noch ein besonders deutliches, abschreckendes Beispiel haben möchte. Tu das ja nicht, sonst droht dir dieses. Dann wirst du gekreuzigt.

Es ist für mich immer wieder erschreckend und nicht zu erklären, warum wir Menschen die einzigen Lebewesen auf dieser Erde sind, die eine Grausamkeit an den Tag legen können, die ihres Gleichen sucht. Kein Tier auf dieser Erde ist dazu im Stande, was wir Menschen einander und unseren Mitgeschöpfen antun können. Kein Tier foltert. Wir schon. 

Und das meine ich mit sichtbarer oder verdeckter Grausamkeit: Die Tierfabriken sind nicht jeden Tag zu sehen, der Umgang mit den Fischen und dem sogenannten „Beifang“ auch nicht. „Beifang“ so werden die Tiere bezeichnet, auf die jetzt nicht gezielt Jagd gemacht wurde. Ich will jetzt nicht ins Detail gehen, aber die Verantwortung für diese Grausamkeiten tragen alle, die diese Produkte essen oder kaufen. Ich also auch.

Spott

Das zweite, das mich berührt hat, war der Spott. Die führenden Männer verspotten Jesus. Die Soldaten verspotten ihn. Selbst der zweite Verbrecher kann der Versuchung nicht widerstehen, sich in aussichtslosester Lage noch über einen anderen Menschen zu erheben. 

Auch hier habe ich mich gefragt: Warum reicht die Strafe nicht? Was wird denn am Kreuz sichtbar? Reicht es nicht, einen blutenden, nach Luft ringenden Menschen zu sehen, der ganz offensichtlich gequält wird?

In der deutschen Sprache gibt es ein Sprichwort zum Spott, das lautet: „Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.“ Dazu ein Beispiel: Stellt euch vor, der Nachbar hat eine Doppelgarage zu bauen angefangen. Halbfertig geht ihm das Geld aus und er kann die Doppelgarage nicht fertigstellen. Überlegt einmal, wieviele Leute sagen werden: Na, das geschieht ihm recht. Hätte er halt erst überlegen sollen, ob er genug Geld für eine Doppelgarage hat. Es musste ja eine Doppelgarage und keine Einzelgarage sein. Das hat er jetzt davon. Und so weiter, und so weiter. Niemand fragt nach den Hintergründen. Mitleid? Was soll das denn sein?

Der Tod als barmherziges Geschenk?

Liebe Gemeinde – liebe Mitschwestern und Mitbrüder – deswegen brauchen wir Jesus.

Deswegen hat Gott uns Menschen den Tod „geschenkt“, möchte ich fast sagen.

Der heutige Text lässt uns menschliche Grausamkeit wahrnehmen. Er lässt uns fragen, warum wir Menschen noch spotten, also nachtreten müssen. Warum wir auch angesichts eines leidenden, blutenden Menschens noch immer zynisch, also gefühllos, mitleidslos und menschenverachtend sein müssen. Auf den Punkt gebracht: Warum wir Menschen böse sind.

Damit sage ich nicht, dass wir Menschen alle gleich böse sind. 
Nein. 
Aber ich behaupte, dass wir alle der Versuchung zum Bösen ausgesetzt sind, der wir nicht immer widerstehen. 

Nicht widerstehen können, nicht widerstehen wollen, die uns „passiert“ – ich möchte nur sagen, dass wir alle betroffen sind. 
Niemand von uns ist perfekt oder biblisch gesagt ohne Sünde.

Der große Segen, der mit dem Tod verbunden ist, heißt: Hier hört das Böse auf. Gott hat dem Bösen ein Ende gesetzt. In der Ewigkeit gibt es nichts Böses mehr. Das Böse wird eben nicht ewig bestehen.

Denn in der Ewigkeit regiert Gott. Und Jesus zeigt uns in seinem Verhalten, wie das aussehen wird. Wie das geprägt sein wird, wenn er betet: 
„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“

Deswegen brauchen wir Jesus.

Jesus durchbricht die Spirale der Gewalt 

Weil Jesus anders ist. Weil Jesus die Spirale der Gewalt durchbricht, indem er sie erträgt. Weil wir in Jesus die liebevolle Zuwendung Gottes hören und spüren können. 

Dieses „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ gilt den führenden Männern, die nicht erkannt haben oder erkennen konnten, wer Jesus wirklich ist. 
Sie gilt den Soldaten, die Jesus gerade die Nägel durch die Hände geschlagen haben, weil es ihnen befohlen wurde. 
Sie gilt auch dem Verbrecher der Jesus verhöhnt und gleichzeitig mit dem „und hilf auch uns“ die eigene Hilflosigkeit zeigt. 

Mit diesem einen, einzigen Gebet wird die Welt verändert. Jesus macht uns vor, wie es geht. Und ich glaube, wir können versuchen, Jesus zu folgen.

Es gehört nach meinem Dafürhalten zu meinen wichtigsten Aufgaben als in der Verkündigung dienender Christ, Menschen immer wieder zu ermutigen, ihr Herz weich statt hart zu machen.

Dieses Mitgefühl zu predigen und aufzuzeigen, das wir in Jesus erkennen können. Diese Liebe, die die Welt verändert. 
Und die auch den Tod verändert.

Dem zweiten Verbrecher ist das gelungen. 

Sozusagen auf den letzten Metern, den letzten Atemzügen seines Lebens, schafft er es mit zwei entscheidenden Bewegungen. 
Die erste Bewegung bewirkt eine Begegnung, eine Beziehung mit Jesus. Er spricht Jesus mit Namen an: „Jesus, denk an mich.“ 
Und die zweite Bewegung zertrümmert die Macht des Todes, indem er Jesus die entscheidende Bedeutung zumisst: „wenn du deine Herrschaft als König antrittst.“

Das ist unglaublich. Es ist visionär. Dieser Mann spricht aus, was wir Christinnen und Christen erst mit der Auferstehung zu hoffen gewagt haben.

Jesus bestätigt diese Hoffnung, diesen Glauben, diese den Tod verändernde Dimension umgehend: „Ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“

Ich denke, es ist nie wirklich angenehm, auf die Kreuzigungsszene zu schauen und in ihr die menschliche Grausamkeit wahrzunehmen. Weder am Ewigkeitssonntag noch am Karfreitag. 

Aber durch das Leiden hindurch schimmert, besonders hier bei Lukas und noch deutlicher bei Johannes, eine wie ich eingangs sagte, tiefgreifende, lebensverändernde, tröstliche Dimension.

Der Tod hat nicht das letzte Wort. 
Er ist nicht das Ende des Lebens, sondern das Ende des Bösen. 

Der Tod hat nicht das letzte Wort. 
Er ist nicht das Ende des Lebens, sondern das Ende des Bösen. 

Und wenn ich das für mich und auch für meine Verstorbenen annehmen kann, dann verliert der leibliche Tod seinen Schrecken. Dann kann ich mich, so wie beispielsweise Paulus, auch darauf freuen. Dass damit alle Qualen, alle Schwachheit, alles Leiden ein Ende haben wird.

Und wenn mir das zu steil ist, mich auf meinen eigenen Tod zu freuen, dann kann ich vielleicht wenigstens Frieden schließen mit diesem Gedanken. Mit dem Gedanken, dass es gut sein wird bei Gott. Ich mag es mir jetzt noch nicht vorstellen können. Aber es wird gut sein bei Gott. Dessen bin ich mir sicher.

Amen.

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