Nicht mit Wort und Rede, sondern mit Tat und Wahrheit

Glaubensimpuls


Predigt zu 1. Johannes 3, 16-24: In der Liebe tätig werden

Nicht mit Wort und Rede, sondern mit Tat und Wahrheit

Liebe Gemeinde, die heutige Predigt nimmt Bezug auf den Text, den wir aus dem 1. Johannesbrief gehört haben. Eigentlich ein Text der wunderbar klar und eindeutig ist. Muss man dann darüber predigen?

Ich habe mir gedacht ja. Ja, denn wie oft geschieht es, dass wir etwas hören aber eigentlich nicht hören. Also hören aber es nicht wirklich aufnehmen. Hören in der Art, dass wir uns jetzt nicht aktiv die Ohren zugehalten haben aber dass es nicht zu uns durchdringt.

In unserer heutigen Zeit ist dieses selektive, also auswählende, Wahrnehmen auch eine Überlebensstrategie für uns geworden. Aus der Fülle an Informationen, die uns täglich angeboten werden, müssen wir ständig auswählen und entscheiden, was denn jetzt wirklich wichtig ist.

Nun, für mich ist dieser Text, den wir aus dem 1. Johannesbrief gehört haben, wichtig. Für mich ist er deshalb wichtig, weil ich in ihm eine Zusammenfassung meines Glaubens erkenne. Nicht nur an einer, sondern an mehreren Stellen. Aber am Auffälligsten im 23. Vers wo es heißt: „Gottes Gebot ist: Wir sollen an Jesus Christus als den Sohn Gottes glauben, und wir sollen einander lieben, wie Jesus es uns befohlen hat.“ Das ist nichts anderes als das Doppelgebot der Liebe, das jetzt eben trinitarisch folgerichtig, Jesus an der Stelle Gottes nennt. Trinitarisch folgerichtig: Wenn wir heute sagen, dass Gott der Vater und der Sohn und der Heilige Geist gemeinsam der dreieinige Gott sind, dann kann ich natürlich immer einen der drei an die Stelle Gottes stellen. Wenn also stimmt, was Jesus von sich selbst sagt: Ich und der Vater sind eins, dann kann man die Zusammenfassung aller Gebote auch so ausdrücken. Nicht dass jetzt jemand hier zu lange hängen bleibt:

Wir sollen an Jesus glauben, denn er ist Gottes Sohn. Das sagt diese Stelle und das können wir so ja sagen. Und wir sollen einander lieben. Das hat Jesus ausgesprochen als er sagte wir sollen unsere Nächsten lieben wie uns selbst.

Mir erscheint das Doppelgebot der Liebe jedenfalls ein wichtiger Hinweis darauf zu sein, dass der oder die Verfasser des Briefes hier eine Zusammenfassung versuchen. Also nochmal wirklich auf den Punkt bringen wollen, worum es geht. Was es bedeutet an Christus zu glauben. Was es bedeutet eine Christin oder ein Christ zu sein. Oder sein zu wollen. Und das habe ich gemeint, als ich sagte, die Bedeutung dieses Textes erkenne ich an mehreren Stellen.

Gleich zu Beginn heißt es: „Was Liebe ist, haben wir an dem erkannt, was Jesus getan hat.“ Weiter heißt es: „Er hat sein Leben hergegeben. Also müssen auch wir bereit sein, unser Leben für unsere Geschwister herzugeben.“ Dieser zweite Teil ist komplex, also nicht so einfach zu verstehen. Bleiben wir daher noch kurz beim ersten Teil des Satzes: Was Liebe ist, haben wir an dem erkannt, was Jesus getan hat. Was hat Jesus getan? - Die Gemeinde antwortet (Lahme gehen, Blinde sehen, etc.)

Ich danke euch für eure vielfältigen Antworten. Aus ihnen höre ich, dass ihr die Beispiele und Geschichten, die wir in der Bibel lesen können, wirklich gehört habt. Sie sind nicht einfach an euch vorüber gegangen, sondern ihr habt sie wirklich gehört, also aufgenommen.

Das heißt, wir können einen Schritt weitergehen und fragen, was bedeutet es dann, bereit zu sein, unser Leben für unsere Geschwister herzugeben. Es kann doch nicht gemeint sein, dass wir jetzt wirklich sterben müssen, für einen anderen Menschen, oder doch?

Was ich hier höre, ist nicht das tatsächliche Sterben, sondern das Ausmaß der Hingabe.

Nicht das Sterben an sich ist das Thema, sondern die Frage, was bin ich bereit für meine Geschwister zu tun? Wie weit bin ich bereit, sie zu lieben? Wie weit bin ich bereit, mit ihnen zu gehen?

„Angenommen, jemand der alles besitzt, was er oder sie zum Leben braucht, sieht seinen Bruder oder seine Schwester Not leiden. Wenn er oder sie sich ihnen nun verschließt und kein Erbarmen mit ihnen hat - wie kann da Gottes Liebe in ihr oder in ihm bleiben?“

Liebe Gemeinde, ich weiß nicht wie es euch geht, wenn ihr das hört, also jetzt in der Predigt nochmal hört, aber mir gibt diese Aussage wirklich zu denken.

Es stimmt schon, manche von uns sind ärmer und manche reicher - aber ist es nicht so, dass wir alle sagen können, wir haben, was wir zum Leben brauchen? Nicht jede hat ein Auto, nicht jeder hat einen Swimming Pool, nicht jede hat das neueste Handy, nicht jeder hat einen Hugo Boss Anzug - aber haben wir nicht alle, was wir zum Leben brauchen? Essen, Trinken, Kleidung, ein Dach über dem Kopf?

Und wird hier nicht eine zutiefst seelsorgerische Frage angesprochen, wenn es heißt, wie soll die Liebe in dir bleiben, wenn du dich deinen Mitmenschen verschließt? Wenn du kein Erbarmen hast?

Ich bin der Meinung, dass diese Frage mindestens so weit nach innen reicht, wie nach außen. Das ist keine oberflächliche Frage, sondern geht in die Tiefe unserer Seele.

Das außen ist die Hilfe für unsere Mitmenschen, aber das innen ist die Liebesfähigkeit, die stirbt, wenn wir nicht lieben.

John Wesley hat dies mit einer schlichten Feststellung ausgedrückt, als er schrieb: „Ein Hauptgrund dafür, dass die Reichen so wenig Mitleid mit den Armen haben, ist, dass sie sie so selten besuchen.“

Überhaupt könnte man auch den nächsten Satz unseres Textes mühelos mit dem Credo, also dem Glaubensbekenntnis, von Wesley in Übereinstimmung bringen. Wenn es im 1. Johannesbrief heißt: „Meine Kinder, unsere Liebe darf sich nicht in Worten uns schönen Reden erschöpfen, sie muss sich durch unser Tun als echt und wahr erweisen“ was ist das anderes als Wesleys Aufforderung, einen Glauben zu leben, der in der Liebe tätig ist?

Dieses Credo, also dieses Glaubensbekenntnis oder dieser Ankersatz geht mir schon länger nach. Berührt es doch eines der Schwerpunktthemen, die ich bei der letzten Bezirksversammlung im März 2020 formuliert habe: Warum braucht es uns als Methodistinnen und Methodisten in Graz?

Was ist unsere Identität und was ist unsere Aufgabe?

Nachdem ich mich seit Dezember 2020 intensiv mit der Flüchtlingsfrage, konkret mit den Flüchtlingen auf Griechenland beschäftige und jetzt morgen das 5. Netzwerktreffen stattfindet, frage ich mich immer mehr und immer öfter, ob das nicht unsere Aufgabe ist. Ein bis zwei Flüchtlingsfamilien hier in der Gemeinde, konkret im Gemeindebüro, aufzunehmen.

Natürlich ist das ein größeres Projekt. Natürlich darf man so eine Aufgabe nicht unterschätzen. Natürlich muss man das gut planen und die Resourcen zusammenstellen bevor man ja sagen kann.

Aber ist es nicht dennoch unsere Aufgabe? Die Aufgabe, die Gott uns vor die Füße gelegt hat, die wir nur aufheben müssen, um in der Liebe tätig zu werden? Die uns hilft liebesfähig zu bleiben und die unseren Glauben davor bewahrt ein Lippenbekenntnis zu sein?

Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr denke ich - ja, es ist unsere Aufgabe. Und zwar weniger, weil wir unersetzlich sind oder es sonst niemanden gibt, der diese Flüchtlinge aufnehmen würde. Sondern mehr, weil wir damit unser Herz vor Gott zur Ruhe bringen können, wie der Text sagt. Oder etwas einfacher übersetzt: Weil es uns als Gemeinde gut tut.

Unser Herz zur Ruhe bringen heißt nichts anderes, als dass wir mit gutem Gewissen sagen können, das was uns möglich ist - das tun wir. Wir schrecken nicht vor den Schwierigkeiten zurück, wir scheuen nicht die Arbeit, wir belassen es nicht bei den schönen Reden, sondern wir leben den Glauben, der in der Liebe tätig ist.

Ganz grundsätzlich glaube ich, dass dies auch eine der Stärken von uns hier in Graz ist. Und ich glaube es nicht nur, sondern ich habe es auch immer wieder erlebt. Als derjenige der schon oft Veranstaltungen organisiert hat oder Veranstaltungen zugesagt hat, spreche ich auch aus Erfahrung. Ob es das große Taize Jugendtreffen 2018 war oder die Jährliche Konferenz 2019, immer habe ich erlebt, dass die Gemeinde da ist, wenn man sie braucht.

Zugegeben, die Aufnahme von Flüchtlingen ist keine Wochenaktion. Sondern eine Jahresaktion. Aber bietet sie damit nicht die Chance, ein oder zwei Jahre lang zu erleben, dass wir echt sind? Dass wir es ernst meinen mit der Liebe Gottes? Dass wir bereit sind unser Leben für die Geschwister herzugeben?

Liegt nicht ein immenser Segen für uns bereit, so wie der 1. Johannesbrief sagt: „Dann, liebe Freunde, können wir uns voll Zuversicht an Gott wenden und werden alles bekommen, was wir von ihm erbitten; denn wir befolgen seine Gebote und tun das, was ihm gefällt.“

Klar, es ist Arbeit - aber anderseits: Ich darf tun, was Gott gefällt. Das ist doch großartig! Ich lebe in Gott und Gott lebt in mir.

Mit diesem Ausblick schließe ich meine Predigt. Dieser Abschnitt aus dem 1. Johannesbrief ist an mehreren Stellen eine Zusammenfassung unseres Glaubens. Es ist eine Anfrage an unseren Glauben aber sie ist verknüpft mit Dimensionen sprengenden Verheißungen. Sind wir echt, ist unser Glaube echt und wenn ja, dann können wir uns auf Gott verlassen, wie niemals zuvor. Wir werden alles bekommen, was wir von Gott erbitten. Das ist nicht vorstellbar. Vorstellbar ist es nicht, wahrscheinlich ist es nur erlebbar. Die Frage, die sich bei jedem Erbarmen stellt, ob jetzt Flüchtlinge ja oder nein, ist: Sehen wir zuerst das Problem, oder zuerst die Verheißung? Das ist die wunderbare Anfrage die wir heute mitnehmen können: Jesus hat sein Leben für dich hergegeben - wo willst du dich einbringen? Wie kann Gottes Liebe in dir bleiben, damit du erlebst, wie Gott in dir lebt und du in ihm?

Es ist eine Verheißung, die Gott dir zusagt.

Amen.

          Frank Moritz-Jauk

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