Ihr sät viel und bringt wenig ein

Glaubensimpuls

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Stefan Schröckenfuchs

Pastor, Superintendent


Auslegung zum Monatsspruch September aus Haggai 1,6

Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt; ihr trinkt und bleibt doch durstig; ihr kleidet euch, und keinem wird warm; und wer Geld verdient, der legt's in einen löchrigen Beutel.

Haggai 1,6
Altes Testament

Man müht sich ab, aber es kommt nichts raus

Wer kennt es nicht: man müht sich ab, doch am Ende kommt nicht viel dabei heraus. Statt eines Erfolges oder einer schönen Begegnung erntet man am Ende nur Frust. Oder zumindest das flaue Gefühl: der Einsatz war umsonst.

Gerade jetzt, nach Monaten der Pandemie, machen viele eigentlich kleine Dinge oft viel mehr Mühe als wir es aus früheren Zeiten gewohnt sind. Trotz aller Mühen bleibt doch der Hunger nach Begegnung oder einfach nur einem fröhlichen, unbeschwerten Leben vielfach ungestillt. Man isst und trinkt und bleibt durstig, man zieht sich schön an, und trotzdem bleibt es kühl. Und das liebe Geld allein kann Probleme wie diese auch nicht beheben.

Die Erfahrung ist (mir) also bekannt. Aber was will der Prophet Haggai, der sie so treffend in Worte fasst, eigentlich seinen Hörer*innen sagen?

Rückkehr ins alte Leben 

Haggai spricht in eine ganz konkrete Situation in der Geschichte Israels. Die Israeliten sind zu diesem Zeitpunkt schon länger aus dem Exil in Babylon zurück in ihre Heimat gekehrt. Kyros, der herrschende Perserkönig, hat ihnen nicht nur die Rückkehr erlaubt, sondern auch den Wiederaufbau Jerusalems einschließlich des Tempels als zentralem Heiligtum des Judentums. Doch auch fast 2 Jahrzehnte nach der Rückkehrnach Jerusalem liegt der Tempel immer noch in Trümmern, und es gibt offensichtlich Widerstände im Volk gegen den geplanten Wiederaufbau. Zeitgleich wird das Volk durch Dürren und Missernten geplagt.

Haggai stellt in dieser Zeit die Frage in den Raum: „Wie könnt ihr in euren reich verzierten Häusern wohnen, während der Tempel noch in Trümmern liegt?“ Und er stellt einen Zusammenhang her: „Überlegt doch einmal, wie es euch geht! Ihr sät viel, doch ihr erntet wenig. Ihr esst, aber ihr werdet nicht satt. Ihr trinkt, doch ihr werdet nicht betrunken. Ihr habt etwas anzuziehen, aber keinem wird warm. Und wer sich etwas Geld verdient, verdient es für einen löchrigen Beutel.“

Für Haggai ist der Zusammenhang klar: „Ihr seid damit beschäftigt, nur für eure eigenen Häuser zu sorgen. Deswegen, ja, wegen euch, hat der Himmel den Tau zurückgehalten und die Erde keinen Ertrag gebracht: Ich (Gott) habe eine Dürre herbeigerufen, auf der Erde und in den Bergen.“ Solange sich Israel nur mit sich selbst beschäftigt, braucht es sich nicht wundern, wenn es vergeblich auf Gottes Segen warten muss, so Haggai.

Eine Strafe Gottes, oder doch eher eine Frage der Prioritäten? 

Diese unmittelbare kausale Verknüpfung (Missernte als Strafe für mangelnde Frömmigkeit) bereitet mir etwas Mühe. Sie steht aus meiner Sicht in einem Widerspruch zu manchen Aussagen Jesu (vgl. z.B. Joh 9,1-3). Dennoch halte ich die Grundfrage Haggais für überlegenswert: „Überlegt doch einmal, wie es euch geht!“ Setzt ihr denn die richtigen Prioritäten? Was wollt ihr überhaupt ernten können? Wovon erwartet ihr eigentlich satt zu werden? Wodurch wird das Herz erwärmt? Was macht das Leben wirklich reich?

Ein Gebäude zu erhalten wie einen Tempel ist natürlich kein Selbstzweck. Die Wertigkeit, die ich ihm gebe, drückt aber etwas von der Wertigkeit bzw. Erwartungshaltung des eigenen Glaubens aus. Suche ich denn da, wo ich wirklich satt werden kann?

Gerade in einer Gesellschaft, in der nur wenige Menschen physischen an Hunger, Durst oder Kälte leiden müssen, drängt sich diese Frage auf. Der Hunger nach Sinn und der Durst nach Gerechtigkeit werden nicht durch Dinge gestillt, die wir essen und trinken können. Wer einsam ist, ist arm, auch wenn er reich ist.

Gemeinsam suchen nach dem, was wirklich satt macht

Die „Kirche“ aufzubauen ist keine Pflicht, die mit Strafandrohung eingeklagt werden sollte. „Kirche zu sein“ beinhaltet aber die Einladung, gemeinsam nach dem zu suchen, was wirklich satt macht: Gemeinschaft, Gerechtigkeit, Mitgefühl, Solidarität - und die Begegnung mit Gott. 

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