"Per­spek­ti­ven­wech­sel" – Gottes Weisheit ist anders!

Glaubensimpuls

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Dorothee Büürma

Pastorin, Erwachsenenbildung


Eine Predigt zu Jakobus 3,13-18 und Markus 9,30-37 (gehalten in der EmK Salzburg)

„Wer von euch ist weise und klug?“

So hat unsere Lesung aus dem Jakobus-Brief begonnen.

Vielleicht haben sich auch einige Pädagoginnen und Pädagogen am Anfang des Jahres schon gefragt, welche ihrer Schüler*innen/ Kindergartenkinder/ Studierenden wohl besonders klug sind. Und welche vielleicht nicht überaus schlau, aber dafür mit einer besonderen Weisheit an die Aufgaben herangehen. Wahrscheinlich kam ihnen auch der eine oder andere Gedanke über diejenigen, die vielleicht nicht zu den Klugen oder Weisen zählen. Wie kann man sie gut unterstützen? Wie werden sie mit den Herausforderungen des Lern-Alltags klarkommen?
Menschen sind nun bekanntlich keine Maschinen, und pures Auswendig-Lernen und Wiedergeben zeugt noch nicht von besonderer Klugheit.

Jakobus, aus dessen Briefen wir auch an den vergangenen Sonntagen gelesen haben, konzentriert sich immer wieder auf die Taten der Menschen. Er ist eine Art Aktivist, scheint es mir, dem das, was man äußerlich zeigt, überaus wichtig ist. Für ihn ist ein weises Leben nach außen hin sichtbar – in den Zeichen unserer Handlungen, in unserem Alltag.
Was in unserem heutigen Bibeltext besonders hervorsticht: Weisheit kann sich durchaus auch im biblischen Sinne sehen lassen. Allerdings nicht so, wie wir es mit unserem „weltlichen“ Denken erwarten.
Jakobus vergleicht den weltlichen Unfrieden und Streit, den er gar „dämonisch“ nennt, mit göttlicher Weisheit, die in Frieden wächst.

Wer von besonderer Weisheit überzeugt ist, muss sich hüten – denn das Prahlen mit der eigenen Weisheit verfälscht die Wahrheit, die von Gott kommt.
Göttliche Weisheit dagegen zeichnet sich durch Barmherzigkeit und Bescheidenheit aus.
Wer klug ist, zeigt das durch einen guten Lebenswandel.

Tue Gutes – meide Böses!

Zwei der Kernpunkte methodistischer Theologie bringen dies auf den Punkt: „Tue Gutes!“ und „Meide Böses!“. So ist ein Leben in göttlicher Liebe und Weisheit möglich.

Das klingt alles sehr schön und vielleicht fühlen wir uns durch diese Worte geschmeichelt und bestätigt in unserem Lebenswandel und in unserem Glauben. Wir sind schließlich immer wieder darauf bedacht, einander Gutes zu tun.

Und das ist auch ein wichtiges und schönes Zeichen gelebter christlicher Gemeinschaft. Ich habe in meinen zwei Jahren in Salzburg als EmK-Pastorin viele solche Zeichen sehen dürfen und mich an dem Glauben und Handeln der Gemeinde gefreut. Manchmal war ich ja fast etwas stolz auf die Gemeinde und ihre Mitglieder… Da ist schon Vorsicht geboten; man soll ja nicht prahlen!
Auf den ersten Blick klingt also alles schön angenehm. „Friede, Freude, Eierkuchen!“ (Wie man so zu sagen pflegt!)

Aber war das schon alles?
Ist unser Lebenswandel denn eigentlich wirklich immer so gut, wie wir denken?

Was ist "gutes Leben"?

John Wesley nahm diesen Auftrag zum guten Leben überaus ernst – schließlich befinden wir Glaubenden uns auf einem Weg der Heiligung. Als Zeugen von Jesu Liebe und unserer Rettung soll auch unser Leben immer heiliger werden. Wesley hatte verschiedene Ansprüche an die Mitglieder der methodistischen Bewegung. z.B. den Verzicht auf Alkohol und Kaffee, nur sehr eingeschränkten Tee-Konsum, den Verzicht auf Luxusartikel im Alltagsleben (für ihn war es eine Tugend, immer wieder zu Fuß auf Reisen zu gehen und die Anstrengungen der Wege am eigenen Körper zu spüren), das Spenden von allem nicht-lebensnotwendigen Geld für den Dienst an leidenden Mitmenschen und so weiter. Die einfache Aufforderung „Tue Gutes!“ wurde auch von Wesley durch zahlreiche Details in den Alltag übersetzt.

Auch Jakobus führt seine Anweisungen über gutes und weises Leben noch fort: Die Weisheit von Gott ist unparteiisch und aufrichtig.

Das ist schon etwas schwieriger! Wie soll man denn unparteiisch sein in allen Lebenslagen? Da hat man ja schon bei der nächsten Wahl ein Problem!
Um Wahlen geht es Jakobus hier zwar nicht, aber er spricht etwas an, das uns Menschen immer wieder nahezu intuitiv zum Verhängnis wird: Wir treffen immer wieder Urteile im Alltag und über unsere Mitmenschen. Biologisch gesehen ist das die natürliche „Kampf oder Flucht“-Reaktion der Urmenschen.
Unparteiisch zu sein bedeutet, sich den eigenen Vorurteilen zu stellen; sie sich immer wieder bewusst zu machen, und zu versuchen, einen anderen Blickwinkel zu finden.
Es bedeutet, die Mitmenschen ernst zu nehmen mit ihren Ansichten und Sorgen. Ihnen aufrichtig entgegenzutreten, auch wenn es einfacher wäre, sich mit ihnen in Streitgesprächen auseinanderzusetzen oder ihnen aus dem Weg zu gehen.
Das spricht uns momentan vielleicht schon eher an.

In einer Pandemie-Situation, die die Bevölkerung immer mehr polarisiert, in der Neid und Streitsucht die Herzen erfüllen, in der Unfriede ab und zu auch zu bösen Taten führt – in solch einer Situation lädt uns Gottes Weisheit ein, anders zu reagieren: friedlich, aufrichtig, die anderen Ernst nehmend, gütig und bereit, sich etwas sagen zu lassen. Auch wenn wir die Meinung unserer Mitmenschen nicht immer teilen, ist es unser göttlicher Auftrag in Frieden miteinander zu leben.

Gottes Friede ist kein Wegsehen bei Konflikten. Gottes Friede wird nicht dadurch erreicht, dass man Andersdenkenden aus dem Weg geht.
Gottes Friede entsteht im ehrlichen Gespräch, in gegenseitigem Wertschätzen und vor allem durch weise Bescheidenheit.
Auch wenn ich der Meinung bin, dass ich recht habe, muss ich diese Meinung meinen Mitmenschen nicht um jeden Preis aufzwingen!

Ich erinnere mich an mein Theologiestudium. Die Dozierenden legten nie großen Wert darauf, die einzig richtigen christlichen Werte zu vermitteln oder bestimmte theologische Richtungen vorzuschreiben. Jede Sichtweise war grundsätzlich richtig – vorausgesetzt man konnte sie erklären und gut argumentieren! Das Lernen wurde zum Denkprozess und ich denke, es hat auch zu etwas mehr Weisheit der Studierenden geführt.

Lebenslanges Lernen

Ich möchte mit euch noch einen Blick auf den Text unseres heutigen Evangeliums werfen. Im Markusevangelium wird literarisch besonders schön hervorgehoben, wie die Jünger mit Jesus auf einem Lernweg unterwegs sind. Die Jünger sind mir ehrlich gesagt immer wieder sympathisch.

Wo Jakobus oder auch John Wesleys Ansprüche mir manchmal selbst zu hoch vorkommen, da finde ich Hoffnung und Trost in den Geschichten von Jesus und seinen Jüngern. Besonders der Evangelist Markus beschreibt immer wieder, wie die Jünger neu über ihre Ansichten nachdenken und doch weiterhin Fehler machen, aus denen sie wiederum lernen.
Jesus scheint ein unendliches Maß an Geduld mit den Jüngern zu haben. Er versucht, ihnen beizubringen, dass Nachfolge kein bevorzugtes Leben bringt. Ganz im Gegenteil: Jesus selbst wird nicht als Held gefeiert werden, sondern am Kreuz sterben.  
Bei Jesus sind irdische Machtverhältnisse auf den Kopf gestellt. Der Leidende wird zum Retter. Das Todesurteil bringt Segen. Göttliche Weisheit zeigt sich durch Verlust und Niederlage.
Inzwischen streiten sich die Jünger nichtsahnend darüber, wer im himmlischen Reich die Machtpositionen an den Seiten Jesu bekommen soll…
Denn verstanden haben sie Jesu Weisheit offensichtlich nicht. Verstanden hat nur ein Kind, das plötzlich im Mittelpunkt der Ereignisse steht. Ein Kind, dessen Namen wir nicht erfahren, das zur Zeit Jesu wenig sagen durfte und kaum beachtet wurde, ein Kind das die Welt erst kennenlernt und seinen Weg noch finden muss; dieses Kind hat seine Augen, Ohren und sein Herz geöffnet, um von Jesus zu lernen.
Ein Kind steht im Zentrum des biblischen Heilsgeschehens (übrigens nicht zum ersten Mal! Das erste Beispiel neutestamentlicher Heilsgeschichte ist Jesus selbst, in dem Gott als Kind geboren wurde).
Trotz der bevorstehenden Gefahren und inmitten des Streits der Jünger nimmt Jesus sich Zeit für ein Kind. Das Kind hat sein Leben noch vor sich. Das Kind erinnert uns an die Zukunft. Ein Kind ist ein Ausdruck des neuen Lebens, das Gott schenkt.

Zukunftsperspektiven

Und der Blick auf das neue Leben, auf die Zukunft, steht für Jesus im Mittelpunkt. Wer den Blick vertrauensvoll, mit offenen Armen, in die Zukunft richtet, trägt Gottes Weisheit im Herzen.

Das wollen wir uns in diesem Schöpfungsmonat bewusst machen, denn die Zukunft wird von uns mit gestaltet. Möge Gott uns in unseren alltäglichen Lebensentscheidungen die Weisheit geben, Gutes zu tun und bereit zu sein aus unseren Fehlern zu lernen.

Denn eines ist sicher: Gott meint es gut mit unserer Welt – und mit jedem(r) Einzelnen von uns! Amen.

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