Predigten

aus der EmK Graz

Mensch­li­che vs göttliche Mög­lich­kei­ten

Predigt zu Ostern vom 31. März 2024: Predigthelferin Ute Frühwirth zu Markus 16, 1-8


„Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!“

Das waren sicher nicht die Gedanken der Frauen, die an diesem Morgen zum Grab kamen, um Jesu Leichnam mit wohlriechenden Ölen und Salben einzucremen. Ganz im Gegenteil. Was die Frauen in den frühen Morgenstunden erlebten, ließ sie vor Furcht und Entsetzen erzittern.  Sie hatten solche Angst, dass sie davon liefen und niemandem davon erzählten. Verständlich, oder?

Wenn ich ein Buch lese, das mich richtig fesselt, dann beginne ich mit den Hauptakteuren des Buches mitzuleben. Da kann es schon passieren, dass mit während des Lesens eine Träne über die Wange kullert, oder mir ein richtig lauter Lacher auskommt. Für mich bedeuten diese Emotionen dann, dass der Autor des Buches seine Sache gut gemacht hat. Wie ist es mit unserer heutigen Geschichte? Welche Emotionen fördert sie bei uns zu Tage? 

Wir haben hier drei Frauen: Maria aus Magdala, Maria die Mutter des Jakobus und Salome. Diese drei Frauen bereiten sich darauf vor, ihren geliebten Jesus die letzte Ehre zu erweisen, indem sie ihn mit wertvollen Ölen und Salben einbalsamieren wollen. Zwei Tage zuvor mussten sie miterleben, wie er am Kreuz gestorben ist. Sie mussten zusehen, wie er vom Kreuz abgenommen wurde und in ein fremdes Grab gelegt wurde. Sie mussten einen Tag warten, bis sie noch einmal Abschied nehmen konnten, denn sie mussten den Sabbat verstreichen lassen. Jetzt können sie Jesus endlich das letzte Mal sehen. Es ist ihr Ausdruck der Liebe und der Achtung für ihn. 

Liebe und Achtung – zwei extrem starke, positive Emotionen. Wenn ein geliebter Mensch verstirbt, zieht es einem schon den Boden unter den Füßen weg. Hilflosigkeit und Trauer überwältigen einen. Das Leben steht für einige Zeit still. Der Tod ist endgültig.  Und nun stellt euch vor: bei der Beerdigung kommt der Bestatter und sagt: „Der Sarg ist leer! Der Verstorbene ist nicht mehr da!“ Der Bestatter müsste sich für diesen geschmacklosen und üblen Scherz sicher einen neuen Job suchen. 

Aber genauso erging es den Frauen und später auch den Jüngern. Nur dass der Bestatter in unserer Geschichte ein junger Mann in einem weißen Gewand ist, der den Frauen sagt: „Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden! Er ist nicht hier!“ Dann bekommen die Frauen noch einen Auftrag, nämlich: „Geht nun zu seinen Jüngern und sagt zu ihnen, auch zu Petrus: Er geht euch nach Galiläa voraus. Dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch angekündigt hat.“ Und was machen die Frauen? Sie rennen schreiend davon! Das ist jetzt meine Interpretation. Denn ich würde es tun. 

Der ganze Abschnitt dieses Osterevangeliums ist zunächst ein Ausdruck des Unglaubens der Frauen und auch der Jünger. Obwohl der Engel sagt: „Dort werdet ihr ihn sehen, wie er es angekündigt hat.“ Jesus hat seinen Tod und seine Auferstehung angekündigt. Seinen Tod glaubten die Menschen damals noch, aber an seine Auferstehung nicht. Pah, Auferstehung! Tot ist tot! Obwohl sie zu Lebzeiten von Jesus schon erfahren und selbst miterlebt haben, dass Jesus die Macht hat, Tote wieder ins Leben zu rufen, können sie nicht begreifen, dass es passiert ist. Jesus ist auferstanden. Er liegt nicht mehr in diesem aus Stein gehauenen Grab mit diesem großen Felsen vor dem Eingang. 

Und sie haben mit ihrem Unglauben recht! Aber nur unter einer Bedingung.

Nämlich, wenn wir nur von unseren menschlichen Möglichkeiten ausgehen, von dem, was wir an Erfahrung kennen, dann ist der Unglaube die einzig logische Konsequenz. Uns Menschen fällt es unglaublich schwer, an Dinge zu glauben, mit denen wir keine Erfahrungen gemacht haben. 

Ein Beispiel: Stellt euch einmal vor, man hätte den Menschen im Mittelalter gesagt: „In 500 Jahren wird es Maschinen geben, die sind schneller als Pferde. Und mit anderen Maschinen kann man sogar fliegen!“ Man wäre als Hexer oder Hexe verbrannt worden. Oder man hätte Menschen vor 200 Jahren erzählt, dass man mit Hilfe eines Gerätes Bilder und Texte durch die ganze Welt schicken kann. Und wenn man in dieses Gerät hinein spricht, kann man sogar mit jemandem in Amerika sprechen! Die Menschen damals hätten das alles abgelehnt, weil es von ihren damaligen Möglichkeiten einfach nicht denkbar war. Heute kann es jedes Kind.

Und mein Verständnis sagt mir: genauso verhält es sich mit der Auferstehung. Die Auferstehung Jesu, unsere eigene Auferstehung oder auch die anderen Verheißungen Jesu sind für uns - von unseren Möglichkeiten her – unmöglich.

Und das ist der springende Punkt. Wir gehen zu oft von unseren Möglichkeiten aus. Gehen wir doch von Gottes Möglichkeiten aus, dann ist es kinderleicht! Ein Kamel geht durchs Nadelöhr? Unmöglich! Nicht bei Gott! Wer zweifelt oder nicht glaubt, der geht von den menschlichen Möglichkeiten aus. Und er muss in weiterer Folge bei Karfreitag stehen bleiben. Wer glaubt, der geht von Gottes Möglichkeiten aus. Wer glaubt, der geht von dem aus, was Jesus Christus kann. 

Zwei Fragen möchte ich euch stellen:

  1. Glaubst du daran, dass Jesus Christus ganz andere Möglichkeiten hat als wir? Weil dann kann er Wunder tun, weil dann kann er den Tod besiegen, dann kann er uns unsere Ängste nehmen, dann kann er Krankheit heilen, dann kann er Vergebung und neues Leben schenken.
  2. Glaubst du, dass der allmächtige und liebende Gott dich im Blick hat? Dass er, mit den Verheißungen, die in der Bibel stehen, dich meint? Dass diese Verheißungen dir gelten? Und dass er das alles in deinem Leben umsetzten kann und will? Glaubst du das? Dann sind wir nicht mehr begrenzt durch unsere eigenen Möglichkeiten. Es öffnet sich für uns ein neuer Horizont des Glaubens.

Denken wir mal an die Zukunft oder auch ganz einfach an die Gegenwart. Es gibt kaum ein Leben, dass immer in geordneten Bahnen abläuft. Aus unterschiedlichen Gründen kann es auf einmal zur Achterbahn werden. Da spreche ich im Moment wirklich grad aus eigener Erfahrung. Wir bekommen es mit der Angst zu tun, wissen nicht, wie uns geschieht und auf einmal steht unser Leben Kopf! Müssen wir mit dieser Angst und Ungewissheit leben, wenn wir wissen, was Jesus Christus kann? Wenn wir von seiner Liebe zu uns und seinem Blick auf uns wissen?

Gott hat mit der Auferstehung Jesu alles bestätigt, was Jesus gesagt und getan hat. Mit der Auferstehung hat er gezeigt, dass wir mit ihm rechnen können. Gehen wir mal die Bereiche unseres Lebens durch und fragen uns: wie sieht es aus, wenn ich mit Gott rechne? Wenn ich auf Gottes Liebe vertraue und Jesu Verheißungen auf mich beziehe? Wie sieht mein Leben dann aus? Bleibt es bei meinen menschlichen Möglichkeiten, oder kann ich meine Beschränktheit und meinen Unglauben beiseitelassen, und kann ich mit Gottes Möglichkeiten für mein Leben, mein Sterben und meine Auferstehung rechnen.

Zum Abschluss schlage ich euch noch ein Gedankenexperiment vor. Stellt euch die Gesichter der Menschen damals vor, bevor ihnen bewusst wurde, dass alles, was Jesus gesagt hatte, Wirklichkeit geworden war. Der zusammengepresste Mund, die Sorgenfalten auf der Stirn, die zusammengekniffenen Auge – plötzlich die Erkenntnis! Es ist alles wahr! Auf einmal beginnt sich das ganze Gesicht zu entspannen. Die Mundwinkel gehen nach oben, aus den Sorgenfalten werden Lachfalten und die Augen öffnen sich (im wahrsten Sinne des Wortes). Und nun ersetzt das Gesicht der Frauen und Jünger durch euer eigenes.  Jesus ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden. 

Amen

Palm­sonn­tag

Predigt vom 24. März 2024: Predigthelferin Karin Erhard zum Palmsonntag und ihrer Israelreise


Liebe Gemeinde, 

heute ist Palmsonntag. Dies ist der sechste und letzte Sonntag der Fastenzeit und somit auch der Sonntag vor Ostern. Mit dem Palmsonntag beginnt die Karwoche.

Am Palmsonntag wird an den Einzug von Jesus Christus in Jerusalem gedacht. Zum Zeichen seines Königtums jubelte das Volk ihm zu und streute auf den Weg verschiedene Zweige u. a. Palmzweige.

 

 

 

So liegen dieser Predigt die Verse aus dem Markusevangelium Kap. 11, 1-11 zugrunde, die wir in der heutigen Lesung gehört haben. Miteinfließen wird auch die zweite Lesung aus Phil. 2, 5-11 und der Psalm 118, den wir in Auszügen gemeinsam gelesen haben.

 

Einige von euch wissen, dass wir als Familie die letzten zwei Sonntag in Israel waren, da unsere Tochter Maria dort geheiratet hat. Wir hatten eine wunderschöne Zeit in Jerusalem und ebenfalls auf den Golanhöhen. Auch davon möchte ich euch ein bisschen erzählen. 

 

Die Hochzeit in Jerusalem und die Nachfeier am Golan waren gänzlich jüdische Feste. Wahrscheinlich waren Johannes, ich und unsere beiden Söhne David und Jakob die einzigen Christen, abgesehen von ein paar Gästen, die auf dem Weg der Konversion ins Judentum sind und einer Nachbarin, die auf Wunsch und Druck ihres Mannes Christin wurde, sich aber innerlich wieder davon distanziert hat und derzeit getrennt von ihrem Mann lebt.

 

So waren wir als Familie gänzlich eingehüllt in jüdisches Brauchtum und konnten viel von dieser besonderen Stimmung aufnehmen. An der jüdischen Kultur liebe ich die Dynamik, die Buntheit und auch die Lautstärke. Es fühlt sich wie Leben an und stiftet Identität und Zugehörigkeit. Das „Wir“ und das „Miteinander“ kommen in den Vordergrund. Der einzelne erlebt sich als Teil von etwas Größerem.

 

Der Tag der Hochzeit war auch der Geburtstag unserer Tochter, er war zufällig auch der Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan, der zweite Tag des jüdischen Monats Adar, wo man sich wie im Fasching verkleidet. Und an diesem Tag fand auch der Wechsel der jüdischen Soldaten statt, die in Gaza kämpften und sich genau an diesem Tag nahe der Klagemauer trafen. So gingen beim Aufbauen des Hochzeitszeltes genannt hunderte Soldaten und Soldatinnen mit Maschinengewehren an uns vorbei und fast jeder rief erfreut „Masel Tov“, das bedeutet „Glückwunsch“. Von der Mauer hinter dem Hochzeitszelt sah man auf die Klagemauer mit den betenden Menschen und links davon glänzte der muslimische Felsendom.

Die Hochzeit selbst war eingebettet in viele Gebete, Brauchtum und Lieder. Noch viel mehr von diesen Gebeten und Liedern durften wir bei der Hochzeits-Nachfeier am Golan genießen. Wir waren dort bei einer jüdischen Bibelschule zu Gast, wo Eliezer, Marias Mann früher mehrere Jahre gelebt hatte. 

Ganz besonders war für mich bei dieser Feier jener Zeitpunkt als wir als ca. 50-köpfige Hochzeitsgesellschaft feiernd zusammensaßen, ein Mann sich für eine Rede erhoben hatte und plötzlich die Tür des Raumes aufging. Es kamen ca. 100 laut singende und tanzende Männer herein und wir waren geschätzt 20 Minuten mittendrin in diesem lauten und fröhlichen Treiben. 

 

Liebe Gemeinde, genau so stelle ich mir den Einzug Jesu in Jerusalem vor. Singend, tanzend und jubelnd. 

 

In allen vier Evangelien steht, dass die Menschen rund um Jesus ungefähr Folgendes sangen: 

„Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!

 

Natürlich wurden nicht nur diese wenigen Worte gesungen, sondern ziemlich sicher die gesamten sogenannten „Hallel-Psalmen“. So wurden die Psalmen 113-118 genannt, die bei mehreren Festlichkeiten und u.a. auch an den zwei Tagen vor dem Passahfest gesungen wurden. 

 

Ich hab auf Youtube ein Video von den Hallel-Psalmen gefunden. Etwas mehr als 20 Minuten dauert das Vorsingen (mit Tanzen) dieser Psalmen, wobei normalerweise nur die Männer singen und dies ohne Begleitung von Instrumenten. Damit ihr euch etwas darunter vorstellen könnt, spiele ich euch einen kurzen Moment daraus vor und ihr werdet sehen, es ist ein deutlich lebendiger als wir vorher den Psalm 118 gebetet haben.

https://www.youtube.com/watch?v=EAGvxRTCLLg

Ich gehe nun tiefer auf die Geschichte des Einzugs Jesu in Jerusalem ein.

Im Johannesevangelium wird berichtet, dass kurz davor Jesus den Lazerus nach 3 Tagen Tod wieder zum Leben erweckt hat.

Die vorangegangene Auferweckung des Lazerus hatte die Menschen zutiefst berührt und begeistert. Die Auferweckung eines Toten, der bereits 3 Tage im Grab gelegen hatte, ist und war menschlich unmöglich. Unmögliches vollbringen, deutete somit auf den erwarteten Messias hin und die Menschen waren sicher in totaler Erwartungsstimmung, vielleicht auch Euphorie.

Und diese Vorstellung, dass der Messias gekommen sein könnte, bewegte und erregte die Menschen so sehr, dass sie Jesus aus Jerusalem in Richtung Osten entgegen gingen.

In der Zwischenzeit organisierte Jesus durch seine Jünger ein Reittier und zwar einen jungen Esel. Dies war in Anlehnung an ein Wort vom Propheten Sacharja: „Freue dich, du Zionsstadt! Jubelt laut, ihr Leute von Jerusalem! Seht, euer König kommt zu euch! Er ist gerecht vor Gott, und er bringt die Rettung. Er ist demütig und reitet auf einem Fohlen, dem männlichen Jungtier einer Eselin.“

 

Im Philipperbrief haben wir bei der Lesung gehört, 

  • dass Jesus genauso war wie Gott. Die Göttlichkeit war also ein Teil der Identität Jesu.
  • Trotzdem war Jesus bereit, durch und durch Mensch zu werden. 
    im Philipperbrief steht, dass Jesus die Göttlichkeit nicht als Raub ansah – gemeint ist hier als Beutestück, das man festklammert, damit es einem nicht weggenommen wird. Nein, die Göttlichkeit war Teil des Wesens Jesu, deshalb konnte er Mensch sein, ohne seine Göttlichkeit zu verlieren.
  • Und in diesem Menschsein konnte Jesus sich erniedrigen und dienen. Es war für Jesus sogar möglich, einen grausamen und schrecklichen Tod am Kreuz zu sterben, ohne seine Würde und Identität als Gott zu verlieren.
  • Man könnte hier sogar noch etwas draufsetzen: Gerade in der Demut, Hingabe und im „Sich verschenken“ wurde das liebende Wesen Gottes offenbar. Göttlichkeit bedeutet eben nicht, nur oben auf Wolke 7 in Abgehobenheit und Unantastbarkeit zu schweben, sondern Göttlichkeit bedeutet hingebungsvolle Liebe.

 

Das Ablegen seiner Göttlichkeit, das Reiten auf einem Esel war daher kein Scheitern einer Mission, es war kein Hoppala, ebenso wenig wie der Tod Jesu am Kreuz kein Scheitern und kein Hoppala waren. Sondern beides war zutiefst eine Offenbarung vom Wesens Gottes.

 

So spanne ich nochmals den Bogen zurück zu unserem Aufenthalt in Israel. Uns war es wichtig, dort als Licht zu scheinen. Im Rahmen der Hochzeitszeremonie haben Johannes und ich für das Brautpaar den Psalm 103 vorgelesen. Die Nachbarin, von der ich oben berichtet habe, hat davon ein Video gedreht und es ihrem Mann geschickt. Dieser war davon so berührt, dass er beschlossen hat, zu seiner Frau zurück zu kommen. Inzwischen haben die beiden Bedingungen für einen Neustart ausgehandelt und möchten es wieder miteinander versuchen.

Für mehrere Tage durften wir bei dieser Nachbarin wohnen. Ich hatte ihr angeboten, als Dank dafür ihren mit Brennnesseln überwucherten Garten auszumisten, was David, Jakob und ich gemeinsam in ca. 3 Stunden Arbeit geschafft haben. Danach war der Garten nicht wiederzuerkennen und die Nachbarin betrat nach ca. 2 1/2 Jahren erstmals ihren Garten.

Auf den Golanhöhen brachten wir dem Rabbi Nathanael, der uns eingeladen hatte, mehrere Geschenke mit und es berührte mich, dass er sich früher nicht hätte vorstellen können, dass es Christen gibt, die in vielen Punkten seine Werte teilen. 

 

Somit fasse ich die Predigt zum heutigen Palmsonntag zusammen:

  1. Die Menge wollte Jesus als König feiern. Jesus holt sie auf den Boden göttlicher Realität zurück. Nicht Menschen machen Jesus zum König, sondern Gott selbst macht Jesus zum König – nach seinen Prinzipien und gemäß seinem Wesen.
  2. Papst Benedikt XVI. deutete den Einzug Jesu auf dem Reittier der Armen als Gegenbild zu den Kriegswagen, die Jesus abschafft: Jesus ist „ein armer König, einer, der nicht durch politische und militärische Macht herrscht. Sein innerstes Wesen ist Demut, Sanftmut Gott und den Menschen gegenüber“. Als „Friedenskönig“ stehe Jesus im Gegensatz zu den Königen der Welt.
  3. Und wir, du und ich, als Menschen in der Nachfolge Jesu möchten in diese Identität hineinwachsen und lernen, wie Demut und Sanftmut Gott und den Menschen gegenüber aussehen soll und kann.

Amen

Befreiung

Predigt vom 17. März 2024: Pastor Frank Moritz-Jauk zu Johannes 12, 20-33


Liebe Gemeinde, im Rückblick auf meine letzten Predigten, die vielleicht etwas kopflastig waren, habe ich mir heute vorgenommen, euch eine federleichte, erfrischende, befreiende und ermutigende Predigt zu schenken.

Aber wie soll das gehen? Mitten in der Passionszeit? Wo wir auf den Leidensweg von Jesus schauen? Wo Zweifel, Angst, Grausamkeit und Schmerzen im Vordergrund stehen?

Wie soll das gehen in einer Zeit des Umbruchs? In einer Zeit, in der ihr als Gemeinde erfahren habt, dass ein Pastorenwechsel bevorsteht? In einer Zeit, wo das Thema Mitbestimmung und Umgang mit Menschen in den Vordergrund gerückt ist? Wo Enttäuschung bis hin zu Wut und Ärger in der Gemeinde vorhanden sind?

Ja - das sind die Fragen. Gute Fragen. Und ich will es dennoch versuchen. Ich möchte euch etwas von der Leichtigkeit und Freude weitergeben, die ich in mir spüre. Ich möchte Zeugnis geben, von einem Glauben der trägt. Und ich möchte euch drei Hintergründe schildern, warum ich glaube, dass leichte Predigten wichtig sind.

Der erste Hintergrund ist, dass wir eine internationale Gemeinde sind und sein wollen. Und das bedeutet, dass predigende Menschen - wie ich - darauf Rücksicht nehmen sollen, dass nicht alle deutsch als Muttersprache haben. Dass nicht alle gleich gut deutsch können und deshalb gleich gut verstehen, was gesagt wird. Deshalb braucht es kurze Sätze, möglichst ohne lateinische Fremdworte. Ist ja schon deutsch schwierig genug. Und es ist selbst mit deutschen Worten schwierig, die nicht mehr zum allgemeinen Sprachschatz gehören. Wie Sünde, Schuld, Sühne oder dergleichen. Selbst wenn ich in meiner letzten Predigt versucht habe, das möglichst gut zu erklären, ist mir bewusst geworden, wie schwierig diese Predigt zu verstehen war. Das soll heute anders sein.

Und was ich bei diesem ersten Hintergrund ganz deutlich und unmißverständlich sagen möchte: Wer nicht deutsch als Muttersprache hat, braucht sich dafür bitte nicht zu schämen. Oder zu entschuldigen. Ich kann dafür kein chinesisch. Oder koreanisch. Oder Tri.

Der zweite Hintergrund ist, dass ich in den vergangenen zwei Wochen, also seit der Pastorenwechsel bekannt gegeben wurde, begonnen habe, mich zu verabschieden. Also in all den Gruppen in denen ich außerhalb der Gemeinde mitarbeite, bekannt zu geben, dass ich nur mehr bis zum Sommer in Graz sein werde. Ob das jetzt das Ökumenische Forum ist. Oder das Christlich-jüdische Komitee. Oder der Ökumenekreis im Seelsorgeraum Kaiserwald. Oder die muslimisch-christliche Dialoggruppe. Überall habe ich so viel Wertschätzung und Liebe erlebt, dass ich diese Liebe einfach weitergeben möchte. Das ist doch ein unglaubliches Geschenk! So viele positive Rückmeldungen. 

„Denn wes das Herz voll ist, des geht der Mund über“. Ich dachte erst, das sei ein Sprichwort. Tatsächlich ist es eine Bibelstelle aus Lukas 6, Vers 45. Sie bedeutet, begeistert von etwas zu erzählen, das man besonders stark erlebt hat oder das man für wichtig hält. Ja, diese erfahrene Liebe und Wertschätzung habe ich besonders stark erlebt. Auch von ganz vielen Menschen aus der Gemeinde, also von euch, habe ich das erlebt. Und dafür bin ich unglaublich dankbar. Diese Liebe und diese Dankbarkeit lässt mich gelassen in die Zukunft blicken. Wovor sollte ich mich fürchten, wenn das die Früchte meines Wirkens hier in Graz sind?

Und der dritte Hintergrund ist, dass man die Passionszeit als eine unheimlich schwere und bedrückende und schmerzhafte Zeit erleben kann. Kann man. Muss man aber nicht.

Ich finde, die heute gehörte Evangeliumsstelle hat auch etwas Befreiendes. Etwas das Mut macht und Hoffnung gibt. Jesus selbst ist es, der das sieht. Durch sein Leiden und seinen Tod hindurchsieht, wenn er sagt: „Mein Herz ist jetzt voller Angst und Unruhe. Soll ich sagen: Vater, rette mich vor dem, was auf mich zukommt? Nein, denn jetzt ist die Zeit da; jetzt geschieht das, wofür ich gekommen bin.“

Ich bin überzeugt, dass diese Haltung ganz wichtig für uns Menschen ist.

Es geht um Sinn. Um Bedeutung. Um „purpose“, wie man im englischen sagt.

Wenn wir einen Sinn in unserem Tun erkennen können, dann hilft uns das auch in schweren Zeiten.

Jesus sieht diesen Sinn: „Jetzt geschieht das, wofür ich gekommen bin.“

Und was ist das?

Auch hier gibt uns Jesus selbst die Antwort: „Jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinaus geworfen werden.“ 

Und wer ist damit gemeint?

Ich denke, wenn der Herrscher dieser Welt hinaus geworfen wird, dann meint Jesus damit den großen Versucher. 

Also nicht den wirklichen Herrscher dieser Welt, denn das ist und bleibt Gott, sondern den Versucher der Jesus in der Wüste auf die Probe stellt. Und von dem es heißt, dass ihm die Reiche der Erde unterstellt sind.

Wenn jetzt der Teufel, ein Name für diesen großen Versucher, hinausgeworfen wird, dann bedeutet das, dass seine Macht gebrochen wird. Und dass damit auch die versklavende Macht der Sünde gebrochen wird. Das führe ich heute nicht noch einmal aus. Heute sage ich es ganz einfach: Es ist ein Sieg über das Böse. Es ist ein Sieg über alles, was uns von Gott trennen will. Es ist ein Sieg, eine Befreiung, mit der neues Leben möglich wird.

Jesus hat das gesehen und angekündigt. Für diesen Sinn, war er bereit ans Kreuz zu gehen. Das war es ihm wert.

Und das Schöne ist, dass Gott das bestätigt: „Ich habe es getan und werde es auch jetzt wieder tun.“ Gott bestätigt diesen Weg, den Jesus geht.

Ich sehe meinen Weg noch nicht. Aber das ist nicht so schlimm, denn ich vertraue darauf, dass Gott ihn schon kennt. Wie hat meine Bezirkslaienreferentin Ute Frühwirth so schön gesagt: „Frank, wer weiß für was es gut ist.“ Das zaubert mir schon heute ein Schmunzeln ins Gesicht.

Vielleicht ist es dafür gut, dass die Gemeinden und Leitungsverantwortlichen in Österreich einen besseren Weg miteinander finden. Dass es in Zukunft mehr Offenheit gibt. Dass weniger einseitige Entscheidungen gefällt werden. Dass alle daraus lernen können.

Das kann ich für mich schon heute sagen: Ich habe unheimlich viel gelernt. Ich habe selten in so kurzer Zeit soviel über mich selbst gelernt. Ich kann bestätigen, dass wir in Krisen am ehesten bereit sind, über uns selbst nachzudenken. Ohne Leiden, keine Veränderung.

All das sehen wir in der Passionszeit. Ohne Karfreitag, kein Ostern. Ohne Leiden und Tod, gibt es keine Auferstehung. Oder wie hat es Jesus so schön gesagt: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es ein einzelnes Korn. Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.“

Man kann in Veränderungen eine Bedrohung sehen. Kann man. Muss man aber nicht.

Jede Veränderung kann auch eine Chance sein. Jede Veränderung kann Sinn machen. Das Problem das wir im Vergleich zu Jesus haben, ist, dass wir es jetzt noch nicht sehen. Oder noch nicht wissen.

Meistens erkennen wir erst im Nachhinein, wozu etwas gut war. Was für einen Sinn es hatte. 

Aber Wachsen im Sinne von reifer werden, geschieht in den Brüchen des Lebens. Das ist zumindest meine Erfahrung. Der ich dann auch etwas Gutes abgewinnen kann. So schmerzhaft es auch sein mag. Aber wenn alles glatt läuft und seinen gewohnten Gang geht, dann passiert meistens nichts Bahnbrechendes. Das aber ist der Tod von Jesus.

Es ist etwas wirklich Bahnbrechendes, etwas ganz Neues, etwas wirklich Befreiendes.

Und dann kommt noch dazu, dass der Tod Jesus nicht festhalten konnte. Jesus hat auch die Macht des Todes gebrochen. Nichts ist mehr wie es war. 

Die Auferstehungsbotschaft schimmert immer durch die Passion von Jesus hindurch. Zumindest im heutigen Evangelium ist das ganz deutlich. Da sieht Jesus den Sinn seines Kommens.

Lassen auch wir uns einladen, diesen Sinn zu erkennen. Diese Befreiung anzunehmen. Und die Freude zuzulassen, die damit einher geht.

Amen.

Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe

Predigt vom 03. März 2024: Superintendent Stefan Schröckenfuchs zur Jahreslosung 1. Kor. 16, 14


Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!         1. Korinther 16,14

Liebe Gemeinde in Graz, seit Jahresbeginn begleiten mich die Worte der Jahreslosung: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!“ Ich möchte auch heute gerne nochmals über die Bedeutung dieser Wortenachdenken. 

Und ich will sie mit der Zusage verbinden, die Jesus bei seiner Taufe zu hören bekommen hat: du bist mein geliebtes Kind! 

Zunächst aber zur Jahreslosung: Alles was ihr tut, geschehe in Liebe!

Das klingt im ersten Moment nach einer Aufforderung. Oder vielleicht sogar nach einer Überforderung. 

 Alles, was ihr tut… - das ist ja ziemlich viel. 

Ich tue ja ständig irgendwas. 

Schlafen, essen, reden, einkaufen, arbeiten, Spaß haben, mich ärgern, streiten, etwas entscheiden, etwas erdulden, und so weiter… Kann man wirklich alles in Liebe tun? Wer entscheidet eigentlich, ob das was ich tue, tatsächlich „in Liebe geschehen“ ist? Muss ich mich ständig selbst kontrollieren? Werde ich ständig überprüft? Gar nicht so einfach. 

1) Ich möchte in einem ersten Schritt den Text etwas genauer anschauen.  

Paulus hat seine Briefe auf Griechisch geschrieben.

Bei Übersetzungen in andere Sprachen geht oft etwas verloren, weil Sprachen sehr unterschiedlich funktionieren. 

In unserer deutschen Übersetzung finden wir einen Satz, der zwei Verben, zwei Tun-Wörter, hat: tun und geschehen. Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe! 

Paulus verwendet im Griechischen aber nur ein Verb. Interessanterweise ist es nicht das Wort „tun“ (poieo), das im Deutschen prominent an erster Stelle steht. Er verwendet das Verb ginomai, das bedeutet, dass etwas geschieht, oder ganz einfach passiert. Alles zwischen euch geschehe in Liebe. 

Das klingt auf deutsch ein bisschen holprig, darum haben die Übersetzer ein zweites Verb eingefügt: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“.Ich denke aber, dass dabei die Aufmerksamkeit viel zu stark auf das Tun gelenkt wird. Der Fokus von Paulus liegt nicht darauf, dass wir etwas tun sollen. Es geht ihm vielmehr darum, dass da etwas da ist, was wir ernst nehmen sollen - bei allem, was so zwischen uns Menschen passiert. Ich will es noch konkreter und deutlicher sagen: 

Paulus sagt nicht: „tut dies und lasst jenes – seid immer lieb und nett; reißt euch zusammen; kehrt alle Konflikte und was euch ärgert unter den Tisch. Denn bei einer Christin oder einem Christen muss man bei allem, was er macht, sagen können: ‚Na, das war aber lieb.‘ Das ist nicht gemeint, und zwar gar nicht. Paulus geht es vielmehr darum, dass wir etwas ernst nehmen sollen, was schon da ist. Etwas, was wir selbst gar nicht machen oder herstellen können - sondern höchstens ablehnen oder ignorieren. Dieses „etwas“ ist eben die Liebe, und zwar genauer: die Liebe Gottes.

Diese Liebe (das ist wichtig) kommt nämlich nicht aus uns heraus. Sondern sie kommt von Gott, der sie uns schenkt. 

Gott schenkt uns seine Liebe. Deshalb ist die Liebe schon da. 

Unser Anteil ist der, sie tatsächlich ernst zu nehmen - bei allem, was so zwischen uns passiert. 

2) Ich will versuchen, noch deutlicher zu machen, was ich damit meine. Dazu muss ich jetzt einen Sprung machen - zu unserem Evangelium von der Taufe Jesu, das wir vorhin gehört haben. 

Der Evangelist Markus erzählt ganz am Anfang seines Evangeliums, dass Jesus sich von Johannes dem Täufer im Jordan taufen lässt. Kaum steigt Jesus dann wieder aus Wasser des Jordanflusses, heißt es: 

„In diesem Moment sah er, wie der Himmel aufriss. Der Geist Gottes kam auf ihn herab wie eine Taube. Dazu erklang eine Stimme aus dem Himmel: »Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Freude.«“

Der Himmel reißt auf. Das ist ein ziemlich faszinierendes Bild. Man kann sogar übersetzen: den Himmel zerreißt es. Der Himmel geht nicht nur für einen Moment auf, sodass man ihn auch wieder zumachen könnte. Sondern der ist im Grunde kaputt - er bleibt endgültig offen, den kriegt man nicht wieder zu. Aus diesem zerrissenen Himmel ist die Stimme Gottes zu hören: Du bist mein geliebter Sohn. Ich liebe dich. Das ist die Botschaft, die aus dem zerrissenen Himmel kommt. Das Bild vom zerrissenen Himmelszelt soll deutlich machen: 

Gott nimmt das nicht wieder zurück. Er kann es garnicht zurückziehen. Der Himmel, in dem diese Botschaft bisher eingesperrt war, ist zerrissen. Es gibt kein zurück mehr für die Liebe Gottes. Die ist jetzt unwiderruflich da. Du bist mein geliebtes Kind, egal, was kommt. Egal, was andere zu dir sagen. Egal wie man dich behandelt. Egal was du tust - ob du Erfolg hast oder scheiterst. Du kannst meine Liebe nicht mehr verlieren. Und du brauchst auch erst gar nicht versuchen, sie dir zu verdienen. Das wäre ja ein Hohn. Meine Liebe verdienen zu wollen heißt ja eigentlich, ein Geschenk abzulehnen. Nein, meine Liebe ist schon längst da, und sie gilt: ICH LIEBE DICH. Punkt aus. 

3) Diese uns bedingungslos geschenkte Liebe ist es, in der alles, was so unter uns passiert, eben „geschehen“ soll. 

Es sind nicht wir, die sich abmühen müssten, bei wirklich allem was wir tun, noch irgendwie ein Fünkchen Liebe aus uns heraus zu quetschen. 

Nein, die Liebe ist längst da. 

Wie ein warmer Regen an einem Sommertag die Erde erfrischt, so regnet die Liebe Gottes beständig aus dem zerrissenen Himmel auf uns und will alles durchdringen, was unser Leben betrifft.

Diese Liebe ist nämlich nicht nur Jesus zugesagt.

Sie gilt jedem von uns! In der Taufe wurde sie uns allen ganz persönlich zugesagt. 

Du bist mein geliebtes Kind. Ich habe dich lieb. Ohne jede Vorbedingung. Und unwiderruflich. 

Interessanterweise fällt es uns Menschen aber gar nicht so leicht, dieser Liebe zu trauen, und zuzulassen, dass sie unser Leben bestimmt. 

Diese Erfahrung kennt sogar Jesus. Unmittelbar nach seiner Taufe heißt es, dass es ihn in die Wüste treibt, wo er versucht wird. Solche Versuchungen kennen auch wir. Eine davon ist der Zweifel: „Stimmt denn das überhaupt - dass ich wirklich geliebt bin? Und zwar „einfach so“? Muss ich mir Liebe nicht doch erst verdienen? Und was ist,  wenn ich mich daneben benehme - werde ich sie dann nicht doch wieder verlieren?“ Nein - DU BIST GELIEBT. Punkt, Aus, Ende! Lass dir das gesagt sein. Versuch nicht, dir diese Liebe zu verdienen; damit lehnst du nur ab, was Gott dir schenk: dass dich nämlich liebt, einfach weil er dich liebt. 

Eine andere Versuchung ist so ziemlich das Gegenteil davon. Es ist der Hochmut, der uns sagt: „Na, ich muss ja offensichtlich ein ganz besonders toller Hecht sein, dass Gott mich so sehr liebt. Gottes Sohn, Gottes Kind - wow, dann bin ich ja wohl der Größte! Und verlieren kann ich sie auch nicht mehr? Na, was kann mir dann schon passieren? Jetzt kann ich mir alles erlauben und herausnehmen was ich will. Mir passiert ja eh nichts. Und die anderen sind mir egal. “ 

Auch das wäre eine Versuchung, die am Ziel dessen vorbei geht, was Gottes Liebe bewirken will. 

Jesus widersteht beiden Versuchungen. 

Sein ganzes Leben ist ein großartiges Beispiel dafür geworden, was es heißt, sich einfach gesagt sein zu lassen: Ich bin geliebt. Das genügt. Ich muss mir nicht erst verdienen, geliebt zu werden. Gottes Liebe fällt mir unverdient zu. Das genügt. 

Das Wunderbare an der Geschichte Jesu ist, dass wir sehen können: 

Die Liebe macht Jesus frei. 

Frei, sich nicht mehr um sich selbst drehen zu müssen. Frei, andere lieben zu können. Frei, das beste für andere zu wollen – und zu tun. Frei - weil, er sich beschenkt fühlt und bedingungslos geliebt weiß. Frei, alles was zwischen ihm und anderen passiert, von dieser Liebe bestimmt sein zu lassen.Was Jesus dann „getan“ hat (und das kann man gar nicht klar genug sagen) war gewiss nicht immer einfach nur „lieb und nett“. Im Gegenteil. 

Jesus ist keinem Konflikt ausgewichen, den er im Sinne der Liebe für nötig gehalten hat. Als er gesehen hat, dass es den Händlern und Geldwechslern im Tempel nur um Geschäfte und nicht um Gott geht, hat er sie aus dem Tempel geworfen. 

Als er im Gespräch mit Pharisäern und Schriftgelehrten gemerkt hat, dass es ihnen um Macht, Ansehen oder Selbstgerechtigkeit, hat er vehement mit ihnen gestritten. Und als er bei seinen Jüngern gemerkt hat, dass sie sich darum streiten, wer von ihnen der Größte ist, hat er ihnen gehörig den Kopf gewaschen. Am Schluss hat man ihn dafür umgebracht, weil er so kompromisslos der Liebe Gottes treu und in seinem Handeln frei geblieben ist, und sich von niemandem verbiegen hat lassen. Jesus war durch die Liebe frei. Aber er war gewiss nicht einfach nur lieb und nett. Ich weiß nicht einmal, ob wir ihn besonders sympathisch gefunden hätten. Was ich aber weiß ist, dass er sein ganzes Leben und Handeln bestimmt sein hat lassen von der Zusage, die Gott ihm gemacht hat: „Du bist mein geliebtes Kind, an dir habe ich Wohlgefallen“. So konnte er sogar am Kreuz sagen: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“. 

4) Und wir?

Können wir das auch? 

Können wir unser Leben so bestimmt sein lassen von der Zusage Gottes: „Du bist mein geliebtes Kind.“? 

Ich möchte wenigstens sagen: Bitte, lasst es uns versuchen. Denn die uns geschenkte Liebe ist ein wahrhaft tragender Grund! Es ist die bestmögliche Basis für alles, was so zwischen uns passiert! 

Lasst uns bei allem, was wir tun, und bei allem was so zwischen uns passiert, eins nie vergessen: wir sind geliebt. Bedingungslos. Unwiderruflich. Der Himmel ist offen, der geht nicht mehr zu.

Wenn wir das im Blick behalten, macht das einen unfassbaren Unterschied. Es wird zwar nicht alles leichter, was wir zu tun haben. 

Es verhindert auch nicht, dass es manchmal zu Konflikten, zu Trennungen, ja vielleicht sogar zu Brüchen kommt. Manches fällt uns leicht und macht uns Freude, und anderes fordert uns heraus oder schmerzt. Dennoch: es ändert alles, ob wir verzweifelt denken: „Hilfe, ich hab nur mich! Wie schaff ich das? Was ist, wenn ich überfordert bin, abgewiesen werde oder scheitere? Fall ich dann ins Nichts?“ 

Oder ob wir uns daran erinnern, was Paulus an anderer Stelle sagt: 

Was kann uns von Christus und seiner Liebe trennen?Etwa Leid, Angst oder Verfolgung, oder Kälte, Gefahr oder gar die Hinrichtung? Ich bin zutiefst überzeugt: Nichts kann uns von der Liebe Gottes trennen – nicht der Tod und auch nicht das Leben, keine Engel und keine weltlichen Mächte, nichts Gegenwärtiges und nichts Zukünftiges und auch keine andere gottfeindliche Kraft. Nichts Über- oder Unterirdisches und auch nicht irgendetwas anderes, das Gott geschaffen hat – nichts von alledem kann uns von der Liebe Gottes trennen. In Christus Jesus, unserem Herrn, hat Gott uns diese Liebe geschenkt.

Ich kann es aus eigener Erfahrung sagen: gerade in herausfordernden Situationen macht es einen unfassbaren Unterschied, wenn wir uns darauf einlassen, uns selbst und alles, was so passiert von der Liebe Gottes getragen sein zu lassen. 

Denn solange die Liebe Gottes der tragfähige Grund ist, auf dem wir Halt finden, werden wir auch schwierige Situationen so bewältigt können, dass Gott noch Gutes daraus entstehen lassen kann. 

Ich habe das immer wieder erlebt. Und vielleicht sind wir gerade jetzt in einer Situation, in der wir das gemeinsam erfahren können. Gott schenke es - durch seine Liebe - dass alles, was zwischen uns geschieht, im Licht der bedingungslosen Liebe Gottes steht. 

Amen

Zum Pre­digt­ar­chiv

Hier können Sie noch mehr Predigten lesen 

zum Pre­digt­ar­chiv

Ihr Browser ist veraltet!

Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser, um diese Website korrekt darzustellen. Den Browser jetzt aktualisieren